Ein angeschlagener Kanzler spricht zu seiner Partei
Auf dem SPD-Bundesparteitag wird heute Bundeskanzler Olaf Scholz zu den rund 600 Delegierten sprechen. Mit Spannung wird erwartet, was der vor fast genau zwei Jahren vereidigte Regierungschef zur aktuellen Haushaltskrise, zum Konfliktthema Migration und zum Absturz der Ampel-Regierung von SPD, FDP und Grünen in den Umfragen sagt. An die Rede schließt sich eine Debatte an, in der sich auch Frust Bahn brechen könnte.
SPD schließt zum Auftakt des Parteitags die Reihen
Zum Auftakt ihres Parteitags hatte sich die SPD am Freitag allerdings zunächst ziemlich geschlossen präsentiert. Bei der Wahl der Parteispitze verzichteten die Delegierten darauf, das Führungstrio aus den Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie Generalsekretär Kevin Kühnert abzustrafen. Im Gegenteil: Esken und Kühnert verbesserten ihre Ergebnisse der letzten Wahl vor zwei Jahren deutlich. Klingbeil wurde für eine kämpferische Rede gefeiert.
Auch Scholz wurde mit langem Applaus empfangen – wenn auch ohne stehende Ovationen. Offene Kritik an seinem Regierungskurs gab es zunächst nicht. Mit Spannung wird nun erwartet, wie er am Samstag vor die Delegierten tritt. Nach der Klatsche des Bundesverfassungsgerichts wegen der Haushaltsführung der Bundesregierung ist der Kanzler angeschlagen.
Unzufriedenheit mit dem Kanzler so groß wie nie
In einer aktuellen YouGov-Umfrage attestieren ihm 74 Prozent, sehr schlechte oder eher schlechte Arbeit zu leisten. Nur 20 Prozent finden dagegen überwiegend gut, was er macht. Das ist der schlechteste Werte in der monatlich erhobenen Umfrage seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren.
Auch in dem am Donnerstag veröffentlichte ARD-„Deutschlandtrend“ hatte sich nur noch jeder Fünfte mit der Arbeit des Regierungschefs zufrieden gezeigt. Nach Angaben des Senders war das der schlechteste Wert für einen Bundeskanzler oder eine -kanzlerin seit Beginn der Erhebung im Jahr 1997.
Haushaltsverhandlungen dürften außen vor bleiben
Auf die noch laufenden Verhandlungen zur Schließung des 17-Milliarden-Lochs im Bundeshaushalt 2024 wird Scholz in seiner Rede kaum eingehen können. Sie sollen am Sonntag mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fortgesetzt werden. Die SPD-Spitze dringt auf erneutes Aussetzen der Schuldenbremse, wehrt sich gegen Sozialkürzungen und sympathisiert mit Steuererhöhungen, die aber für die FDP nicht in Frage kommen. Eine klare Positionierung des Kanzlers zu diesen Forderungen mitten in den Verhandlungen ist unwahrscheinlich.
Migrationspolitik zweites schwieriges Thema für Scholz
Zweites schwieriges Thema für Scholz: die Migrationspolitik. In den vergangenen Wochen hatte der Regierungskurs für einigen Unmut am linken Flügel der SPD gesorgt. Er entzündete sich vor allem an einem Satz des Kanzlers in einem „Spiegel“-Interview: „Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.“ Die Führung der Jusos hatte das als Forderung „direkt aus dem Vokabular des rechten Mobs“ kritisiert.
Neuer Juso-Chef will Scholz antworten
Der inzwischen zum Vorsitzenden des Jugendverbands gewählte Philipp Türmer schrieb dazu: „Ich könnte kotzen bei diesem Zitat.“ Türmer wird auf die Scholz-Rede antworten. Auf dem Juso-Bundeskongress hatte er den Kanzler Mitte November scharf kritisiert. „Falls Dich in deiner Burg, in Deinem Berliner Kanzleramt noch irgendetwas erreicht, falls Du Dich noch daran erinnerst, für welche Partei Du angetreten bist, ändere Deinen Kurs“, forderte er. (dpa)
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