Die Koalitionsverhandlungen über die „Ampel“ dürften holprig werden
Der Weg für Ampel-Koalitionsverhandlungen ist frei. Als letzte Partei stimmte am Montag die FDP für entsprechende Gespräche zwischen SPD, Grünen und Liberalen. Der Beschluss wurde bei einer hybriden Bundesvorstandssitzung gemeinsam mit den Mitgliedern der FDP-Bundestagsfraktion gefasst.
Die Zustimmung erfolgte Medienberichten zufolge einstimmig. Der SPD-Vorstand hatte sich bereits am Freitag für Koalitionsverhandlungen ausgesprochen, die Grünen waren am Sonntag bei einem kleinen Parteitag nachgezogen.
In den Sondierungen hatten sich die drei Parteien auf ein zwölfseitiges Papier geeinigt und dabei einige Streitpunkte abgeräumt. Dennoch könnten die anstehenden Beratungen über einen Koalitionsvertrag an der einen oder anderen Stelle holprig werden. Ein Überblick über die möglichen Knackpunkte:
Klima und Umwelt
Um Deutschland beim Thema Klima auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen, soll der Ökostrom-Ausbau drastisch beschleunigt werden. Solaranlagen sollen bei gewerblichen Neubauten Pflicht, bei neuen Privathäusern die Regel werden.
Zwei Prozent der Landesfläche sollen für Windkraft an Land ausgewiesen werden. Der Kohleausstieg soll „idealerweise“ bereits bis 2030 erfolgen. Unterstützt wird der EU-Vorschlag, ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zuzulassen; in Deutschland soll dies schon früher wirksam werden.
Diese Punkte verbuchen die Grünen als Aktivposten für sich, doch vielen in der Partei reicht das nicht aus: Für breiten Unmut sorgt, dass es kein generelles Tempolimit auf Autobahnen geben wird. Und die Partei muss aufpassen, dass sie die Klimabewegung nicht enttäuscht.
Die Fridays-For-Future-Aktivistin Luisa Neubauer etwa vermisst im Sondierungspapier einen verbindlichen Kohleausstieg sowie einen „realistischen und gerechten“ CO2-Preis.
Haushalt und Finanzen
Notwendige Zukunftsinvestitionen sollen „im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse“ ermöglicht werden, besonders für Klima, Digitalisierung und Bildung. Steuern wie die Einkommen-, Unternehmen- und Mehrwertsteuer sollen nicht erhöht werden. Auch soll es keine neuen Substanzsteuern geben – wie zum Beispiel eine Vermögensteuer.
Viele bei Grünen und SPD sind unzufrieden damit, dass wegen dieser Festlegung erst einmal offen bleibt, wie notwendige Investitionen finanziert werden sollen – auch wenn ihnen klar ist, dass für eine Abkehr von der Schuldenbremse die Verfassung geändert werden müsste. Dafür fehlt einer „Ampel“ die Mehrheit.
Soziales
Hartz IV soll durch ein Bürgergeld ersetzt werden, das auch mehr Zuverdienstmöglichkeiten ermöglicht. Doch die Positionen von SPD und Grünen, die Regelsätze neu zu berechnen und die umstrittenen Sanktionen zumindest teilweise abzuschaffen, finden sich im Ampel-Text nicht wieder. „Hier müssen wir in den Koalitionsverhandlungen noch nachbessern“, fordert der Grünen-Sozialexperte Sven Lehmann.
Renten
Was die Koalitionäre zur Rente festgelegt haben, ist wiederum nicht unbedingt nach dem Geschmack der FDP: Denn das Sondierungspapier sieht vor, das Rentenniveau beim Stand von 48 Prozent zu sichern. Rentenkürzungen sind damit vom Tisch, auch eine Anhebung des Renteneintrittsalters wird ausgeschlossen.
Das muss finanziert werden, infrage kommen Beitragssteigerungen oder ein erhöhter Bundeszuschuss. Da könnte es noch spannend werden, wenn etwa ein FDP-Finanzminister Christian Lindner das Geld dafür locker machen muss.
Auch der vorgesehene Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung hat aus FDP-Sicht einen Haken. Der geplante Kapitalstock von zehn Milliarden Euro soll über den Bundeshaushalt durch einen Kredit finanziert werden.
Arbeit
Der gesetzliche Mindestlohn soll dem Sondierungsergebnis zufolge auf zwölf Euro steigen. Dies soll wohl auf gesetzlichem Wege geregelt werden. Nach Überzeugung der FDP ist dafür aber eigentlich die Mindestlohnkommission zuständig. Die FDP will nun ausnahmsweise einer Mindestlohnsteigerung unter Umgehung der Kommission zustimmen – dies aber nur einmalig.
Wohnen und Mieten
Um die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu entspannen, sollen pro Jahr 400.000 neue Wohnungen gebaut werden, davon 100.000 öffentlich geförderte. Umgesetzt werden soll dies durch ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“. Geltende Mieterschutzregeln sollen verlängert werden, einen Mietendeckel soll es aber nicht geben.
Genau daran stoßen sich die Grünen in Ballungsräumen wie Berlin. Es brauche „radikal neue Möglichkeiten“, damit die Menschen in ihren Wohnungen bleiben könnten, forderte die Grünen-Fraktionschefin im Berliner Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, beim Länderrat am Sonntag. Und die Koalitionsverhandler im Bund rief sie auf: „Bitte verhandelt hier knallhart.“ (afp/dl)
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