Diese zehn Ampelgesetze will die Union rückabwickeln

Die Union plant, im Fall eines Sieges bei einer vorgezogenen Bundestagswahl zentrale Gesetze der Ampelregierung zurückzunehmen. Ob dies gelingt, hängt maßgeblich von den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag, potenziellen Koalitionspartnern und dem Bundesverfassungsgericht ab.
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Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union.Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images
Von 19. November 2024

Die Union will, sollte sie nach der vorgezogenen Bundestagswahl die Regierung stellen, zehn Gesetze der Ampelregierung rückabwickeln. Der „Bild“ liegt eine interne Liste vor, auf der sich zehn Gesetze finden, die nach Einschätzung von CDU und CSU in der Bevölkerung für besonders große Widerstände gesorgt haben.

Schnellere Einbürgerung und Kindergrundsicherung im Visier

Dem Bericht zufolge soll es sich dabei um das sogenannte Heizungsgesetz handeln, auch das Bürgergeld in seiner derzeitigen Form wird nach dem Willen der Union nicht bleiben. Nicht weiter bestehen soll auch die teilweise Legalisierung von Cannabis, außerdem steht das reformierte Staatsbürgerschaftsgesetz mit seinen Möglichkeiten zu einer schnelleren Einbürgerung im Visier von CDU und CSU.

Die Union will zudem beseitigen, was sie als „Pull-Effekte“ für irreguläre Migration bezeichnet – ohne dass dazu nähere Präzisierungen vorgenommen würden. Nicht weiter bestehen soll nach dem Willen von CDU und CSU auch das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz, welches das frühere Transsexuellengesetz abgelöst hatte.

Abschaffen möchte die Union auch die Neuerungen bei der Behandlung von Agrardiesel, die Anfang des Jahres zu den Bauernprotesten geführt hatten. Die primär von den Grünen betriebenen Veranlassungen zum Kernkraft-Aus und zur Kindergrundsicherung sollen nach dem Willen von CDU und CSU ebenfalls der Vergangenheit angehören.

Union hätte mit Grünen nur hauchdünne parlamentarische Mehrheit

Last but not least soll auch die von der Ampel durchgepeitschte Wahlrechtsreform mit ihrer Zweitstimmen-Deckelung ein Ende finden. Keine Erwähnung finden demgegenüber die ebenfalls von der Ampel auf den Weg gebrachten Vorhaben des „Nationalen Aktionsplans für queeres Leben“ und die Streichung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche.

Inwieweit es der Union tatsächlich möglich sein wird, die von ihr aufgeführten Gesetze rückabzuwickeln, ist fraglich. Ein Faktor, der dabei eine Rolle spielen wird, sind die Mehrheitsverhältnisse im neuen Bundestag. Alles deutet darauf hin, dass die Union mindestens eine der Ampelparteien als Koalitionspartner brauchen wird.

Nach derzeitigem Stand erscheint es als die wahrscheinlichste Variante, dass die Union eine Große Koalition mit der SPD anstreben wird. Der jüngsten INSA-Umfrage zufolge hätte diese eine Mehrheit von 56,2 Prozent der Mandate. Schwarz-Grün hingegen käme – auch, wenn Linke und FDP nicht mehr vertreten wären – gemeinsam nur auf 50,3 Prozent. Drei Abweichler aus den eigenen Reihen würden reichen, um die Koalition zu Fall zu bringen, und insbesondere in der CSU ist der Widerwille gegen ein solches Experiment erheblich.

Welche Rolle wird Lauterbach nach der Wahl spielen?

Im Fall eines schwarz-grünen Bündnisses könnte die Union jedenfalls nicht mit einer Zustimmung zur Renaissance der Kernkraft rechnen. Auch eine Rücknahme des Heizungsgesetzes, des Selbstbestimmungsgesetzes und möglicherweise ebenso ein Aus für das Cannabisgesetz wären für diesen Koalitionspartner inakzeptabel.

Die SPD wäre möglicherweise im Bereich der Kernkraft gesprächsbereit. Auch beim Cannabisgesetz hatte es aus den Reihen der Sozialdemokraten Kritik gegeben, vor allem aus den Ländern. Allerdings ist die Reform auch eines der zentralen Vorhaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gewesen. Es käme entsprechend auch darauf an, welche Rolle dieser in der SPD nach der Wahl spielen wird.

Das Bürgergeld galt ursprünglich als ein Versöhnungsprojekt der SPD mit ihrer entfremdeten Wählerschaft. Es sollte die Hartz-Reformen der Schröder-Ära überwinden. Diese hatten zwar zu einem Wirtschaftsaufschwung und einem deutlichen Beschäftigungsplus beigetragen. Gleichzeitig haben sie aber auch einen erheblichen Niedriglohnsektor zementiert – und dazu geführt, dass die SPD massiv Wähler verlor und die Linkspartei sich bundesweit etablieren konnte.

SPD hatte Aushöhlung des Bürgergeldes aus Rücksicht auf FDP „geschluckt“

Innerhalb der Ampel hatte vor allem die FDP erhebliche Verschärfungen beim Bürgergeld gefordert. Die SPD hat ihnen Stück um Stück nachgegeben, auch um den Koalitionsfrieden zu wahren. Wie weit die Sozialdemokraten in einer möglichen Koalition mit der Union bereit sind, in diesem Bereich Abstriche zu machen, ist unklar.

Beim Bürgergeld – aber auch beim Cannabisgesetz – könnten jedoch auch noch andere als parteitaktische Gründe zum Tragen kommen. Zwar ist es grundsätzlich möglich, Gesetze auf dem gleichen Weg, auf dem sie zustande gekommen sind, auch wieder zu ändern. Das bedeutet, dass vom Bundestag beschlossene Gesetze von diesem selbst und solche, die zustimmungspflichtig sind, im Zusammenwirken mit dem Bundesrat geändert werden können.

Allerdings unterliegen die Gesetze auch der Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. Insbesondere zu massive Verschärfungen im Bereich des Bürgergeldes könnten in Karlsruhe auf Grenzen stoßen. Immerhin hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im Zusammenhang mit dem Vorgängersystem „Hartz IV“ einige viel beachtete Leitentscheidungen zur Grundsicherung gefällt.

Vertrauensschutz für Anbauvereinigungen könnte Vorhaben der Union bremsen

Am Bundesverfassungsgericht könnte zudem eine sofortige Abschaffung des Cannabisgesetzes scheitern. Zwar äußert der Augsburger Rechtswissenschaftler Josef Franz Lindner gegenüber „Bild“, dass Cannabiskonsumenten jederzeit damit rechnen müssten, dass die Gesetzeslage auch verschärft werden könnte.

Allerdings gilt auch der Vertrauensschutz für natürliche und juristische Personen, wenn diese im Vertrauen auf eine Gesetzeslage bereits Veranlassungen getroffen haben. Dies gelte etwa für Anbauvereinigungen, sogenannte Cannabis-Clubs, die bereits eine Genehmigung zum Betrieb besäßen und dazu bereits Investitionen vorgenommen hätten:

„Wenn diese bereits eine Genehmigung haben, gilt für sie der Vertrauensschutz. Das kann man nicht so einfach ändern.“

Für diese müsse es im Fall einer tatsächlichen Rekriminalisierung des Cannabiskonsums entsprechende Übergangsregelungen geben.



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