Drei Jahre Corona: Krisen, Pleiten, Einsamkeit
Nach Angaben des Handelsverbands Deutschland (HDE) wird es zum Jahresende 2022 rund 41.000 Geschäfte weniger geben als noch vor der Corona-Krise. Bis einschließlich 2019 hätten jährlich nur etwa 5.000 Läden ihre Türen für immer schließen müssen. Filialketten hätten zum Teil 30 Prozent ihrer Standorte bereits geschlossen, berichtet der Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE), Alexander von Preen.
Die noch immer existierenden 312.000 Einzelhandelsgeschäfte in Deutschland hätten nun besonders mit den hohen Energiepreisen zu kämpfen, stellte von Preen fest. Diese Kosten machten im Handel normalerweise zwischen 1,5 und 2,0 Prozent vom Umsatz aus, während die Umsatzrendite bei 1,5 Prozent bis 3,0 Prozent liege. Schon jetzt seien die Geschäfte „teils existenziell“ belastet: „Wenn sich die Energiepreise verdoppeln oder sogar verzehnfachen, dann schrumpft der Gewinn vielerorts auf null“, gab von Preen laut AFP zu bedenken. Den Ausweg sähen manche Händler in einem Rückgriff auf die Eigenkapitalreserven. Diese seien allerdings bereits durch die Corona-Lockdowns „stark angegriffen“ so der HDE-Präsident. Außerordentlich schwer betroffen sei der Lebensmittelhandel mit seinen großen Kühltheken.
Unternehmensinsolvenzen noch „überschaubar“
Im Kalenderjahr 2022 werden nach Berechnungen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform rund 14.700 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland zu verzeichnen sein, berichtet die Wirtschaftswoche. Das bedeute einen „überschaubaren“ Anstieg von etwa vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Großunternehmen, die einen Umsatz von mehr als zehn Millionen Euro jährlich verbuchten, seien mit einem Mehr an Insolvenzen von 28 Prozent besonders stark betroffen, so eine Auswertung des Restrukturierungsberatungsunternehmens Falkensteg. Trotzdem liege die Zahl der Insolvenzen noch „auf einem sehr niedrigen Niveau“: Im Jahr 2012 habe man es noch mit 28.720 Unternehmensinsolvenzen zu tun gehabt.
Patrik-Ludwig Hantzsch, der Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung, rechnet damit, dass es sich aktuell nur um den „Auftakt für eine weitere Beschleunigung des Insolvenzgeschehens“ handelt. Auch Thomas Langen vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geht für das Jahr 2023 von einer Steigerung von 15 bis 20 Prozent aus. Das bedeute allerdings „kein Horror-Szenario“, sondern sei ein „natürlicher und notwendiger Bestandteil einer funktionierenden Wirtschaft“.
Kreditkosten, Konsumflaute, Inflation und Geopolitik
Die Gründe für die Firmenpleiten sind nach Ansicht von Creditreform und Falkensteg vor allem in den zinsbedingten höheren Kosten für Kredite, in der Konsumzurückhaltung der Verbraucher, in der hohen Inflation und in geopolitischen Risiken zu finden.
Eine Kombination dieser Belastungsfaktoren bedeute ein hohes Krisenpotenzial, meint der Risiko- und BWL-Experte Werner Gleißner vom Beratungsunternehmen FutureValue. Nicht alle Unternehmen seien darauf ausreichend vorbereitet: Viele blendeten aus, „dass verschiedene Risiken zusammen auftreten können und sich einzelne negative Effekte dadurch verstärken und zu einer existenziellen Bedrohung werden können.“
Hohe Kreditzinsen und weniger Einnahmen wegen mangelnder Konsumlaune – das bedeute „ein hohes Potenzial für Zahlungsausfälle“, sagt Creditreform-Wirtschaftsexperte Hantzsch. Seine internen Zahlen belegten, dass ein knappes Fünftel der Unternehmen schon in den Jahren 2019 bis 2021 „keine ausreichende Schuldentragfähigkeit“ besessen habe – wohl auch wegen der Ertragseinbußen infolge der Corona-Krise.
Von den steigenden Öl- und Gaskosten sind nach Ansicht von Creditreform die energieintensiven Industriebranchen wie Stahl oder Chemie „besonders hart und direkt“ betroffen. Deren Probleme könnten sich vergrößern, wenn günstige Altverträge zum Jahresende 2022 ausliefen und neue Tarife aufgerufen würden.
Falkensteg-Partner Michael Ferber sieht das auch für weitere energieintensive Branchen ähnlich: „Bei Autozulieferern, Maschinenbauern und im stationären Einzelhandel stehen wir vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen“. Er rechne deshalb mit „überproportional mehr Insolvenzen“.
Auch in der Exportindustrie könnte es nach Einschätzung von Ferber aufgrund bestimmter internationaler Umstände zu mehr Problemen kommen – zum Beispiel wegen des Kriegs in der Ukraine, wegen des angespannten Verhältnisses zu China oder wegen des Streits um US-Subventionen.
Einsamkeit in Ü85-Gruppe stark gestiegen
Gesellschaftlich treten die Folgen der Ereignisse der vergangen drei Jahre in Deutschland offenbar ebenfalls immer mehr zutage: Nach aktuellen Daten des Bundesfamilienministeriums nahm die Einsamkeit hochbetagter Menschen deutlich zu. Das berichtet u. a. das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Im ersten Coronona-Krisenjahr 2020 sei „der Anteil der Menschen ohne ausreichende Sozialbeziehungen in allen Altersgruppen gestiegen“. Besonders stark seien die Gruppen Ü60 betroffen gewesen. So hätten sich 13,1 Prozent der Menschen im Alter zwischen 60 und 69 im Corona-Sommer 2020 einsam gefühlt. Das bedeute ein Plus von rund vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Nach dem Sommer 2020 sei das Einsamkeitsgefühl aber wieder generell zurückgegangen – mit Ausnahme der Gruppe der Menschen über 85 Jahren. Bei ihnen habe die Einsamkeitsquote im Sommer 2020 bei 7,8 Prozent gelegen und sei Anfang 2021 auf 12,4 Prozent angewachsen. 2014 habe der Wert in dieser Gruppe noch bei 3,5 Prozent gelegen.
Familienministerium richtet „Kompetenznetz Einsamkeit“ ein
Da Einsamkeit „als Risikofaktor an der Entwicklung von Erkrankungen wie Depressionen, Demenzerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Substanzmissbrauch beteiligt und andererseits Folge von Erkrankungen wie Depressionen und Demenzerkrankungen sein“ könne, wolle das Familienministerium gegensteuern. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) habe dafür ein „Kompetenznetz Einsamkeit“ mit 20 neuen Personalstellen einrichten lassen, das in Abstimmung mit dem Ministerium eine „Strategie gegen Einsamkeit“ erarbeiten solle.
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