Don Alphonso: Schande, dass Enteignungs-Befürworter nicht geächtet werden

„Welt“-Kolumnist Don Alphonso fühlt sich durch die Debatte über Enteignungen von Wohnungen in Berlin an das Versagen der Wohlfahrtsausschüsse zur Zeit der Französischen Revolution erinnert. In den 2000ern hätten die günstigen Immobilien ausreichend Gelegenheit geboten, Eigentum zu erwerben.
Titelbild
Apartments in Berlin.Foto: istock
Von 14. März 2019

In einem Kommentar, den „Welt“-Kolumnist Don Alphonso aus der Wallace-Gemäldesammlung in London verfasste, zog dieser Parallelen zwischen der Zeit der Französischen Revolution und dem heutigen Berlin. Der Gedanke liege nicht zuletzt deshalb nahe, da es dem britischen Staatsmann und General Henry Seymour Conway zu verdanken sei, dass diese Galerie heute einen so reichhaltigen Bestand an französischen Gemälden aufweise.

Wer nicht mal einen Flughafen bauen kann, saniert auch keinen Wohnungsmarkt

Während in Paris der ideologisierte Irrsinn tobte und die Massen dadurch bei Laune gehalten wurden, dass man die enteigneten Besitztümer des Adels und der Kirche verscherbelte, deckten sich britische Sammler mit diesen ein – und retteten damit viele erst für die Nachwelt.

Wie auch bei späteren progressiven Gesellschaftsexperimenten ging der Führung auch damals schon früh das Geld anderer Leute aus. Neben dem sofortigen Verkauf gab der Wohlfahrtsausschuss bereits damals Anteilsscheine an den enteigneten Gütern aus, sogenannte Assignate – „wenn man so will, eine Art Staatsanleihe auf Beschlagnahmung, die auch handelbar und in echtes Geld umtauschbar war“.

Da auch zuvor der französische Hof bereits künftige Steuereinnahmen verpfändet hatte, regte sich dagegen kein nennenswerter Widerstand im Volk. Don Alphonso will darin eine Parallele zur Akzeptanz der Enteignung privater Wohnungsunternehmen im heutigen Berlin erkennen, wie sie Politiker mehrerer linker Parteien fordern:

„Und wenn heute in Berlin ein Neostalinist sagt, er wollte Wohnungskonzerne mit minimaler Entschädigung enteignen und die Wohnung danach im Staatsbetrieb billig vermieten, gibt es auch wieder genug Leute, die so etwas für machbar halten: Selbst wenn das Neue Regime, das das tun soll, zwei Parteien des Alten Regimes enthält, die diese Wohnungen mitsamt Milliardenschulden verkauft haben. Es ist übrigens ein Neu-Altes Regime, das weder wie versprochen 30 000 Wohnungen bauen wird noch das Milliardengrab eines Flughafens fertigstellen kann. Wie schon oben gesagt, Aufklärung ist eine gute Idee, nur ist sie halt nicht massentauglich.“

Unersättlicher Staat

Das System der Assignate hätte auch funktionieren können, ist Don Alphonso überzeugt. Allerdings nur dann, wenn der Staat sie sparsam ausgegeben hätte. Dies sei aber nicht geschehen, er habe sie ausgegeben wie Notenbanken Papiergeld. Die Folgen waren klassisch:

Die Assignate unterlagen einer horrenden Inflation. Das Leben der Revolutionäre wurde nicht besser, sondern teurer: Wer etwas besaß, begann es zu horten, um es nicht gegen wertlose Staatspapiere hergeben zu müssen.“

Während die Revolutionäre den ersten modernen Völkermord in der Vendée verübten, mussten sie die Inflation im Land in den Griff bekommen – und versuchten, dieser mit einer „Mietpreisbremse“ für wichtige Güter gegenzusteuern.

„Der Jakobiner Saint-Just erarbeitete die sogenannten Ventôse-Dekrete, mit denen das Vermögen zwischen den Menschen besser verteilt werden sollte – unter anderem dadurch, dass sich der Staat den Besitz von jenen aneignete, die er als feindlich erachtete. Die alten, wertlos gewordenen Enteignungen reichten schlichtweg nicht aus, also benötigte man neue Enteignungen.“

Robespierre-Berater Antoine Joseph Buissart, der selbst bereits im Königreich reich war und Einfluss hatte, riet seinem Schützling nun, nach der geistlichen und adeligen auch die kaufmännische Aristokratie umzubringen und ihr Vermögen zu rauben. Dieser war eifrig bemüht, sich an den Rat zu halten – am Ende reichte aber auch das nicht aus, um den Assignaten einen realen Wert unterlegen zu können.

Am Ende wurde Robespierre selbst gestürzt, weil sich auch unter den neuen Eliten die Ahnung ausbreitete, dass am Ende jeder selbst der nächste sein konnte, der unter der Guillotine landete, damit sein Vermögen zur Verteilung frei würde.

Chancen früherer Jahre verpasst

Die Politik müsste mehrfach versagt haben, um der Bevölkerung weismachen zu können, es bedürfe drastischer Maßnahmen wie Enteignungen, um die Probleme lösen zu können. Dann eskaliere die Situation schnell, ob damals in Frankreich oder heute bei der Mietendebatte in Berlin. Don Alphonso schreibt:

„Es trifft nur Adel und Kirche, logen die Revolutionäre und planten die Ermordung der Bürgerlichen. Wir wollen nur Konzerne mit mehr als 3000 Wohnungen enteignen, sagen die Initiatoren des Volksbegehrens in Berlin, das von der einen halben Staatspartei der letzten Diktatur auf deutschem Boden gefördert wird. Nur damit die Berliner Jusos der anderen halben Staatspartei jetzt fordern, die Grenze der Enteignung solle schon bei 20 Wohnungen liegen. Die Grünen überlegen wie feige Girondisten eventuell noch, was das für ihr eigenes, fettes Wählerklientel und dessen Investments in Immobilienfonds bedeuten würde.“

Es sei ihm unverständlich, schildert der „Welt“-Kommentator, dass Parteien, die nach den Schrecken des 20. Jahrhunderts wieder nach Enteignungen rufen, nicht geächtet würden. Dies gelte umso mehr, als Berliner, nicht zuletzt Journalisten, in der Zeit billigen Wohnraums zwischen 2001 und 2011 genug Zeit gehabt hätten, sich selbst Wohneigentum zu schaffen.

Für die derzeitige Misere auf dem Wohnungsmarkt sieht Don Alphonso nur wenige Lösungsansätze: Bauen, auch wenn es jetzt teuer wäre, und hoffen, dass die sinkenden Preise nicht zusätzliche Nachfrage schüfen, wäre einer. Ein anderer wäre, Anreize zu setzen, an Orte im Osten der Stadt oder außerhalb zu ziehen, die Leerstand zu beklagen hätten. Oder Zuwanderung zu beenden und Abwanderung zu forcieren.



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