Ehrgeizig und überfordert? – Kanzlerkandidatin Baerbock auf dem Prüfstand
Es sind noch 75 Tage bis zur Bundestagswahl 2021 und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gerät immer mehr unter Druck. Die Grünen schimpfen über die angebliche „Dreckskampagne“ (Trittin), den „Propagandakrieg“ (Bütikofer) oder verniedlichen die Enthüllungen als „aufgebauschte Bagatellen“ (Kellner) gegenüber der angehenden Kanzlerin. Für Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) ist das jedoch „ganz normaler Wahlkampf“, wie er es der „Bild“ gegenüber ausdrückte.
Es sind keine Verbrechen, die der grünen Kandidatin für Deutschlands höchstes Regierungsamt vorgeworfen werden, aber die angehäuften Patzer ziehen sich wie ein roter Faden durch die Darstellung des politischen Weges der grünen Kanzlerkandidatin: Vielfach aufgepeppter Lebenslauf, vergessene Nebeneinkünfte, thematische Fragen um ihre nicht abgeschlossene Doktorarbeit, zahlreiche Plagiatsvorwürfe in ihrem Kurs-Buch für Deutschland.
Stipendium unrechtmäßig?
Zuletzt gab es Diskussionen um ihr 40.000-Euro-Stipendium (4/2009 – 12/2012) für die nicht abgeschlossene Doktorarbeit an der FU-Berlin durch die hauptsächlich mit Steuergeldern finanzierte parteinahe Heinrich-Böll-Stiftung.
Es stellt sich die Frage, ob Annalena Baerbock angesichts ihrer vielfältigen politischen Betätigungen überhaupt genug Zeit für ihre Doktorarbeit hatte. Aufgrund der Medienberichte sah sich die Co-Parteivorsitzende der Grünen nun dazu veranlasst, die Stiftung mit einer erneuten Betrachtung ihres Stipendiums zu beauftragen, wie die „Tagesschau“ berichtet.
Die „Bild“ fand heraus, dass das Stipendium für die aufstrebende Grünen-Politikerin sehr wahrscheinlich den Förderrichtlinien des Forschungsministeriums widerspricht, denen die Stiftung wiederum unterliegt. Dort heißt es, dass Personen kein Stipendium bekommen können, die einer „Erwerbstätigkeit von mehr als einem Achtel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit“ nachgehen oder „einer anderen Tätigkeit, die die Arbeitskraft des Geförderten überwiegend in Anspruch nimmt“.
Tatsache ist, dass Annalena Baerbock zum Förderzeitpunkt nicht nur Landesvorsitzende der Grünen in Brandenburg war (2009 – 2013), sondern auch ehrenamtliches Vorstandsmitglied der Europäischen Grünen Partei (2009 – 2012) und von 2008 bis 2013 ehrenamtliche Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Europa (BAG). Danach kam das Bundestagsmandat (ab 2013). Allein der Job als Landesvorsitzende soll laut Finanzberichten der Grünen „weit mehr als 50 Prozent der Arbeitszeit in Anspruch“ nehmen, berichtet die „Welt“.
Nach Darstellung der Grünen sieht das alles ganz anders aus: „Frau Baerbocks Hauptfokus lag in diesen Jahren auf der Arbeit an ihrem Promotionsvorhaben, das parteipolitische, im Kern ehrenamtliche Engagement fand insbesondere in den Abendstunden und an Wochenenden statt“, sagte Parteisprecherin Nicola Kabel der „Bild“. Sie sei selbstverständlich ihren Pflichten als Stipendiatin nachgekommen – „auch nach Auskunft der Heinrich-Böll-Stiftung“.
Viel Ehrgeiz, viel Überforderung?
Hatte dann Annalena Baerbock vielleicht schon 2009 zu wenig Zeit für ihre Aufgabe als Landesvorsitzende in Brandenburg? Wie die „Welt“ berichtet, lag Frau Baerbock damals im Bundestagswahlkampf in der Grünen-Landesliste auf dem wenig Erfolg versprechenden dritten Platz, weshalb sie es zusätzlich wohl mit einem Direktmandat in ihrem Wahlkreis Frankfurt/Oder im Grenzgebiet zu Polen versuchte. Wohnen wollte sie da aber wohl eher nicht, sondern lieber in Berlin, dem Bericht nach im Bezirk „Mitte, am hippen Rosenthaler Platz“ (bis 2013).
Im Februar 2011 trug es sich nun unter Frau Baerbocks Vorsitz zu, dass die Polizei bei den Brandenburger Grünen vorbeikam und nach deren verschwundenen Schatzmeister suchte. Dieser hatte zuvor 40.000 Euro vom Parteikonto in bar abgehoben. Wenig später wurde der Mann festgenommen. Im Nachgang wurde bekannt, dass er sich wohl über Jahre hinweg bedient hatte. Das Geld hatte er für Prostituierte ausgegeben und auch online selbst bulgarischen Frauen für Sexdienste angeboten.
Auch Annalena Baerbock musste vor Gericht aussagen. Der Mann habe „Graubereiche genutzt“ und Parteiarbeit basiere „in gewissem Maße auf Vertrauen“, so die Entschuldigungen der Landesvorsitzenden. Der Schatzmeister bekam dreieinhalb Jahre Haft. Er habe mit „erheblicher krimineller Energie gefälscht und manipuliert“, wurde ihm unter anderem bescheinigt. In der Urteilsbegründung wurde als strafmildernd angegeben, ihm seien „die Taten durch die insoweit nicht ausreichenden Kontrollmechanismen seitens der Partei Bündnis 90/Die Grünen sehr leicht gemacht“ worden.
Bei all diesen Zusammenhängen stellt sich die Frage, ob Annalena Baerbock sich zu diesem Zeitpunkt womöglich in ihren Fähigkeiten überschätzt hatte und angesichts ihrer Doktorarbeit, ihres Landesvorsitzes und ihrer weiteren ehrenamtlichen Tätigkeiten keinen der Teilaspekte in der für einen Erfolg nötigen Sorgsamkeit und Hingabe erledigen konnte.
Geldregen erst nach dem Stipendium?
Außerdem wurde von den Grünen bezüglich der parteinahen Stiftung darauf hingewiesen, „dass das Stipendium der Heinrich-Böll-Stiftung neben dem Promotionsvorhaben ausdrücklich intensives gesellschaftspolitisches Engagement erwartet, dies gehört zu den zentralen Auswahlkriterien“.
Warum die Tochter einer Sozialpädagogin und eines Maschinenbauingenieurs, die zuvor bereits in Hamburg (2000 – 2004) und London (2004/2005) studiert hatte, für ihre Berliner Doktorarbeit ein mehrfach verlängertes „Lebenshaltungsstipendium für Promovierende“ in Höhe von monatlich 1.050 Euro benötigte, bleibt Baerbocks persönliches Geheimnis.
Zwischen Studium und Promotion arbeitete Baerbock von 2005 bis 2008 als „Büroleiterin der Europaabgeordneten Elisabeth Schroedter“ (Grüne) – laut Plagiatsjäger Dr. Stefan Weber tatsächlich erst ab Ende 2006 als Büroleiterin – und in den Vor-Stiftungsjahren 2008/2009 als „Referentin für Außen und Sicherheitspolitik der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN“, steht in ihrem inzwischen mehrfach korrigierten Lebenslauf.
Nach offiziellen Angaben der Grünen habe Baerbock für die beiden ehrenamtlichen Spitzentätigkeiten (2009 – 2012/2013) kein Gehalt bekommen, auch nicht für die Jahre 2009/2010 als (ehrenamtliche) Landesvorsitzende in Brandenburg. 2011 sei daraus eine geringfügige Beschäftigung geworden mit einer Aufwandsentschädigung von 226,76 Euro pro Monat. Für 2012 habe es dann 400 Euro monatlich gegeben, so die Angaben von Parteisprecherin Kabel. Auch hier scheint es einen Konflikt mit den Förderrichtlinien des Bundesforschungsministeriums zu geben, wonach die Stipendiaten kein anderes Einkommen erzielen dürfen, erinnert die „Welt“.
In Rheinland-Pfalz sollen die Landesvorstände im Jahr 2012 jedoch schon einiges mehr als 400 Euro verdient haben, wie ein „Tagesspiegel“-Bericht vom März 2013 darlegt. Demnach sagte die Co-Vorsitzende der Grünen in Rheinland-Pfalz, Monika Düker, dem Blatt: „Wir gehen als Partei mit unserer Transparenzoffensive mit gutem Beispiel voran – auch um ein Signal in der Debatte über das Offenlegen der Nebeneinkünfte von Abgeordneten zu setzen.“
Dem Zeitungsbericht nach erhalten die Mitglieder des geschäftsführenden Landesvorstandes ein monatliches Bruttogehalt von 4.241,16 Euro, plus Urlaubs- und Weihnachtsgeld, plus Kinder- und Betriebszugehörigkeitszuschläge. Der andere Co-Vorsitzende der RLP-Grünen, Sven Lehmann, kam demnach auf ein Jahresbruttogehalt von 57.657 Euro – im Jahr 2012 (!) – so der „Tagesspiegel“. Dabei war Lehmann noch nicht einmal Abgeordneter.
Ab 2013 erhielt Annalena Baerbock nach Grünen-Angaben – das Stipendium war beendet – laut „FAZ“ ein reguläres Gehalt als Landesvorsitzende in Brandenburg. Die Höhe nannte das Blatt nicht. Nach der Bundestagswahl am 22. September 2013 war Frau Baerbock dann zusätzlich auch noch Mitglied des Deutschen Bundestags, mit allen dazugehörigen finanziellen Mitteln von damals wohl rund 8.000 Euro.
„Welt“-Herausgeber Stefan Aust antwortete kürzlich auf die Frage, ob er die Debatte um die Kanzlerkandidatin der Grünen für übertrieben halte, dass sich vor allem zeige, dass Frau Baerbock es offenbar nötig habe, „selbst kleine Engagements oder Mitgliedschaften für so wichtig zu erachten, dass diese in einem Lebenslauf erwähnt werden müssen“, wie auch bei anderen Politikern, die keinen vorzeigbaren beruflichen Werdegang hätten. Wer jedoch ins Bundeskanzleramt wolle, sollte wenigstens einmal an anderer Stelle gezeigt haben, dass das nötige Potenzial dafür vorhanden sei, meint Aust. „Ansonsten finde ich diese Form von Selbstüberschätzung geradezu gefährlich.“
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