Die Rittergüter der Ostprignitz – wichtige Zeugnisse deutscher Kulturgeschichte
Der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) – Protestanten gegen Katholiken verschiedener Nationen – gilt als einer der brutalsten und blutigsten Kriege Europas. Ganze Ortschaften wurden ausradiert und Landstriche wirkten weithin aufgrund der vielen Toten wie ausgestorben. Dieser Krieg gilt als eine schärfere Zäsur, zumindest was die Zahl der Gefallenen und Ermordeten angeht, als etwa die beiden verheerenden Weltkriege des letzten Jahrhunderts.
Brandenburg gehörte zu den stark betroffenen Gebieten. Doch setzte der nachfolgende Frieden und das Geschick des Großen Kurfürsten, vor allen Dingen sein Enkel Friedrich Wilhelm I., eine bemerkenswerte Entwicklung und einen Wiederaufbau in Gang, der Brandenburg/Preußen nachhaltig veränderte und aufblühen ließ.
330. Jahrestag des Wiederaufbaus
Ein Beispiel hierfür ist das Dorf Plänitz in der Prignitz, das Epoch Times zum 330. Jahrestag des Wiederaufbaus besuchte. Plänitz wurde im Dreißigjährigen Krieg total zerstört. Die Wiederaufbauarbeiten dauerten lange an. Die diesjährigen Feierlichkeiten mit Gedenksteinsetzung standen ganz in der Würdigung des Gutsherrn Daniel Caspar von Rathenow, der mühevoll in 40 Jahren das Dorf erfolgreich wieder aufbaute.
Dazu muss gesagt werden, dass der Dreißigjährige Krieg alle Bevölkerungsschichten traf, auch den Adel. Erst im frühen 18. Jahrhundert, in den 1720er-Jahren, war in vielen brandenburgischen Gebieten der Vorkriegszustand bei den Einwohnerzahlen wiederhergestellt. Darauf weist der Historiker Prof. Dr. Frank Göse von der Universität Potsdam in seinem Vortrag zu den Feierlichkeiten hin.
„Plänitz hatte günstige Voraussetzungen“
„Plänitz hatte günstige Voraussetzungen“, führt Denkmalpfleger Manfred Teske auf. „Denn unter dem Kurfürsten Friedrich III. und seinem Kammerpräsidenten von Schwerin war es möglich, das Dorf wieder aufzubauen und Kolonisten anzusiedeln. Zudem gab es günstige Bedingungen durch die Umgebung, denn die nah gelegene Ortschaft Kyritz war Mitglied der Hanse.“
Über den Fluss Jäglitz ist Plänitz mit dem Ort Kyritz erreichbar. Von dort führt die Jäglitz weiter bis in die Elbe. Somit war man mit den Hansestädten Lüneburg und Hamburg verbunden, erkärt Teske weiter.
Als ein weiteres Plus kam hinzu, dass 1662 der Friedrich II. Graf von Hessen-Homburg das Amt käuflich erwarb und diese Region industrialisierte. Er erbaute um 1663 in Hohenofen einen englischen Hochofen, wahrscheinlich der erste Hochofen in Brandenburg, und ließ den Fluss Dosse regulieren und ausbauen, damit der Fluss schiffbar war. Zwei Glashütten ließ er errichten, von der ein Jahr später die eine zu einer Spiegelmanufaktur des Kurfürsten umgebaut wurde.
„Es war also nicht nur die Landwirtschaft, die eine große Rolle spielte, eigentlich die beherrschende, sondern auch der Beginn eines Wirtschaftsaufschwungs, der durch den Großen Kurfürsten sehr gefördert wurde und der ihm gelegen kam. Die Dorfgemeinschaft und die Umgebung hatten zudem ihren Anteil am Aufbau“, stellt der Denkmalpfleger fest.
Abschaffung der Dreifelderwirtschaft
Die neuen Gutsbesitzer, als Kolonisten in den alten Rittergütern angesiedelt, waren bemüht, die Dreifelderwirtschaft abzuschaffen und moderne Landwirtschaft auf großen Flächen zu betreiben.
Die Rittergüter fingen also an, Höfe selbst landwirtschaftlich zu bewirtschaften – mit eigenen Gebäuden, mit einem eigenen Wirtschaftsleiter, mit einem Wirtschaftshof. Das war neu. Zudem konnten sich die einst leibeigenen Bauern ab 1815 selbständig machen. Diese Selbständigkeit förderte das Wohl und den Wirtschaftsaufschwung im Dorf.
Noch heute findet man einige alte Bauernhäuser von guter Qualität, die den Reichtum der freien Bauern seit 1815 dokumentieren, verdeutlicht Teske. „Und den Gutsherren, allen voran Herrn von Rathenow, lagen neben dem wirtschaftlichen Erfolg das Wohlergehen der Bauern und das kulturelle Leben der Dorfgemeinschaft am Herzen.“
Der Plänitzer Manfred Graf von Schwerin ist seit Jahren im Wiederaufbau und Erhalt von historischen Gebäuden engagiert. Er beklagt, dass man nach 33 Jahren deutscher Wiedervereinigung von zehn in Not geratenen Kulturerbestätten der Umgebung nur eine einzige wiederaufgebaut hat. „Also im Grunde lebt die Zerstörungspolitik von Wilhelm Pieck [erster DDR-Staatspräsident] und Co. noch weiter.“
Sozialistische Bodenreform zerstörte gezielt den Gutshof-Charakter
Plünderungen und Gebäudeabrisse nach dem Einmarsch der russischen Armee 1945 und durch die Bodenreform haben den Charakter der Gutshöfe zum Teil vollständig verändert. Die Aufteilung des Grundbesitzes und die Entstellung der mitunter künstlerisch anspruchsvollen Anlagen schädigten die meisten Ortsbilder gravierend.
Wilhelm Pieck startete 1945 die „demokratische“ Bodenreform ab Kyritz – eigentlich eine sozialistische Enteignung unter dem Motto „Junkerland in Bauernhand“. Sie verursachte einen hohen Verlust an bedeutsamer Bausubstanz, auch unter den Rittergütern mit ihren Gutshäusern, und wurde bewusst durchgeführt. Denn es galt, die Dörfer ihres über Jahrhunderte gewachsenen Gutshof-Charakters zu „entkleiden“.
„Wir haben in der Umgebung bis 1945 insgesamt 70 Rittergüter als Herrensitze gehabt und kulturelle wertvolle Stätten, und nur ganz wenige sind wieder neu erstanden“, erklärt Graf von Schwerin. Neben den Dorfkirchen seien sie das wichtigste kulturhistorische Erbe in den Dörfern und hätten wesentlichen Anteil an der Ausbildung der Landschaft und Ortsbilder. Die Mehrzahl der Gutsbauten gibt es heute nicht mehr. In der Ostprignitz gibt es sogar gar kein vollständig erhaltenes Gut mehr.
„Insofern ist hier eine große Aufgabe zu erfüllen.“ Von Schwerin hofft, dass man es gemeinschaftlich mit den Aktivitäten des Dorfes noch schafft, weitere Kulturstätten zu retten.
Renaissanceschloss in Demerthin
Einen zumindest auf den äußerlichen Zustand bezogenen positiven Fall stellt das Renaissanceschloss in Demerthin (erbaut 1604) dar. Im Innern des leerstehenden Schlosses sieht es dagegen traurig aus.
Das Schloss ist Teil des Rittergutes Demerthin der Familie von Klitzing. 1945 wurde Demerthin Versorgungsgut der Roten Armee. Damit begann der Verfall. Um einen erneuten Anlauf zur Nutzung des Schlosses und der damit verbundenen Innenrestaurierung einzuleiten, hat die Jugendbauhütte jüngst ein Projekt zur Reinigung und Sicherung von Gegenständen aus dem früher geplanten Schlossmuseum realisiert.
Derzeit arbeiten die Gemeinde Gumtow und mehrere Institutionen an der schrittweisen Umsetzung eines Nutzungskonzepts, das mit der Teilnutzung einiger Räume beginnen soll und dann im Laufe der Jahre je nach Finanzlage mit der Sanierung fortschreitet.
Rittergut Ganz in Kyritz
Schwieriger sieht die Situation beim Rittergut Ganz aus. Der Berliner Industrielle Max Graetz kaufte 1914 das Gut. Graetz vergrößerte das Gut durch Zukauf von Flächen. Die alten Wirtschaftsgebäude wurden abgerissen, lediglich das alte Gutshaus blieb stehen. Von 1914 bis 1916 entstand der Wirtschaftshof als einer der fortschrittlichsten Betriebe im Deutschen Reich.
Nach der Enteignung 1945 wurde das Herrenhaus als Lungenheilstätte und später als Altersheim genutzt. Im Vergleich zu anderen Schlössern und Herrenhäusern hat es die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Wende 1989 recht gut überstanden.
Ausgesprochen dramatisch ist dagegen der Zustand des Wirtschaftshofs. Der aktuelle Besitzer hat weder finanzielle Mittel noch ist er anderweitig in der Lage, den Erhalt der großartigen Anlage zu betreiben. Ihr Verfall wäre ein Verlust einer deutschlandweit architektonischen Glanzleistung im Bereich landwirtschaftlicher Bauten.
Tragischer Fall: Gut Dannenwalde
Einen tragischen Fall stellt das Gut Dannenwalde dar. Für die Geschichte der Stadt Kyritz gibt es ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert kein einflussreicheres Gut.
Friedrich Karl Ludwig Georg von Rohr-Levetzow (1805–1876) erbaute 1840 das Dannenwalder Herrenhaus. Dessen Sohn Otto Albrecht von Rohr machte das Gut zum Mustergut. Es entstanden Kuhstall, Kutschstall, Verwalterhaus, Stellmacherei, Schmiede, Vorarbeiterhaus, Kornboden und eine Stärkefabrik. Die Qualität der Gutsbauten war beachtlich.
Der heutige Zustand und die Verluste dieses bedeutenden Gutes der Ostprignitz sind erschütternd. Das klassizistische Herrenhaus, das nach 1945 als Flüchtlingsunterkunft diente, brannte 1954 ab. Während der DDR-Zeit hatten sich glücklicherweise viele der Gutsbauten erhalten. Aufgrund fehlender historischer Kenntnis oder Geringschätzung der architektonisch wertvollen Anlage wurden nach der Wende zahlreiche Bauten achtlos veräußert, die dann abgerissen wurden.
Schließlich hat die Achtlosigkeit der neuen Besitzer des Gutes zum Einsturz weiterer bedeutender Bauten aus der Hand des Architekten Ludwig von Tiedemann geführt, die leicht zu sichern und damit zu retten gewesen wären. Dannenwalde gilt heute unter Historikern als weiteres Negativbeispiel dafür, wie der Umgang mit dem Kulturgut auf dem Land nicht sein sollte.
Herrenhaus in Lohm erstrahlt in neuem Glanz
Einen positiven Ausgang gibt es hingegen beim Rittergut Lohm. In dem gleichnamigen Ort gibt es noch zwei Herrenhäuser (Lohm I + II). Das größere, am südöstlichen Ortseingang, wurde 1740 durch den Havelberger Domherren Caspar Joachim von Kröcher erbaut. Schloss und Kavaliershäuser wurden von 1945 bis 1968 als Wohnungen, Verwaltungsbüros der Landwirtschaflichen Produktionsgenossenschaft (LPG), als Gemeindeschwesternstation und Telefonzentrale der Post genutzt.
Dann wurde das Gebäude zur Schule umgebaut. Die wenigen erhaltenen kunsthistorischen Zeugnisse wurden gesichert. Noch bis 2002 wurde im Schloss unterrichtet. Nach einigen Jahren Leerstand erwarb Hilmar Bergmann das Herrenhaus. Heute kann das Haus für Tagungen, Seminare, Lesungen, Konzerte und Ausstellungen gemietet werden.
Wie viele der alten Herrenhäuser, Schlösser und Gutshäuser noch gerettet werden können, bleibt fraglich, denn es ist ein Rennen gegen die Zeit und die Witterungseinflüsse.
Erfolgreich war die Rettung oftmals, wenn sich Liebhaber solcher Häuser als „Gutshausretter“ einsetzten oder die eigentlich rechtmäßigen Erben die Häuser und Grundstücke ihrer Eltern oder Großeltern von den überforderten Gemeinden zurückkauften. Auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz konnte durch ihren Einsatz Häuser retten.
Für Manfred Graf von Schwerin wäre der weitere Verlust von Häusern tragisch: „Zukunft will Herkunft. Man muss seine eigenen Wurzeln kennen. Man muss die Geschichte, die Erinnerungskultur pflegen. Wenn man von der Geschichte nichts mehr weiß, dann ist man manipulierbar. Denn wir lernen aus der Geschichte. Und mit ihr geht eine ganze kulturelle Identität verloren.“
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