Diskussion zu „Schwachkopf“-Meme führt zu Vergleich zwischen Habeck und Kohl

Die Diskussion zum „Schwachkopf“-Meme über Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck reißt nicht ab. Am Rande des Grünen-Parteitages am Sonntag äußerte sich Habeck selbst zu dem Fall. Seine Aussagen riefen weitere Reaktionen in den sozialen Netzwerken hervor.
Titelbild
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck neben Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nach seiner Nominierung als Kanzlerkandidat am 17. November 2024.Foto: Daniel Roland/AFP über Getty Images
Von 20. November 2024

Der Fall des Frührentners Stefan Niehoff (64) aus Unterfranken, der einen „Schwachkopf“-Meme über den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) teilte, hat erneut eine Diskussion zum Thema, wo Satire aufhört und wo eine strafbare Beleidigung anfängt, entfacht.

Am Rande des Grünen-Parteitages am 17. November in Wiesbaden äußerte sich Habeck nun zum ersten Mal zu dem Hausbesuch der Kriminalpolizei Schweinfurt bei Niehoff. Denn wie sich kürzlich herausstellte, hat Habeck selbst Strafantrag wegen des „Schwachkopf“-Memes bei der Staatsanwaltschaft Bamberg gestellt.

Daraufhin erteilte das Amtsgericht Bamberg auf Antrag der Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbeschluss bei Niehoff im unterfränkischen Burgpreppach, Bayern.

Er erlaubte es der Kriminalpolizei, „die Person, die Wohnung mit Nebenräumen und die Fahrzeuge […] ohne vorherige Anhörung“ zu durchsuchen. Angesprochen auf den Fall äußerten Strafrechtler ihre Bedenken, ob eine Durchsuchung in diesem Fall verhältnismäßig sei.

Habeck: „Schwachkopf nicht die schlimmste Beleidigung“

Habeck erklärte in einem Interview mit „Bericht aus Berlin“ während des Parteitages: Er habe am Anfang der Legislatur, „als es so hart zuging“, entschieden, Beleidigungen und Bedrohungen zur Anzeige zu bringen. „Das sind sehr viele.“

„Natürlich ist jetzt Schwachkopf nicht die schlimmste Beleidigung, die jemals ausgesprochen wurde. Was aber dann passiert ist, dass nämlich die Staatsanwaltschaft daraus dann den Laptop oder das Endgerät beschlagnahmt hat, also ins Haus reingegangen ist, hat mit meiner Anzeige nur als auslösendes [Element] glaube ich zu tun“, so der Grünen-Politiker weiter.

„Denn in der Erklärung der Polizei war ja von rassistischen Hintergründen die Rede oder antisemitischen Hintergründen die Rede. Deswegen denke ich, dass das zwar die gleiche Person ist, aber diese Anzeige nur Auslöser war.“

Volksverhetzung?

Im Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bamberg, der Epoch Times vorliegt, steht allerdings nichts von rassistischen oder antisemitischen Hintergründen. Darin geht es ausschließlich um eine mutmaßliche Straftat in Form einer „gegen eine Person des politischen Lebens gerichtete Beleidigung gemäß §§ 185, 188 Abs. 1, 194 Strafgesetzbuch“ in Form einer „Porträtaufnahme des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck mit dem an den Werbeauftritt der Fa. Schwarzkopf angelehnten Schriftzug ‚Schwachkopf PROFESSIONAL‘,“ um den Minister „generell zu diffamieren und ihm sein Wirken als Mitglied der Bundesregierung zu erschweren“, so das Amtsgericht Bamberg.

Allerdings erklärte die Staatsanwaltschaft Bamberg drei Tage nach dem Hausbesuch der Kripo beim 64-jährigen Bayern in einer Stellungnahme, dass neben dem Vorwurf der Beleidigung es auch einen Anfangsverdacht zur Volksverhetzung gebe. Demnach soll Niehoff im Frühjahr auf X eine Bilddatei mit Bezug auf die Nazi-Zeit hochgeladen haben. Diese könne laut Staatsanwaltschaft den Straftatbestand der Volksverhetzung (Paragraf 130 StGB) erfüllen.

Das Bild auf X zeigt einen SS- oder SA-Mann mit dem Plakat und der Aufschrift „Deutsche kauft nicht bei Juden“ sowie den Kommentar „Wahre Demokraten! Hatten wir alles schon mal!“, so die Staatsanwaltschaft.

Niehoff hat der Epoch Times mitgeteilt, dass er vermute, dass die Staatsanwaltschaft, nachdem ihr Durchsuchungsbeschluss bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte, sich seinen X-Account genauer angeschaut hat, um die angeordnete Hausdurchsuchung im Nachhinein noch rechtfertigen zu können.

Habeck Spitzenreiter bei Strafanzeigen

Im August wurde bekannt, dass Habeck Spitzenreiter beim Stellen von Strafanzeigen wegen vermeintlicher Beleidigungen und Bedrohungen ist. Die Regierungsantwort auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion ergab, dass er in der aktuellen Legislaturperiode (seit dem 26. September 2021 bis August 2024) insgesamt 805 Strafanzeigen zu den beiden Straftatbeständen stellte.

Wie diese ausgegangen seien, dazu habe das Wirtschaftsministerium „nur in einigen wenigen Einzelfällen Kenntnis“.

Auf Platz zwei folgt Annalena Baerbock mit 513 Strafanzeigen „wegen aller in Betracht kommenden Delikte“. Das Auswärtige Amt erfasse dabei nicht, um welche konkreten Straftatbestände es dabei gehe.

Dahinter, weit abgeschlagen, erreicht der ehemalige Justizminister Marco Buschmann innerhalb der jetzigen Regierung mit 26 Strafanzeigen Platz drei. Bei ihm ging es hauptsächlich um Beleidigungen und in wenigen Fällen um Bedrohung, Verleumdung, üble Nachrede, Störung des öffentlichen Friedens und Volksverhetzung. 15 der Strafanzeigen wurden eingestellt. Bei den übrigen Strafanzeigen ist der aktuelle Stand unbekannt.

Geschäft mit dem Hass im Netz?

Habeck sprach am Rande des Grünen-Parteitages auch von Agenturen, die ihn bei der Filterung von Beleidigungen und Bedrohungen unterstützen würden. In dem Fall habe ihn jedoch die Polizei direkt informiert, erklärte er.

Bekannt ist im Fall von Habeck, dass er mit der vom Bundesfamilienministerium unterstützten gemeinnützigen GmbH HateAid, als auch mit dem Start-up-Unternehmen SO DONE zusammenarbeitet.

Das Modell von SO DONE funktioniert folgendermaßen:

Politiker und andere von Online-Hass Betroffene nehmen Kontakt mit dem Unternehmen auf. Daraufhin sucht diese das Internet samt den sozialen Netzwerken „nach potenziellen Beleidigungen, Drohungen und anderen Straftaten“ mithilfe von KI ab und fertigt Strafanzeigen unter Zusammenarbeit mit einer Rechtsanwaltskanzlei an.

Der Betroffene muss daraufhin nur noch das vorgefertigte Schreiben unterzeichnen, und schon wird eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Gleichzeitig wird auch eine Anzeige zu zivilrechtlichen Ansprüchen eingereicht.

Sollte die zivilrechtliche Anzeige Erfolg haben, teilt man sich die gewonnene Entschädigung. Das heißt, sowohl das Start-up samt Kanzlei als auch der Antragsteller bekommen einen Anteil. SO DONE finanziert in jedem Fall die Prozesskosten. Dazu heißt es: „Im Rahmen des Klageverfahrens fallen weitere Rechtsanwaltsgebühren und Gerichtskosten von etwa 2.000,00 Euro an.“

Das bedeutet: „Sollte es nicht zu einer Geldentschädigung, wohl aber zu Kosten kommen, übernehmen wir das für dich“, heißt es. „Du kannst also garantiert nur gewinnen“, so das Start-up, das von Franziska Brandmann, der Vorsitzenden der FDP-Jugendorganisation, mitgegründet wurde.

Zur Motivation für seine Abmahnpraxis erklärt SO DONE, dass man „Verfechter unseres Rechtsstaates“ sei. Man habe es satt, dass Menschen willkürlich andere Menschen mit Beleidigungen und Drohungen überziehen und damit einfach durchkommen würden. Diese „Masse an Online-Hass“ verrohe unseren Diskurs und unsere Gesellschaft.

Erfolgsquote von über 95 Prozent

Auf ihrer Webseite wirbt das Unternehmen mit einer hohen Erfolgsquote: „In unserer einjährigen Pilotphase wurden 68 Prozent der Täter innerhalb eines Jahres ermittelt.“

An anderer Stelle wird Alexander Brockmeier, Rechtsanwalt und Geschäftsführer von SO DONE legal, zitiert: „Aufgrund unserer Expertise und langjährigen Erfahrung setzen wir die Ansprüche unserer Mandanten mit einer Erfolgsquote von über 95 Prozent durch und stellen sicher, dass Täter den Konsequenzen ihres Verhaltens zugeführt werden.“

Dass die Abmahnpraxis lukrativ sein kann, zeigen die im September veröffentlichten Zahlen, wie die Berliner Zeitung berichtete. So erklärte die Agentur, dass bisher 7.816 Hasskommentare angezeigt worden seien und mit einer 95-prozentigen Erfolgsquote durchschnittlich 591 Euro Entschädigung erstritten wurden. Wie das Start-up der „tagesschau“ mitteilte, stellt es 1.000 Strafanträge im Monat.

HateAid eine weitere Organisation, mit der Habeck zusammenarbeitet, ist ähnlich tätig. Sie wird mit staatlichen Mitteln gefördert und gibt psychosoziale Unterstützung und Beratung für Betroffene von digitaler Gewalt. Zudem wird Betroffenen rechtlich geholfen, zum Beispiel, indem sie einen Rechtsbeistand stellt oder bei der Prozesskostenfinanzierung hilft.

Die Arbeit der Organisation soll nach eigenen Angaben dabei „stets parteipolitisch neutral“ erfolgen. Neben dem Einsatz für Habeck sind auch erfolgreiche Prozesse für die Grünen-Politikerinnen Renate Künast und Claudia Roth und die ehemalige Politikerin und Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) bekannt.

Kohl zu Kritik: „Das muss man aushalten“

Teil der Diskussion in den sozialen Netzwerken zu dem „Schwachkopf“-Meme ist eine wahrgenommene Dünnhäutigkeit bei den heutigen Politikern, was Kritik, Satire oder nicht strafbare Beleidigungen angeht.

So veröffentliche ein X-Nutzer in Bezug auf die Schwachkopf-Diskussion einen Ausschnitt aus einem Interview mit Helmut Kohl vom Jahr 1990.

Günther Jauch spricht den damaligen Bundeskanzler auf die vielen Karikaturen an, die von dem Rheinländer damals im Umlauf waren, als auch der Kritik, mit der Nachrichtenmagazine ihm begegnen. „Da ist sicherlich viel auszuhalten“, so Jauch. „Kann man das so ohne Weiteres oder sind da auch Empfindlichkeiten, bei denen Sie sich richtig ärgern und sagen: ‚Das stecke ich nicht so einfach weg‘?“

Kohl antwortet darauf: „Also wenn Sie für ein solches Amt kandidieren, müssen Sie etwas aushalten. Einer meiner politischen Ziehväter, da war ich 17. Ein alter Zentrumsabgeordneter sagte mir immer: ‚Wer in der Politik an der Spitze steht, ist wie der Hahn auf dem Kirchturm. Jeder Wind, jeder Sturm umwehte ihn. Das muss man aushalten.‘ Es hat mich niemand gezwungen, Parteivorsitzender zu werden. Es hat mich niemand gezwungen, Bundeskanzler zu werden. Also muss ich es aushalten.“

Kohl geht auf Eierwerfer los

Dass auch Kohl zuweilen der Geduldsfaden gerissen ist, zeigt der Eierwurf vom 10. Mai 1991 in Halle an der Saale. Während eines Antrittsbesuchs in den Neuen Bundesländern traf er auf eine Gruppe Demonstranten, die ihn mit rohen Eiern bewarfen. Dabei löst er sich von seinen Personenschützern, um den Eierwerfern habhaft zu werden.

Entlassungswellen erfassten damals Ostdeutschland, da viele DDR-Betriebe nicht konkurrenzfähig mit den Westbetrieben waren. „In zwei, drei Jahren blühende Landschaften mitten in Europa“, hatte Kohl im Jahr 1990 versprochen. Der Unmut und die Verunsicherung waren daher groß.



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