Die eherne Ministerin: Von der Leyen trotz aller Missstände für EU-Posten im Gespräch

Nach mehreren Monaten der Arbeit des Untersuchungsausschusses zur „Berateraffäre“ steigt der Druck auf Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Dazu kommen Missstände bei der Ausstattung der Bundeswehr. Ein Kommentator von n-tv rechnet mit ihrem baldigen Aus als Ministerin – doch dieses könnte anders aussehen als erwartet.
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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 1. Juli 2019

Seit März beschäftigt sich der dafür eingerichtete parlamentarische Untersuchungsausschuss des Bundestages mit der sogenannten Berateraffäre. Das Gremium soll Fragen nachgehen wie jener, ob Ministerin Ursula von der Leyen aktiv zu einer Vervielfachung der Kosten für externen Beratungsaufwand im Bundesverteidigungsministerium beigetragen hat – deren Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit in vielen Fällen infrage steht.

Während der Amtszeit von der Leyens sei eine dermaßen drastische Ausweitung des Auftragsvolumens an externe Berater zu beobachten gewesen, dass aus Sicht der Opposition der Verdacht nicht erforderlicher, unwirtschaftlicher oder gar rechtswidriger Vergaben auf der Hand liege. Es gebe aus ihrer Sicht belastbare Hinweise darauf, dass die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit in der öffentlichen Verwaltung missachtet worden sein könnten – etwa durch Vetternwirtschaft oder Auftragsvergabe ohne korrekte Ausschreibung.

Bereits in den Amtszeiten von der Leyens als Bundesfamilienministerin und Bundesarbeitsministerin hatten die Ausgaben für externe Expertisen einen erheblichen Zuwachs zu verzeichnen, in ihrer Zeit als Bundesverteidigungsministerin sei dieser jedoch besonders auffällig gewesen. Im Verteidigungsministerium war allein in den Jahren 2015 und 2016 dem Rechnungshof zufolge ein dreistelliger Millionenbetrag für externe Dienste veranschlagt worden. Demgegenüber klagte die Truppe selbst zunehmend über schwere Mängel im Bereich der Ausrüstung und Ausstattung.

„Wer das Establishment verachtet, wird sich bestätigt sehen“

Aus dem Ministerium selbst hieß es, dass allein die Bildung von Cyberkommandos gegen Hackerangriffe und andere erforderliche softwaretechnische Generalüberholungen die Ausgaben gerechtfertigt hätten. General Ludwig Leinhos sprach von einem „riesigen Handlungsbedarf“ im Bereich der Digitalisierung.

In einem Kommentar für n-tv zieht Thomas Schmoll nun eine erste Bilanz. Darin sieht er die Befürchtungen der Opposition nicht nur weithin bestätigt, das reale Ausmaß der Missstände gehe zum Teil sogar über deren Befürchtungen hinaus.

„Der Ausschuss hat in stundenlangen Sitzungen bis jeweils tief in die Nacht Fakten und Indizien hervorgebracht, die sprachlos machen und geeignet sind, Deutschland als Bananenrepublik zu diskreditieren“, bilanziert Schmoll. „Jeder, der ‚das System‘ und ‚das Establishment‘ verachtet, dürfte sich bestätigt sehen.“

Der eigentliche Skandal seien allerdings die eklatanten Missstände im Verteidigungsministerium und seiner Beschaffungsstelle. Man müsse diesbezüglich „wohl von einem kollektiven Versagen sprechen“. Die Angelegenheit werde zusätzlich noch dadurch pikanter, dass es einzelne Akteure und Abteilungen des Ministeriums bis dato mit Bravour schaffen, Fragen nach konkreter Verantwortung und juristischer Prüfung von sich weg und an andere Stellen weiter zu verschieben – was diese dann ihrerseits ähnlich handhaben. „Das Verteidigungsministerium steckt offenbar voller ignoranter Bürokraten, die tun, was man ihnen von oben sagt“, schreibt Schmoll.

Von der Leyen soll politische Verantwortung übernehmen

Eine tatsächlich strafrechtlich fassbare Fehlleistung zeichnet sich nach Einschätzung von n-tv bislang jedoch nicht ab. Zur Korruption fehle es beispielsweise daran, dass für bestimmte umstrittene und möglicherweise heikle Auftragsvergaben kein Geld geflossen sei:

„Dass ein Karrierist wie [Accenture-Manager Timo] Noetzel private Kontakte [etwa zur früheren Staatssekretärin Katrin Suder] nutzt, um seiner Firma (die in der Bundeswehr übrigens für ihr Tun als IT-Servicedienstleister hochgelobt wird) millionenschwere Aufträge zu beschaffen, mag moralisch verwerflich sein. Ein Rechtsbruch ist es nicht.“

Manchmal habe es zudem schlicht an Problembewusstsein gefehlt.

Schmoll hält es für „schwer vorstellbar“, dass „von der Leyen die Affäre politisch übersteht und Ministerin bleibt“. Persönlich sei ihr wohl kein Vorwurf in dem Sinne zu machen, dass sie die mutmaßlichen Kungeleien billigte. Sie habe das Versagen jedoch politisch zu verantworten. Dies gelte umso mehr, als sie bis dato nie auch nur disziplinarische Maßnahmen gegen belastete Mitarbeiter ihres Ministeriums gesetzt habe.

Kuhhandel um Timmermans und Weber muss vorher stehen

Der n-tv-Kommentator könnte, was den Verbleib von der Leyens im Ministeramt anbelangt, Recht behalten – allerdings wohl nicht in der Weise, wie er sich das vorgestellt hätte. Wie der „Focus“ berichtet, könnte von der Leyen schon bald nach Brüssel weggelobt werden. So könnte sie Federica Mogherini als Hohe Beauftragte der EU für Außenpolitik beerben.

Aus zwei voneinander unabhängigen diplomatischen Quellen habe es geheißen, von der Leyen sei durch ihre Tätigkeit als Verteidigungsministerin international erfahren, spreche mehrere Sprachen und kenne sich in Brüssel gut aus. Allerdings gebe es eine Bedingung für diese Personalentscheidung: Der Kuhhandel zwischen den beiden größten Fraktionen im Europäischen Parlament, wonach SPE-Kandidat Frans Timmermans EU-Kommissionspräsident und EVP-Kandidat Manfred Weber Parlamentspräsident werden sollte, müsse zuvor stehen.

 



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