Duisburger Katerstimmung nach chinesischem Rausch – auch Italien will nicht mehr

Ein grundlegendes Umdenken im Umgang mit dem kommunistischen China hat begonnen. In Europa, in Italien, auch in Duisburg, das große Pläne hatte.
Titelbild
Container am Terminal im Duisburger Hafen am 16. Juli 2018. Rund 25 Züge pro Woche nutzen die „Seidenstraßen“-Verbindung Duisburg-China. Foto von Maja Hitij/Getty Images
Von 1. Juni 2023

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Die Stadt Duisburg und China hatten große Pläne. Duisburg wollte mit dem wegen Sicherheitsfragen umstrittenen chinesischen Tech-Giganten Huawei Geschäfte machen, um seine Verwaltung, Schulen und Verkehrssysteme zu modernisieren. Auch sollte ein chinesisches Wirtschaftszentrum gebaut werden. Doch die Pläne liegen nun auf Eis. Niemand spricht mehr von der „China-Stadt“ Duisburg, wie es lokale Beamte vor einiger Zeit noch getan hatten.

Grund dafür ist ein Umdenken in ganz Europa, wie die Beziehungen zum kommunistischen China zu handhaben sind. Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine hat auf schmerzliche Weise gezeigt, wie schnell zu große Abhängigkeiten der europäischen Wirtschaft im Fall der Fälle schaden können. Auch in Deutschland hat ein solches Umdenken begonnen. Der große Traum vom chinesischen Markt ist ausgeträumt – oder wie es der französische Analyst Philippe Le Corre vom Asia Society Policy Institute nach Angaben der US-Zeitung „The Washington Post“ sagte: „Wir sind nicht länger dieser naive Kontinent, der denkt: ‚Wow, was für ein wunderbarer chinesischer Markt, sehen Sie sich diese Möglichkeiten an!‘“

Duisburger Erwachen

Das Erwachen ist umso schmerzlicher, auch in Duisburg. Markus Teuber ist seit 2021 Duisburgs China-Beauftragter und sollte chinesische Unternehmen für die Stadt gewinnen. Doch nun ist alles anders. „Die öffentliche Meinung hat sich geändert, die politische Meinung hat sich geändert“, erklärte Teuber laut dem US-Blatt, das auch auf die autoritäre Wende Pekings unter dem derzeitigen Staats- und Parteichef Xi Jinping verweist. Kriegslust gegenüber dem selbstverwalteten Taiwan wird in den Ring geworfen – und Chinas Versäumnis, die russische Invasion in der Ukraine zu verurteilen.

Für die Chinesen war Duisburg mit seinem größten Binnenhafen der Welt von großer Bedeutung, ein Knotenpunkt für den Handel mit Europa und die globale chinesische Initiative Belt and Road (Projekt Neue Seidenstraße). Doch auch für das von hoher Arbeitslosigkeit geplagte Duisburg – Platz 3 in Deutschland – wären die chinesischen Investitionen und Vorhaben von großer Bedeutung gewesen. Trotz aller Sicherheitsbedenken gegen Huawei wollte Duisburg mit den Unternehmen zusammen ein „Smart City-Nervensystem“ aufbauen, inklusive der Infrastruktur der Regierungsdienstportale. Noch im Oktober 2021 titelte die „Bild“ mit den Plänen Duisburgs unter: „Kooperation mit der Datenkrake.“

Vorbei. Angaben der „Washington Post“ zufolge hätten Duisburger Beamte im vergangenen Jahr bereits erklärt, dass die Huawei-Partnerschaft nicht verlängert worden sei und auch das Memorandum dazu von der Stadtwebsite gelöscht wurde. Die chinesischen Wirtschaftsdelegationen verringerten sich von wöchentlich auf ein Minimum, heißt es. Bereits im Oktober verkaufte der chinesische Reederei-Gigant Cosco still und leise seinen 30-Prozent-Anteil am Duisburg Gateway Terminal. Der Schritt ging von Duisburg aus, wie Markus Bangen, Vorstandsvorsitzender des Duisburger Hafens, erklärt habe.

Über Einzelheiten konnte Bangen aufgrund der Vertragsbedingungen nicht reden. Er habe jedoch angedeutet, dass Cosco zum Verlassen aufgefordert worden sei. „In unseren Verträgen gibt es Regeln, und Sie müssen diese Regeln befolgen“, sagte er. „Wenn man das nicht macht, ist es wie im Fußball, es gibt eine Gelbe Karte. Mal die zweite Gelbe Karte, dann aber die Rote Karte: Da fliegt man raus.“ Cosco war zuletzt wegen des umstrittenen Hafendeals in Hamburg in den Schlagzeilen.

Anfang dieses Jahres, so erzählte ein Beamter dem US-Blatt unter vorgehaltener Hand, habe es einen Versuch „angeblicher chinesischer Diplomaten“ gegeben, mit örtlichen Sicherheitsbeamten in Kontakt zu treten. Die Sache sei als besorgniserregend eingestuft worden, heißt es. „Da Befürchtungen von Spionageversuchen bestanden, kam es letztlich zu keinem Treffen“, so der Beamte.

Aus Fehlern lernt man, so auch in Duisburg. „Die Stadt Duisburg hatte in den vergangenen Jahren nicht so viele gute Nachrichten, dass sie den Fehler gemacht hat, das Positive zu sehr zu betonen“, sagte Johannes Pflug, Leiter des China Business Network Duisburg und ehemaliger China-Beauftragter der Stadt. „Für den Duisburger Hafen kann ich bestätigen, ja, wir haben einen Fehler gemacht.“ Jetzt sei die Stadt klarer geworden.

Italien will nicht mehr

Noch während des Wahlkampfs in Italien im September 2022 betonte die spätere Wahlsiegerin und jetzige Ministerpräsidentin, Giorgia Meloni, dass der Beitritt Italiens 2019 als einziges G7-Land zur chinesischen Belt and Road Initiative (Neue Seidenstraße) „ein großer Fehler“ gewesen sei. Italien hatte es ohne Rücksprache mit den G7-Partnern getan. China feierte den Erfolg, über die Hintertür Zutritt zum EU-Raum bekommen zu haben.

Wenige Monate zuvor hatte noch der damalige deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gewarnt, dass die Neue Seidenstraße keine „nostalgische Handelsreminiszenz an Marco Polo, sondern eine geostrategische Jahrhundertidee [sei], mit der China seine Ordnungsvorstellungen und Machtprojektion durchzusetzen entschlossen ist. Handelspolitisch, geopolitisch und letztlich auch militärisch.“ China sei das einzige Land der Welt, das eine langfristige geopolitische Konzeption verfolge, so Gabriel.

Nun will Italien diese Entscheidung aus der Vor-Corona-Zeit offenbar wieder rückgängig machen. Nach Angaben von „Politico“ erklärte eine Person aus den Regierungskreisen anonym, dass die Ministerpräsidentin erwäge, bis zum Jahresende aus dem Pakt mit dem Pekinger Regime auszutreten. Es sei zwar noch keine endgültige Entscheidung gefallen, die Frage drehe sich aber eher um das Wie als um das Ob. Die US-Zeitung zitiert die Direktorin einer in Rom ansässigen Denkfabrik: „Die Beziehung zu den USA ist wirklich das, worauf sie [Meloni] gesetzt hat, um ihre internationalen Referenzen zu etablieren“, sagte Nathalie Tocci vom Istituto Affari Internazionali.

Mit Belt and Road zur globalen Macht

Chinas Partei- und Staatsführer, Xi Jinping, hatte 2013 die Initiative mit zwei Hauptkomponenten ins Leben gerufen: dem Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtel (Road) mit seinen Landkorridoren von China nach Zentralasien, Europa und den Nahen Osten und der maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts (Belt) für den Seehandel zwischen China, Südostasien, dem Indischen Ozean, dem Mittleren Osten und Afrika.

Der US-chinesische Ökonom David Huang erklärte gegenüber der chinesischsprachigen Epoch Times, dass die Kommunistische Partei Chinas (KPC), wenn sie tief in ein Land vordringen wolle, einige „Brückenköpfe“ haben müsse, auf die sie sich verlassen könne. „One Belt, One Road“ (dt.: Ein Gürtel, eine Straße), die „Neue Seidenstraße“, das seien Investitionsabkommen mit geheim gehaltenen Bedingungen. „Viele Länder können das Geld am Ende nicht zurückzahlen und sie werden einige Ressourcen wie Häfen, öffentliche Einrichtungen oder Minen verwenden, um die Schulden zu begleichen.“ Peking bekomme am Ende, was es wolle, „das, was wir einen militärisch-politischen Brückenkopf nennen“.

Die „One Belt, One Road“-Verträge seien alle gut durchdacht. Es wäre zu simpel und grob, sie einfach nur als Schuldenfalle zu bezeichnen. Westliche Länder würden nur auf die wirtschaftliche Perspektive schauen, anstatt die Absichten der Beteiligungen der KPC aus ihren Merkmalen und ihrer Politik und Verwaltung heraus zu verstehen.

Faule Kredite auf dem Vormarsch

Doch es gibt Probleme, die Peking zu schaffen machen. Wie das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) im April aus den Forschungsergebnissen zur Studie „China as an International Lender of Last Resort“ berichtete, lag der Anteil fauler chinesischer Auslandskredite 2010 noch bei fünf Prozent. Die Daten für das vergangene Jahr 2022 belegen jedoch einen Anteil fauler Kredite von mittlerweile 60 Prozent. Zahlungsausfall droht. Immer neue Rettungskredite wurden an 22 Schuldnerländer vergeben, insgesamt 240 Milliarden US-Dollar.

Der Studie zufolge sollen 80 Prozent der chinesischen Auslandskredite (mehr als 500 Milliarden US-Dollar) an Länder mit mittlerem Einkommen vergeben sein. „Chinas Führung hat daher große Anreize, einen Zahlungsausfall dieser Länder auf jeden Fall zu verhindern“, schreibt das IfW. Daher vergebe das Regime im Fall von Zahlungsschwierigkeiten hier vorrangig neue Kredite zur Tilgung der alten. Allerdings treibe die schwache Bonität und die geringen Devisenreserven dieser Länder auch für die neuen Kredite das Ausfallrisiko in die Höhe. Für die übrigen 20 Prozent – die schwächeren Länder – gebe es selten Refinanzierungen. Nach Angaben des IfW stehe hier bei Zahlungsschwierigkeiten nur eine Umschuldung durch Streckung der Fälligkeiten zur Verfügung oder aber die Option eines Staatsbankrotts.



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