„Eine Frage bitte: Wen haben sie gewählt?“

Was bewog die Wähler tatsächlich zu ihrer Wahlentscheidung? Epoch Times fragte vor den Wahllokalen nach.
Titelbild
Wähler bei der Stimmabgabe zur Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses (AGH) und des Bezirkstages Pankow (Bezirksverodnetenversammlung; BVV) im Jahr 2021.Foto: Jan Zappner/AFP via Getty Images
Von 12. Februar 2023

Es ist ein Wetter in der deutschen Hauptstadt, an dem man gerade am Sonntag lieber zu Hause bleiben möchte. Gerade mal 8 Grad Celsius zeigt das Thermometer an, dazu grauer Himmel, Wind und Nieselregen.

Keine guten Voraussetzungen, um heute an der rund 40 Millionen teuren Wiederholungswahl für das Berliner Abgeordnetenhaus (Landtag) und die Bezirksverordnetenversammlung (Bezirkswahl) teilzunehmen? Oder ist den Berlinern ganz wichtig zu wählen – trotz des Karlsruher Urteils, dass die Wahl nur unter Vorbehalt stattfinden kann? Wollen sie, dass sich die Stimmenverhältnisse ändern, weil sie mit der jetzigen Regierung unzufrieden sind?

Die Wiederholungswahl, so steht jetzt bereits fest, wird die politischen Verhältnisse in der Stadt verändern. Nach demokratischer Gepflogenheit liegt der Auftrag nach den ersten Wahlprognosen zur Regierungsbildung nun bei der CDU als stärkster Kraft im Abgeordnetenhaus. Dahinter, auf den nachfolgenden Plätzen ist aber noch einiges offen.

Wir wollten heute Nachmittag vor dem offiziellen Wahlergebnis ein kleines Stimmungsbild haben. Daher befragten wir Menschen in zwei Bezirken – einer im Osten der Stadt (Mitte) und einer im Westen (Charlottenburg) –, die nach dem Wählen das Wahllokal verließen. Dabei wollten wir wissen, wen beziehungsweise was sie gewählt haben und warum sie sich so entschieden haben.

„Hier wird nur noch grün regiert“

Ein Rentner, fast 80 Jahre alt und lange Zeit als Elektromechaniker im Großbetrieb tätig, ist es dieses Mal sehr wichtig zu wählen. Das letzte Mal war er im 20. Jahrhundert wählen.

Warum er jetzt wählen geht? „Weil mir die Politik der Grünen nicht gefällt.“ Hier würde nur noch grün regiert. „Es stinkt mich an, was die machen; das ist so anwohnerunfreundlich.“ Dabei bezieht er sich unter anderem auf den Mittelstreifen in der Karl-Marx-Allee. „Sie müssen sich das mal angucken, was für einen Stau das hier immer gibt.“ Zum anderen sprach er die Parkplätze an, die weggefallen wären. „Hier wohnen viele ältere Menschen, die ein Auto haben.“

„Unverständlich, wie die letzte Wahl abgelaufen ist“

Gleich danach treffe ich einen weiteren Rentner (77), der selbst lange Zeit in der Gesundheitsverwaltung beim Berliner Senat tätig war. Er hat CDU gewählt. Und warum?, will ich wissen. „Weil mir die Politik der anderen nicht gefällt, also besonders die der Grünen.“

„Das Debakel mit der Friedrichstraße ist nicht nachvollziehbar, obwohl das Grundanliegen richtig ist.“ Aber so wie es in Berlin umgesetzt werde, ginge es nicht. „Nach 22 Jahren SPD muss auch mal ein Wechsel erfolgen. Das ist eine alte Weisheit.“ Er habe auch früher hauptsächlich CDU gewählt.

Die Entscheidung vom Berliner Verfassungsgerichtshof, dass die Wahl wiederholt werden muss, findet er richtig. „Für mich ist es völlig unverständlich, wie die letzte Wahl abgelaufen ist.“ Er sei jahrelang im Wahlvorstand gewesen und früher hätte es immer wie am Schnürchen geklappt. „Also, ich kenne das Spiel hier.“

Wie schlampig das beim letzten Mal vorbereitet und durchgeführt worden ist, sei für ihn völlig unverständlich. Für ihn kam die Entscheidung vom Verfassungsgerichtshof „viel zu spät“. „Man hätte sofort eine Nachwahl machen sollen. Den Zustand von damals kriegt man ja gar nicht wieder hin.“

Mit der Entscheidung der Karlsruher Richter, die Wahlwiederholung unter Vorbehalt stattfinden zu lassen, kommt er gar nicht mehr mit. Das ist nicht nachvollziehbar. „Da will man dann hinterher sagen, die Wahl ist doch ungültig, oder wie?“

„Die Berliner Verwaltung ist eine Katastrophe“

Ein Ehepaar mit zwei Kindern verlässt nun das Wahllokal. Der aus Algerien stammende Mann (33), der seit 2009 in Deutschland lebt, erklärt, dass er SPD gewählt habe, weil die SPD sich für günstige Kitaplätze, Mieten und Fahrausweise einsetzt. Angesprochen auf die teure Wahlwiederholung findet er schade, dass sie auf Kosten der Bürger wiederholt werden müsse. Er hofft, dass man aus den Fehlern lerne.

Seine Frau wird sichtlich unruhig. Dann meldet sie sich zu Wort. Sie wollte erst nichts sagen, inzwischen „brennt es ihr unter den Fingernägeln“ jetzt auch was zu sagen, erklärt sie. „Die Berliner Verwaltung ist eine Katastrophe, vieles ist noch nicht digitalisiert. (…) Wir arbeiten immer noch mit Papierakten.“ Das wäre ein großer Unterschied zum Bund und auch zu anderen Bundesländern. Die 29-jährige Frau mit Kopftuch ist in Berlin geboren und arbeitet genau wie ihr Mann im öffentlichen Dienst. Sie ist für die Berliner Verwaltung tätig, ihr Mann für den Bund.

Sie ergänzt: „Auch der Personalmangel ist ein großes Thema.“ Aufgrund des Personalmangels nehme man jetzt mittlerweile jeden. Das seien Menschen, die nicht ausreichend hoch qualifiziert wären oder „ansatzweise“ gut Deutsch sprechen könnten.

„Dadurch kommen auch diese Fehler zustande.“ Die alten Mitarbeiter würden an der Organisation nichts ändern wollen. „Die sagen ja, das war schon immer so, das bleibt jetzt auch so und deswegen kommen auch diese ganzen Probleme zustande.“ Auch deshalb wundere sie sich nicht über die Wahlpanne im September 2021. Sie sehe jetzt auch weniger Menschen hier beim Wählen und vermutet, dass diese chaotischen Verhältnisse vom letzten Mal Einfluss auf die Stimmenvergabe bei der jetzigen Wahl hätte.

„Meine Wahl-Entscheidung hat sich im Vergleich zum letzten Mal geändert. Aber nicht, weil ich die SPD so super finde, sondern weil es einfach keine bessere Alternative gibt. Alle anderen Parteien wären für mich schlimmer gewesen. Und es gibt Punkte bei der SPD, denen ich überhaupt nicht zustimme. Aber mit meinem Migrationshintergrund fühle ich mich dort besser aufgehoben.“

„Mieten in Berlin sind ziemlich krass gestiegen“

Dann treffe ich eine 27-jährige Berlinerin. Sie arbeitet als Präsentationscoach und teilweise auch als Contentmaker auf Instagram. Sie hat die Linken-Partei gewählt, weil sie die Immobilienlobby abwählen möchte und will, dass die private Immobilienfirma „Deutsche Wohnen“ und andere enteignet werden.

Auf die Frage, warum sie das will, erklärt sie: „Weil die Mieten in Berlin ziemlich krass gestiegen sind und das eben auch daran liegt, dass es viele Firmen gibt, die sehr viele Wohnungen in Berlin eingekauft haben und dadurch machen können, was sie wollen.“ Wenn man Wohnungen zurückkaufen würde, könnte man ihrer Meinung nach faire Preise auf dem Markt gewährleisten.

Anreize für die privaten Immobilienfirmen, mehr bezahlbare Wohnungen zu bauen oder dass die Stadt selber mehr baut und damit die Mietpreise drückt, würde in ihren Augen nicht funktionieren. „Vielleicht in der Theorie super.“ In der Praxis sehe man jedoch, dass vor allem Luxuswohnungen gebaut würden für Menschen, die viel Geld hätten. „Weil es halt um Profit geht.“ Sie hat 2021 die Grünen und eine kleinere Partei gewählt.

„Klima-Liste mache ich nicht noch mal“

Ein paar Tage vor der dem Wahlsonntag sprachen wir mit Studenten darüber, ob sie überhaupt wählen möchten und wenn ja, wen sie dann wählen würden.

Maximilian Friedrich (21), ein Medizinstudent, möchte die Grünen wählen. „Ich habe da, wo ich herkomme (Hannover), immer grün gewählt. Ich finde auch gut, dass sie einerseits für die Cannabislegalisierung sind, aber dass sie auch gute Projekte anstoßen wollen – im Sozialen, in der Digitalisierung.“

Dennis Gräfe (22) erklärt, dass er 2021 die Klima-Liste gewählt habe. „Aber das bringt nichts. Das mache ich nicht noch mal.“ Entweder werde er grün wählen, um Giffey zu verhindern, was aber auch kein guter Ansatz ist. Oder er wählt Die Linke, um Rot-rot-grün zu ermöglichen. „Sicher bin ich mir jedoch noch nicht.“



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