DIVI: Angaben zu freien Intensivbetten nicht immer korrekt – Kritik an Drosten für Triage-Warnungen

Knapp 8.000 Intensivbetten sind in Deutschland derzeit noch als verfügbar erfasst. Experten zweifeln an der Zahl. Heute will sich Bundesgesundheitsminister Spahn zum weiteren Vorgehen in der Pandemie äußern.
Leere Intensivbetten in Berlin, im Mai 2020.
Leere Intensivbetten in Berlin, im Mai 2020.Foto: Clemens Bilal-Pool/Getty Images
Epoch Times3. November 2020

Die Angaben der Kliniken zur Zahl belegbarer Intensivbetten sind der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) zufolge nicht immer korrekt.

Hinweise und Stichproben zeigten, dass mitunter auch Betten als frei gemeldet würden, für die gar kein Pflegepersonal verfügbar sei, sagte DIVI-Präsident Uwe Janssens der Deutschen Presse-Agentur. Das Ausmaß der fehlerhaften Meldungen sei unklar.

Krankenhäuser sind seit dem Frühjahr verpflichtet, die Zahl belegbarer Intensivbetten täglich an die DIVI zu melden. Dabei zählt ausdrücklich die Zahl der Betten, für die ausreichend Intensivkräfte für die Betreuung und Behandlung zur Verfügung stehen.

DIVI-Präsident kritisiert Drosten für Triage-Warnungen

Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), hat die Warnungen des Virologen Christian Drosten vor einer Triage als mögliche Folge einer anhaltend starken Ausbreitung des Coronavirus kritisiert.

„Herr Drosten ist ein erstklassiger Virologe und einer der wichtigsten Experten, die wir derzeit bei der Pandemiebekämpfung haben“, sagte Janssens der „Rheinischen Post“. Seine Äußerungen zu einer möglicherweise drohenden Triage in Deutschland könne er jedoch nicht nachvollziehen und halte sie für unverantwortlich, so Janssens.

„Indem er auf diese Weise davor warnt, macht er den Menschen unnötige Angst.“ Man sei von solchen Zuständen trotz Personalknappheit weit entfernt. „Herr Drosten sollte sich aus der Diskussion um Kapazitätsengpässe auf Intensivstationen heraushalten“, so der DIVI-Präsident.

Drosten hatte am Freitag bei einer Veranstaltung das System der Triage erläutert, bei dem Ärzte bei einer Überlastung der Intensivstationen Patienten im Ernstfall für die Versorgung sortieren müssen. Drosten hatte die aktuellen Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern damit begründet, den Ernstfall der Triage verhindern zu wollen.

Spahn: Ziel ist, die Überlastung der Krankenhäuser abzuwenden

Janssens will sich am heutigen Dienstag (3. November) in Berlin mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und mehreren Experten zum weiteren Vorgehen in der Corona-Pandemie äußern. Erwartet werden auch Vertreter des bundeseigenen Robert Koch-Instituts (RKI) und von Corona-Testlaboren.

Spahn hatte zum Start des von Bund und Ländern beschlossenen Teil-Lockdowns am Montag bereits deutlich gemacht, dass es um eine „nationale Kraftanstrengung“ gehe. Ziel ist auch, eine Überlastung der Krankenhäuser abzuwenden.

Momentan liefen die Kliniken anders als bei der Infektionswelle im Frühjahr noch im Regelbetrieb, sagte Janssens. Manche Kliniken meldeten ihre Intensivbetten-Zahl aber offenbar so, als seien sie bereits aus dem Regelbetrieb genommen. Dann würden Eingriffe, die problemlos später vorgenommen werden können, verschoben – und es stehe mehr Intensivpersonal etwa aus der Anästhesie zur Verfügung. „Diesen Zustand haben wir aber momentan noch gar nicht.“

Die Grünen forderten ein rasches Gegensteuern gegen drohende Engpässe bei Pflegekräften. „Betten pflegen keine Menschen – erst recht nicht auf einer Intensivstation“, sagte Grünen-Fachpolitikerin Kordula Schulz-Asche der dpa.

Es sei allerhöchste Zeit, dafür zu sorgen, dass die Personalsituation in Intensivstationen nicht zum „Waterloo der Pandemiebekämpfung“ werde. Bemühungen vom Frühjahr für den Aufbau einer Notfallreserve müssten wieder aufgenommen werden. Nötig seien außerdem auch Delegationskonzepte, damit Intensivpflegefachkräfte von Teams aus erfahrenen Pflegefachkräften unterstützt werden könnten.

Belegbare Betten ohne Pflegepersonal

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hatte zuvor Zweifel daran angemeldet, dass tatsächlich nur belegbare Betten von den Kliniken gemeldet werden. „Anspruch und Wirklichkeit gehen da auseinander“, sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa. Zu befürchten ist demnach, dass die Kliniken eine merkliche Zahl von Betten als belegbar melden, für die in Wahrheit gar kein Pflegepersonal verfügbar wäre.

Die DIVI selbst hat keine Kontrollfunktion. Es müssten vielmehr die Bundesländer verstärkt ihre Aufgabe wahrnehmen, die tatsächliche Verfügbarkeit zu prüfen, forderte Brysch. Verstöße müssten geahndet werden.

Als einen möglichen Grund für Falschmeldungen der Kliniken sieht er, dass Leerbetten in Verhandlungen einen finanziellen Vorteil bedeuten könnten und ihre Zahl darum eher zu hoch angegeben werde. Bis September hatte es demnach zum Beispiel Pauschalzahlungen für frei gehaltene Betten gegeben, diese Regelung könnte wieder eingeführt werden.

Auch Ärztepräsident Klaus Reinhardt hat sich besorgt über die steigende Zahl an Corona-Patienten auf den Intensivstationen gezeigt. Der Anteil der älteren Patienten habe wieder zugenommen, sagte Reinhardt der „Passauer Neue Presse“ (Dienstag).

„Damit werden wir auch wieder mehr schwerere Verläufe und Todesfälle haben.“ Zudem fehle es an ausreichend Personal. Im Notfall müsse Personal aus anderen Bereichen der Kliniken herangezogen werden. „Davon sind wir aber noch ein ganzes Stück entfernt“, sagte Reinhard.

In etwa vier Wochen werde man wissen, ob die neuen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gegriffen haben oder ob man nachjustieren müsse. (dpa/sza)



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