Analyse: Die Lage der Industrie aus Sicht der Müllverbrennung

Ein Blick auf die thermische Verwertung (Müllverbrennung): Wird weniger produziert, sinken die Abfallmengen. Doch das hat Auswirkungen auf die industrieeigenen Kraftwerke. Eine Analyse.
Die Lage der Industrie aus Sicht der Müllverbrennung
Eine Müllverbrennungsanlage an der Elbe bei Magdeburg.Foto: iStock
Von 26. September 2022

Laut den Zahlen des Statistischen Bundesamtes brach die Industrieproduktion im März 2022 um 4,45 Prozent ein, im April um 2,53 Prozent, im Mai um 1,74 Prozent, im Juni um 0,1 Prozent und im Juli um weitere 1,1 Prozent. Der Rückgang summiert sich auf zunächst vergleichsweise moderate 6,47 Prozent. Im Jahr 1929, auf dem Höhepunkt der großen Depression, lag sie in Deutschland bei 41,8 Prozent. Ein anderer Indikator lässt darauf schließen, dass die industrielle Produktion bereits deutlicher sinkt.

Abfall als Ersatzbrennstoff

Wird in Industrieunternehmen weniger produziert, fällt weniger Abfall an. Der Abfall wandert in die sogenannte thermische Verwertung (Müllverbrennung), die auf zwei Säulen basiert. Die erste Säule stellen die klassischen Müllverbrennungsanlagen dar, die zweite Säule bilden Ersatzbrennstoffkraftwerke.

Ersatzbrennstoffe (EBS) sind Abfälle mit einem höheren Heizwert als die gemischten Abfallfraktionen in den klassischen Müllverbrennungsanlagen. Sie müssen zuvor stromintensiv aufbereitet und sehr oft aus Kunststoffen und geschredderten Altreifen hergestellt werden. Auch große Teile der nicht verkauften Kollektion der Wintermode des ersten Lockdown-Winters 2020 wurden in Deutschland zu Ersatzbrennstoffen verarbeitet. Ersatzbrennstoffe werden zumeist genutzt, um beispielsweise Zement- oder Kalkwerke mit Energie zu versorgen. Sie gelten als vergleichsweise günstige Energieträger.

Nun ist im Marktumfeld zu beobachten, dass die eingelieferten Mengen rückläufig sind. Im Bereich der Ersatzbrennstoffe klagt ein Hersteller (Name ist der Redaktion bekannt) aus dem Westfälischen – wie auch viele seiner Branchenkollegen – über fehlenden Input.

Die eingelieferten Mengen seien um etwa 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen, weil die Industrie weniger produziert und vereinbarte Kontingente nicht geliefert werden können. Über das Jahr gerechnet fehlen dem Unternehmen voraussichtlich etwa 10.000 Tonnen Material. Darüber hinaus belasten die stark gestiegenen Stromkosten die energieintensive Aufbereitung der Ersatzbrennstoffe.

Ablesbar ist diese Knappheit an der Preisentwicklung. Unternehmen, die Müll anliefern, müssen die Betreiber der Müllverbrennungsanlagen bezahlen. Im vergangenen Jahr wurden Kosten von 130 Euro bis 150 Euro pro eingelieferte Tonne in Rechnung gestellt. Der aktuelle Marktpreis liegt bei circa 95 Euro pro Tonne. Bei einzelnen Müllverbrennungsanlagen ist der Druck sogar so groß, dass sie bereits Preise von 75 Euro anbieten, um dringend benötigtes Verbrennungsmaterial zu erhalten.

Auch die Betreiber klassischer Müllverbrennungsanlagen erhalten derzeit nicht die vertraglich fixierten Kontingente.

Der Markt in Deutschland

In Deutschland existieren 66 Müllverbrennungsanlagen und 26 Ersatzbrennstoffkraftwerke. 90 Prozent der Anlagen produzieren sowohl thermische (Wärme) als auch elektrische (Strom) Energie, sie verfügen über eine Kraft-Wärme-Kopplung. Die Gesamtleistung der Verbrennungsanlagen beläuft sich auf eine Feuerwärmeleistung von ungefähr 7,5 Gigawatt. Das entspricht einem Anteil von gut 1,5 Prozent am Gesamtendverbrauch.

Dieser Prozentsatz ist niedrig, jedoch sind den Verbrennungsanlagen direkt große Industriebetriebe angeschlossen. Die Produktion dieser Betriebe ist von der Versorgung sowohl durch die Wärme als auch durch die Elektrizität extrem abhängig. Der Erfolg dieser Unternehmen – und damit auch der Fortbestand der Arbeitsplätze – steht und fällt mit der Energieversorgung durch das Kraftwerk.

Sinkende Energiepreise wären eine Entlastung

Die Politik berät im Zuge der Preissteigerungen aktuell über das dritte Entlastungspaket. Entlastung wäre, und das gilt für Unternehmen wie für Privathaushalte gleichermaßen, wenn die Energiepreise fallen würden. Preise können nur fallen, wenn das Angebot größer ist als die Nachfrage.

Wie die Strom- und Gaspreisentwicklung verdeutlicht, war das Problem bereits im Herbst 2021 an den Strom- und Gaspreisen ablesbar. Der Gaspreis befindet sich aktuell nur unwesentlich über dem Niveau vom 22. Dezember 2021. Insofern hätte bereits damals entschlossen gehandelt werden müssen. Durch die Versäumnisse der politischen Entscheidungen droht nun eine Art „Energie-Lockdown“.

Quelle: Tradingview

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 63, vom 24. September 2022.



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