„Die Führungsschicht ist abgekoppelt und lebt in ihrer eigenen Welt“
Im vergangenen Jahr hatten sich Berichte über massive Missstände beim „Norddeutschen Rundfunk“ (NDR) gehäuft. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kritisierten „politische Filter“, ein „Klima der Angst“ und eine „Amigo-Kultur“ in der Führungsebene.
In einem Brandbrief beklagten sich 72 Angestellte, darunter fast ausschließlich Journalisten, über das Verhalten ihrer Vorgesetzten und forderten „eine lückenlose und transparente Aufarbeitung aller Vorwürfe“.
NDR-Intendant Joachim Knuth beauftragte daraufhin mehrere Untersuchungen. Der „Klimabericht Norddeutscher Rundfunk“ wurde ihm Anfang der Woche übergeben. Die Verantwortung dafür lag bei Stephan Reimers, einem Theologen und langjährigen NDR-Rundfunkrat.
Klimabericht zur Arbeitsatmosphäre
Der Tenor des Reimersschen „Klimaberichts“ schwankt zwischen deutlicher Kritik und versöhnlichen Worten. Die Klima-Allegorie zieht sich plakativ durch den Bericht. Am Ende heißt es zur Frage, ob das Klima im NDR noch zu retten sei:
Als wir die Gespräche führten und im Sumpf der Beschwernisse wateten, waren wir skeptisch. Nachdem alle Gespräche ausgewertet sind und wir mit Abstand auf unsere Analyse schauen, sind wir der Meinung: Ja, selbstverständlich! Der NDR ist quicklebendig, der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch lange nicht erledigt.”
Einzelne Zitate machen allerdings deutlich, wie verbittert die Stimmung mancherorts im zweitgrößten ARD-Sender (nach dem WDR) ist. Unzufriedenheit gibt es vor allem in Richtung der Führungskräfte. „Viele Mitarbeitende haben kein Vertrauen in die Geschäftsleitung“, steht in dem 99-seitigen Bericht, der Epoch Times vorliegt. Es gebe eine stark am hierarchischen System orientierte Führungskultur und ein daraus resultierendes Führungsverständnis. Ein Zitat aus der anonymen Befragung von über 1.000 Beschäftigten besagt: „Die Führungsschicht ist abgekoppelt und lebt in ihrer eigenen Welt.“
NDR: in Teilen wie eine patriarchalisch geführte Organisation
Die Besetzung machtvoller Positionen im NDR soll in Teilen jener von patriarchalisch geführten Organisationen ähneln, in denen bestimmte Funktionen mit Personen besetzt werden, die einem spezifischen inneren Zirkel angehören. Im NDR werde dieses Phänomen als „Referentitis“ bezeichnet. Es drückt aus, dass vor allem ehemalige Referenten aus der Intendanz oder den Direktionen bei wichtigen Stellen zum Zuge kämen. Sie fänden sich an der Spitze von Landesfunkhäusern, Programmbereichen und Chefredaktionen und gälten als „Avatare der Obrigkeit“, so der Bericht.
Es gebe bei der Besetzung keinen verbindlichen Prozess und keinerlei verbindliche fachliche und soziale Kompetenzkriterien. So erzählt eine Führungskraft: „Als ich mich das letzte Mal beworben habe, war vorher klar, dass ich den Posten bekomme. Irgendwann kam der nächste Posten und ich musste mich nicht mal mehr bewerben. Es gibt kein offizielles Bewerbungsverfahren.“ Zwei andere Zitate erklären kurz: „Chef wird, wen Chef mag“ oder „Unsere Führungskräfte klonen sich permanent selbst“.
Menschen mit Angst und Besorgnis, kein generelles Klima der Angst
Zum Vorwurf eines „Klimas der Angst“ heißt es in dem Bericht: „Es gibt Menschen im NDR mit Angst und Besorgnis, aber kein generelles Klima der Angst”. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter misstrauten ihrer obersten Führung und sprächen ihnen einen objektiven Blick für die Probleme an der Basis ab, so die Prüfer. Es gebe auch Tendenzen der Folgsamkeit, der gefühlten Unmündigkeit bis hin zu Grundformen der Angst. Die kollegialen Beziehungen im NDR seien stellenweise deutlich von gegenseitigem Misstrauen und Konflikten geprägt.
Die Kommunikation und Rhetorik der Geschäftsleitung werde als empathielos und glatt angesehen. Echte Wertschätzung würden viele Mitarbeiter vermissen: „Es gibt kein echtes Zuhören. Die Intendanz meint zwar, sie würde zuhören, weil sie in Schulungen gelernt hat, wie wichtig das ist. Aber das ist nicht echt. Rhetorisch brillant, aber nicht echt.“ Oder auch: „Die oberste Führung sendet, ohne zu empfangen.“
Vermeidende Kritik- und Konfliktkultur
Weiterhin sei festzustellen, dass das Kommunikationsunternehmen NDR sich schwer damit tue, die eigene Profession nach innen anzuwenden und eine lebendige Kommunikations- und Feedbackkultur zu etablieren. Stattdessen herrsche eine vermeidende Kritik- und Konfliktkultur.
NDR-Intendant Joachim Knuth kündigte nach Erhalt des Berichts einen Kulturwandel an, bei dem sich alle festen und freien Mitarbeiter ab sofort beteiligen können.
Nichts zu „politischen Filtern”
Die Vorwürfe von „politischen Filtern” und gesteuerter Berichterstattung waren kein Bestandteil des Prüfberichtes. Diese Kritikpunkte wurden im vergangenen Jahr von zwei anderen Untersuchungen evaluiert. Die Autoren eines internen NDR-Berichts sahen keine Einflussnahme auf politische Berichterstattung. Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte, das der NDR mit einer Untersuchung beauftragt hatte, schloss sich dieser Einschätzung an.
Der interne Untersuchungsbericht des NDR-Redaktionsausschusses beurteilte dies 2021 noch anders. Der „Verdacht der politisch motivierten Einflussnahme“ sei „nicht ausgeräumt“, steht im Bericht. Darüber hinaus berichtete das Portal „Business Insider“, dass Andrea Lütke, die vom NDR-Intendanten Joachim Knuth zur „Chefaufklärerin“ ernannt worden war, selbst in einen Skandal verwickelt sei.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion