Digitale Patientenakte: Warum Ärzte und Patienten skeptisch sind
Die Akzeptanz der digitalen Patientenakte ist im Moment bei den Menschen sehr gering. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) möchte das nun ändern. Der SPD-Politiker kündigte eine bundesweite Aufklärungskampagne gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe an. „Ärzte und Kassen werden die Patienten informieren und beraten“, sagte der Gesundheitsminister. „Und wenn die elektronische Patientenakte für alle startet, machen wir eine bundesweite Aufklärungskampagne.“ Lauterbach betonte weiter, dass die Datenschutzrichtlinien so gestaltet werden sollen, dass sie für Ärzte und Patienten im Alltag praktikabel seien.
Lauterbach nennt die gezielte Auswahl von Ärzten als ein Beispiel für den Datenschutz. Er betonte, dass es wichtig sei, als Patient selbst zu entscheiden, welche Daten von welchem Arzt eingesehen werden dürfen. Ein konkretes Szenario wäre beispielsweise, wenn ein Patient nicht möchte, dass sein Zahnarzt erfährt, bei welchem Psychotherapeuten er wegen einer schweren Psychose behandelt wird. In diesem Fall müsse es dem Patienten möglich sein, den Zugriff auf diese Daten zu verweigern.
Heutiges Angebot nur wenig genutzt
2021 ist die digitale Patientenakte als freiwilliges Angebot gestartet. Befund, Röntgenbilder und Listen eingenommener Medikamente können in einer sogenannten E-Akte gespeichert werden und sollen den Patienten ein Leben lang bei allen Ärzten begleiten. Das soll die Versorgung verbessern, da etwa oft Untersuchungen unnötigerweise wiederholt werden, wenn vorherige Untersuchungsergebnisse nicht bekannt sind.
Von den 74 Millionen Versicherten nutzen heute nur sehr wenige Patienten die E-Akte. Wie das „Ärzteblatt“ schreibt, wurden bis Ende Januar 2023 insgesamt 595.000 digitale Akten angelegt.
Zugangshürden hoch – Mehrwert für Ärzte gering
Die Unternehmensberatung McKinsey hat Anfang des Jahres einen Report vorgelegt, in dem sich das Beratungsunternehmen unter anderem mit der digitalen Patientenakte beschäftigt hat.
Die Unternehmensberatung sieht zwei Gründe für die geringe Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA). Einerseits sind die Zugangshürden im Opt-in-Verfahren hoch, da Versicherte selbstständig auf ihre Krankenkassen zugehen müssen, um die ePA nutzen zu können. Das Bundesgesundheitsministerium plant aus diesem Grund, den Zugang im laufenden Jahr zu einem Opt-out-Verfahren zu ändern. Ab 2024 würde dann automatisch eine digitale Patientenakte angelegt werden. Der Patient müsste dann aktiv widersprechen.
Als zweiten Grund benennt der Report die Tatsache, dass die ePA nur einen begrenzten Mehrwert bietet, was aus Sicht der Ärzte ein wesentliches Hindernis darstellt. Solange die Nutzerzahlen niedrig bleiben, sehen Ärzte keinen Vorteil in der Nutzung der ePA. Laut McKinsey kann die ePA nur dann zur Erfolgsgeschichte werden, wenn Ärzte aktiv Werbung dafür machen und die Versicherten dazu ermutigen, sie zu nutzen. Hier möchte die geplante Werbekampagne der Bundesregierung dann ansetzen.
Kritik an Lauterbach-Plänen
Erklärtes Ziel der Ampelkoalition ist es, bis 2025 die Nutzer der digitalen Patientenakte auf 80 Prozent der Versicherten zu steigern. Dazu hatten SPD, Grüne und FDP sich im Koalitionsvertrag auf das Opt-out-Prinzip geeinigt. Das heißt: Konkret sollen bis Ende 2024 alle automatisch eine E-Akte bekommen, ohne den bisher nötigen Antrag – wer keine will, müsste dann widersprechen.
Das sieht der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber kritisch. Er bemängelt fehlende Sicherheits- und Datenschutzfunktionen sowie den Mangel an Funktionen wie einem Medikationsplan oder einer Notfallakte. Kelber argumentiert, dass die Politik auf diese Schwächen nicht reagiert habe und jetzt die ePA automatisch für alle Patienten einführen wolle, ohne Vertrauen zu schaffen.
Im November warnte auch der Verein „Freie Ärzteschaft“ vor Lauterbachs Plänen zur automatischen Speicherung aller Arztbriefe und der Abschaffung der ärztlichen Schweigepflicht durch das Opt-out-Verfahren.
Der Verein sieht den Paradigmenwechsel als Reaktion auf das Scheitern der Anwendungen der Telematikinfrastruktur, die seit 20 Jahren ohne echte Beteiligung der betroffenen Ärzte und Patienten geplant wurden und sich in ein Milliardengrab für Versichertenbeiträge verwandelt haben. Die Patientenakte kann geschlossen werden, indem man gegenüber seiner Krankenkasse der vorher erteilten Erlaubnis des Anlegens der Akte widerspricht.
Widerspruchsverfahren bisher unklar
Es ist noch unklar, wie man Widerspruch gegen die automatisierte Speicherung von Gesundheitsdaten in der elektronischen Patientenakte (ePA) einlegen kann. Das Bundesministerium für Gesundheit hat bisher keine konkrete Möglichkeit dazu formuliert.
Es ist unklar, ob der Widerspruch schriftlich oder per App erfolgen und ob er direkt bei der Krankenkasse oder einer Behörde eingereicht werden muss.
Die Nutzer der ePA, das ist bisher klar, sollen dann Berechtigungen selbst verwalten können und entscheiden, welche Ärzte, Praxen oder Krankenhäuser auf ihre Daten zugreifen dürfen. Die genaue Ausgestaltung des Opt-out-Verfahrens wird von der Nationalen Agentur für Digitale Medizin geprüft, die voraussichtlich erst im Frühsommer ein abschließendes Konzept vorlegen wird.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion