Die Grünen im Umfragehoch – Grünen-Führung sieht sich auf dem Weg zur Volkspartei

15 Prozent bekämen die Grünen dem neuen ZDF-"Politbarometer" zufolge, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Manch ein Meinungsforscher traut der Partei ein ähnlich großes Wählerpotenzial zu wie der SPD.
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Annalena Baerbock and Robert Habeck.Foto: JULIAN STRATENSCHULTE/AFP/Getty Images
Epoch Times11. August 2018

15 Prozent bekämen die Grünen dem neuen ZDF-„Politbarometer“ zufolge, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Das sind Werte, wie sie die Partei zuletzt vor sechseinhalb Jahren hatte. Manch ein Meinungsforscher traut der Partei ein ähnlich großes Wählerpotenzial zu wie der SPD. Und die selbstbewusste Führung der Grünen sieht sich schon auf dem Weg zur Volkspartei.

Das vorangegangene Umfragehoch der Grünen von 2011 und 2012 war seinerzeit auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima zurückgegangen. Sie hatte über Monate die Schlagzeilen beherrscht – und letztlich dem bundesweit ersten Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg ins Amt verholfen. Heute ist die Partei populär, obwohl ihr Kernthema Ökologie keineswegs im Vordergrund steht.

Die Grünen-Themen seien nicht „der heiße Scheiß der Republik“, befand Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt noch im vergangenen Jahr. Doch schon bei der Bundestagswahl im September schnitt die Partei mit 8,9 Prozent besser ab als erwartet. Seither steigen die Umfragewerte der Partei an – trotz der letztlich gescheiterten Verhandlungen über ein Jamaika-Bündnis mit Union und FDP.

Ein Pfund, mit dem die Partei wuchern kann, ist die Ende Januar ins Amt gekommene Doppelspitze aus den beiden Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck. Mit der Wahl der zwei Realpolitiker verabschiedete sich die Partei vom jahrzehntelang beachteten Flügelproporz.

Gerade in Habeck sieht Meinungsforscher Manfred Güllner einen „gemäßigten Parteichef“, der gut zu der „neuen Generation pragmatisch orientierter grüner Wähler“ passe. „Die Partei wird heute von Vielen in der gesellschaftlichen Mitte für wählbar gehalten“, analysiert der Leiter des Forsa-Instituts. Und sie beginne, die FDP als bürgerliche Alternative abzulösen.

Schon kann sich Güllner vorstellen, dass die Grünen der im Umfragetief verharrenden SPD bald den Rang ablaufen: Bei den beiden Parteien „könnten sich die Größenverhältnisse auch auf Bundesebene bald umdrehen“.

Die SPD reagiert gereizt

Entsprechend gereizt reagiert die SPD, die lange als der natürliche Partner der Grünen galt: Die Grünen ließen „ein klares sozialpolitisches Profil“ vermissen, schimpft die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Und die Parteivorsitzende Andrea Nahles warnt ihre Genossen davor, den flüchtlingsfreundlichen Kurs der Grünen imitieren zu wollen. Diese machten es sich zu einfach, findet die SPD-Chefin – etwa wenn sie sich gegen die Festlegung auf neue sichere Herkunftsländer wenden.

Dabei sind die Grünen längst dabei, sich auf Kompromisse einzulassen und einen Kurs der Mitte einzuschlagen. „Linksliberal“ ist der Begriff, den Habeck dafür gerne verwendet – und er will heraus aus der „ökologischen Nischenrolle“. Ko-Chefin Baerbock schlägt in dieselbe Kerbe – sie traut den Grünen die Rolle einer Volkspartei zu: „Politik heißt für mich, die Gesellschaft in Gänze im Blick zu haben.“

Angesichts der Sticheleien führender Sozialdemokraten betont Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner: „Wir haben nach wie vor die größten Überschneidungen mit der SPD.“ Doch hat die Grünen-Spitze nicht nur die SPD als möglichen Partner im Blick, sondern längst auch die Union.

Aber gerade hier spürt die Partei derzeit ihre Grenzen: In der grün-schwarzen Koalition Baden-Württembergs knirscht es gewaltig. In Hessen könnte die schwarz-grüne Landesregierung im Oktober wegen der Schwäche der CDU ihre Mehrheit verlieren – während die Grünen in Umfragen auch hier starke 14 Prozent erreichen. Und in Bayern erscheint ein schwarz-grünes Bündnis angesichts der harten CSU-Linie in der Flüchtlingspolitik zwei Monate vor der Landtagswahl schwer vorstellbar.

So ist derzeit vollkommen offen, was aus dem derzeitigen Umfragehoch der Grünen wird – schließlich ist es nicht das erste Mal, dass die Partei so hohe Werte aufweist. Und es wäre auch nicht das erste Mal, wenn sie danach wieder mit deutlichen Einbußen zu kämpfen hätte. (afp)



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