Ein Dönerspieß im Präsidenten-Jet: Steinmeiers ungewöhnlicher Türkei-Besuch
Für die Reise mit dem Bundespräsidenten hat Arif Keles alles vorbereitet. „Der Dönerspieß ist bereits tiefgefroren“, sagt Keles, der in dritter Generation einen Grill-Imbiss am Berliner S-Bahnhof Yorckstraße betreibt. „Der Spieß reist im Präsidentenflugzeug mit.“
Es ist ein ungewöhnlicher Präsidentenbesuch: Steinmeiers offizielle Kontakte zur Staatsführung um den autokratischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sind auf ein Mindestmaß reduziert. Stattdessen will Steinmeier die engen Bande zwischen den Bevölkerungen beider Staaten würdigen, insbesondere die Lebensleistung jener Türken, die sich seit den 1960-er Jahren als Arbeitsmigranten nach Deutschland aufgemacht haben – so wie der Großvater von Arif Keles.
Erster Gesprächspartner: Istanbuls Bürgermeister
„Ich sehe es als große Wertschätzung, dass ich mit auf die Reise darf“, sagt Keles der Nachrichtenagentur AFP. Sein Opa habe jahrelang in einer Gussfabrik geschuftet, dann im Jahr 1986 einen eigenen Döner-Imbiss eröffnet – „und nun nimmt der Präsident mich als Enkel mit in die Heimat meiner Vorfahren“.
In Istanbul, der ersten Station seiner Reise, trifft Steinmeier am Montag Menschen mit Migrationsgeschichte und Vertreter der Zivilgesellschaft – aber keinen Repräsentanten der Erdogan-Regierung.
Sein erster Gesprächspartner in Istanbul ist Bürgermeister Ekrem Imamoglu – der populärste türkische Oppositionspolitiker, in dem manche schon den nächsten Präsidenten sehen. Am Dienstag besucht Steinmeier Erdbebenüberlebende in Gaziantep an der syrischen Grenze.
„Es ist ein Signal, dass diese Reise nicht in Ankara beginnt“, heißt es im Bundespräsidialamt. Den türkischen Präsidenten Erdogan, mit dem Steinmeier schon manchen Streit ausgefochten hat, trifft er erst zum Abschuss der Reise am Mittwoch in Ankara. Gut möglich, dass dann die Differenzen wieder offen zu Tage treten.
Steinmeier setzt dem eine Botschaft entgegen: Egal, wie groß die Differenzen mit Erdogan auch sind – die Deutschen und die Türken verbindet eine enge Freundschaft.
Döner als deutsches Nationalessen
Und kaum etwas verkörpert die Verwurzelung türkischer Kultur im deutschen Alltag so sehr wie der Döner. Deshalb hat der Bundespräsident den Kreuzberger Grillbuden-Wirt Arif Keles zur Mitreise eingeladen. „Der Döner ist ja inzwischen so eine Art deutsches Nationalessen geworden“: So drückt es ein Steinmeier-Berater aus und verweist auf einen geschätzten Jahresumsatz der deutschen Döner-Branche von sieben Milliarden Euro – eine migrantische Erfolgsgeschichte.
Steinmeier wolle mit der Reise kurz vor dem 75. Geburtstag der Bundesrepublik „das Zeichen setzen, dass die Lebensgeschichten und Lebensleistungen von mittlerweile vier Generationen türkischer Einwanderer Teil unserer Bundesrepublik sind“, heißt es aus dem Bundespräsidialamt. „Sie gehören sozusagen ins Herz Deutschlands.“
Dieses wertschätzende Bekenntnis erfasst freilich nicht die gesamte Komplexität des Verhältnisses zwischen Deutschland und der Türkei: Fast drei Millionen Türkei-stämmige Menschen leben inzwischen in Deutschland. Die Beziehungen auf Regierungsebene zwischen der Bundesrepublik und Erdogans Türkei aber sind seit Jahren nicht so gut.
Erdogans aktuelle Unterstützung für die radikalislamische Hamas im Gazastreifen ist für die Bundesregierung verstörend. Die deutsche Kritik an Defiziten bei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei ist ohnehin ein Dauerthema, Erdogan reagiert auf solche Kritik stets verärgert.
Der frühere Außenminister Steinmeier hat die Reizbarkeit des türkischen Präsidenten wiederholt selbst erlebt, er kennt Erdogan seit 20 Jahren. Dass Steinmeier sich nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten sieben Jahre Zeit ließ, eher er nun erstmals als Staatsoberhaupt die Türkei besucht, spricht für sich. (afp)
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion