Die Verlierer der Corona-Krise: Zahlreiche Selbstständige durch Maßnahmen in Hartz IV

An vielen Selbstständigen gingen die Corona-Hilfen lange Zeit vorbei. Als dann im Januar die Neustarthilfen aufgelegt wurden, war für viele der Zug bereits abgefahren. Sie sitzen zu einem großen Teil in der Perspektivlosigkeit fest.
Epoch Times27. Juli 2021

Aufgrund der Lockerungen der Corona-Maßnahmen geht es wirtschaftlich wieder aufwärts in Deutschland. Auch die Arbeitslosenzahlen sinken. Die Corona-Hilfen kurbeln den Markt weiter an. Doch für so manchen Selbstständigen kommt das alles zu spät.

Im April 2020 sprang die Arbeitslosenquote in Deutschland von 5,1 Prozent im Vormonat auf 5,8 Prozent. Der ab Mitte März verhängte Lockdown hatte zugeschlagen. Die Bundesagentur für Arbeit meldete: „Die Arbeitslosenzahl ist von März auf April infolge der Corona-Krise außerordentlich kräftig um 308.000 auf 2.644.000 gestiegen.“

Im Mai waren es schon 6,1 Prozent, Tendenz steigend. Der August bildete den Höchststand: 6,4 Prozent und fast drei Millionen Arbeitslose. Die Besserung auf dem Arbeitsmarkt trat erst ab Mai ein, die Arbeitsagentur meldete „erste Anzeichen für eine Besserung“, die sich im Juni weiter fortsetzte.

Alles scheint sich wieder zu bessern. Doch „Business Insider“ macht auf das Problem der Soloselbstständigen aufmerksam, das hauptsächlich auch durch den Künstlerprotest um Jan-Josef Liefers und publik wurde.

Lange Zeit wurden die durch die Lockdowns von ihren Einkommensquellen abgeschnittenen Soloselbstständigen vergessen. Erst mit der Neustarthilfe ab Januar 2021 kam diese Gruppe der Lockdown-Geschädigten an staatliche Hilfen heran. Alle vorherigen Hilfsprogramme gingen an ihnen vorbei, da sie kaum Fixkosten haben und von ihren Einnahmen hauptsächlich ihr eigenes Überleben finanzieren müssen.

Vergessen von der Hilfe

Für viele kamen die Hilfen aber bereits zu spät. Dem Bericht nach zähle ein großer Teil der vier Millionen Selbstständigen in Deutschland zu den größten Verlierern der Corona-Krise. Viele mussten ihre Selbstständigkeit aufgeben. Zwischen April 2020 und Juni 2021 beantragten 132.000 Selbständige Hartz IV, wie die Bundesagentur für Arbeit angibt. Als „Business Insider“ bei der BA nachfragte, erfuhren die Journalisten, dass diese Zahl die prognostizierten Erwartungen von 20.000 deutlich übertraf.

Die Dunkelziffer der zerstörten Existenzen dürfte wohl noch höher liegen. Bereits im Januar schlug der Deutsche Gewerkschaftsbund Alarm: Nur 1,9 Prozent der Soloselbstständigen sind gegen Arbeitslosigkeit versichert. Auch der aufgrund der Corona-Maßnahmen eingeführte erleichterte Zugang zu Hartz IV konnte von so manchem nicht genutzt werden, da die für die Altersvorsorge zurückgelegten Beträge über dem festgelegten Freibetrag lagen – oder ihre Partner zu viel verdienten, weil man in diesem Fall automatisch zu einer „Bedarfsgemeinschaft“ zählt.

Neustart aus der Perspektivlosigkeit fördern

Die hohe Zahl an Selbstständigen im Hartz-IV-System ist für die Arbeitsmarktreferentin des Paritätischen Gesamtverbandes, Tina Hofmann, ein Alarmsignal: „Nach den Statistiken zu urteilen befinden sich aufgrund der Pandemie nicht nur sehr viel mehr Selbstständige und Solo-Selbstständige im Hartz IV-System, sondern viele auch in einer beruflichen ‚Warteschleife‘ — und das womöglich über eine lange Zeit“, erklärte die Expertin gegenüber „Business Insider“. Hofmann warnte auch davor, diese Selbstständigen sich selbst zu überlassen. Der Staat müsse gezielt auf sie zugehen, damit sich deren berufliche Perspektivlosigkeit nicht verfestige.

Doch vielleicht ist es für viele bereits zu spät. Wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Studie herausfand, seien mittlerweile unter den Befragten nur noch 76 Prozent selbstständig tätig. Immer mehr geben ihr Geschäft auf. 2018 seien es noch neun Prozent gewesen, die aus der Selbstständigkeit in die Arbeitslosigkeit gerutscht waren. 2020 hatte sich diese Zahl bereits verdoppelt.

Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtete, sind verstärkt Frauen betroffen. Alexander Kritikos, Forscher beim DIW, glaubt, dass es daran liege, dass Frauen häufiger in Branchen wie dem Gastgewerbe, der Hotellerie oder dem Handel selbstständig seien, „die von den Eindämmungsmaßnahmen besonders stark betroffen waren“.

Laut Kritikos habe die Bundesregierung den Selbstständigen in der Corona-Krise nicht konsequent genug geholfen. Erst die Neustarthilfe griff. Doch Kritikos ist nicht zuversichtlich: „Ich fürchte, diese Hilfe kam zu spät.“ (sm)



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