Deutschlands neues Selbstbestimmungsgesetz spaltet die Gemüter

In 25 Ländern weltweit haben am Montag insgesamt mehrere hundert Frauen gegen das deutsche Selbstbestimmungsgesetz demonstriert. Dieses hat am 1. November das bisherige Transsexuellengesetz abgelöst. Für die Bundesregierung ist das Gesetz ein Fortschritt, Kritiker sehen Fraueninteressen als gefährdet.
(Symboldbild)
(Symboldbild).Foto: Jacob Schröter/dpa
Von 6. November 2024

Seit Freitag, 1. November, ist in Deutschland das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) in Kraft getreten. Dieses ersetzt das zuvor seit 1980 in Kraft befindliche Transsexuellengesetz. Sein Ziel ist es laut Bundesregierung, „transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nichtbinären Menschen“ eine Änderung des Geschlechtseintrags zu erleichtern. Gleiches gilt für den Vornamen.

Aus Sicht des Gesetzgebers bestand dringender Bedarf, das Selbstbestimmungsgesetz zu schaffen. Die Anmeldezahlen für einen geänderten Geschlechtseintrag bei den Standesämtern im Vorfeld des 1. November liege zwischen 6.000 und 15.000. Diese Zahlen nennt die Bundesregierung selbst. Eine Änderung des Geschlechtseintrags muss drei Monate vor dessen Durchführung angemeldet werden. In München und Köln sollen für den ersten Monat des Inkrafttretens je 300 Termine vereinbart worden sein.

Selbstbestimmungsgesetz soll Sportbewerbe oder Frauengefängnisse für biologische Männer öffnen

Unterdessen haben anlässlich des Inkrafttretens des Selbstbestimmungsgesetzes mehrere hundert Frauen in 25 Ländern weltweit vor deutschen Botschaften gegen dieses demonstriert. Zu Kundgebungen kam es unter anderem vor den Botschaften in England, Dänemark und Neuseeland. Unter Hashtags wie #WomenRise oder #SelfIDHarms hatten Gruppen, die sich selbst dem Feminismus zuordnen, zu den Kundgebungen aufgerufen.

Sie befürchten negative Auswirkungen für biologische Frauen, die sich aufgrund einer einfacheren Geschlechtszuordnung durch Transfrauen ergeben könnten. Als Beispiele werden dabei Sportwettbewerbe, Justizvollzugsanstalten oder öffentliche Sanitäreinrichtungen genannt. Diese, so die Befürchtung, stünden künftig auch Transfrauen offen – und potenziell Männern, die das Selbstbestimmungsgesetz als Vorwand nutzen könnten, um sich Zutritt zu erzwingen.

Weitere Bedenken beziehen sich auf eine mögliche Zensur durch Strafdrohungen wegen „Misgenderns“ oder ähnlicher Handlungen. Auch befürchtet man eine Erleichterung des Zugangs von Minderjährigen zu Hormonpräparaten oder Operationen zur Geschlechtsumwandlung. Diese könnten, so die Befürchtung, auch verstärkt gegen den Willen der jeweiligen Eltern erzwungen werden.

Massive Kritik auf X – Bedenken auch bei UN-Sonderberichterstatterin

Auf X überwiegen mit großer Mehrheit ablehnende Stellungnahmen zum Selbstbestimmungsgesetz – wobei diese nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sein müssen. So sieht der Pyrotechnikkünstler David Domjahn in den neuen Regelungen einen Verrat an Fraueninteressen:

„Der liberale/intersektionale Feminismus hat damit seine Bankrotterklärung in Bezug auf Frauenrechte erklärt, indem er vor den Machtinteressen von Männern eingeknickt ist.“

Selbst vonseiten der UNO-Sonderberichterstatterin zu Gewalt gegen Frauen, Reem Alsalem, gibt es Kritik. Das Selbstbestimmungsgesetz, so ihre Position, habe es verabsäumt, sich mit den möglichen Auswirkungen auf Frauen und Mädchen zu beschäftigen.

Andere Stimmen weisen darauf hin, dass Männer mit entsprechenden Absichten in der Praxis nicht darauf angewiesen seien, sich Möglichkeiten zum sexuellen Missbrauch erst zu schaffen. Diese würden sie auch ohne den Umweg über einen amtlichen Geschlechtseintrag finden.

Bundesregierung weist Vorwürfe zurück

Die Bundesregierung bestreitet, dass es Konsequenzen dieser Art geben könne. Was das sogenannte „Deadnaming“ oder „Misgendern“ betreffe, sei dieses überhaupt nicht Gegenstand des Gesetzes. Dieses verbiete lediglich eine Offenbarung eines früheren Namens oder einer früheren Geschlechtszugehörigkeit zum Nachteil des Betroffenen. Ausnahmen gibt es im Fall eines „besonderen öffentlichen Interesses“ oder im Fall eines rechtlichen Interesses.

Allerdings könne das permanente Ansprechen von Personen mit Vornamen oder Geschlechtsanreden, die einer abgelegten Identität zuzuordnen seien, ebenfalls Konsequenzen haben. Dies sei dann denkbar, wenn dieses das Ausmaß des Mobbings, der Nachstellung, der Beleidigung oder gar Körperverletzung annehme. Allerdings sei dies eine Sache des allgemeinen Strafgesetzbuches und habe mit dem Selbstbestimmungsgesetz nichts zu tun.

Was den Justizvollzug anbelange, sei dies Ländersache. Es gelte grundsätzlich der Grundsatz der Geschlechtertrennung, einige Länder hätten bereits Gesetze erlassen. Andere arbeiteten noch an solchen. Vom Grundgesetz geschützte Individualrechte seien dabei gegen Schutzinteressen anderer Personen abzuwägen.

Selbstbestimmungsgesetz ändert nichts an Vertragsfreiheit und Hausrecht

Es werde auch keine Verpflichtung geben, Transfrauen allein aufgrund ihres Geschlechtseintrags Zugang zu Frauenfitnesscentern, Frauentoiletten oder Frauenmannschaften im Sport Zugang zu gewähren. Durch das Selbstbestimmungsgesetz ändere sich nichts an der derzeitigen Gesetzeslage und damit an der Relevanz von Verbandsstatuten, der Vertragsfreiheit oder dem Hausrecht.

Es dürfe lediglich keine nach dem AGG untersagte Diskriminierung ausschließlich aufgrund der Geschlechtsidentität erfolgen. Ungleichbehandlungen müssten jeweils rechtlich relevanten Interessen wie dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung tragen.

Was die Geschlechtseintragung von Minderjährigen zwischen 14 und 18 Jahren anbelangt, bleibt diese von einer Zustimmung vonseiten der Eltern abhängig. Sollte im Einzelfall eine abweichende Regelung im Sinne des „Kindeswohls“ geboten sein, wäre eine Ersetzung der Zustimmung durch das zuständige Gericht möglich.

Transsexuellengesetz wurde mehrfach durch Karlsruhe beanstandet

Das Bundesverfassungsgericht hatte mehrere Bestimmungen des bisherigen Transsexuellengesetz als verfassungswidrig eingestuft. Bis 2011 war mindestens eine Sterilisation oder die Vornahme geschlechtsangleichender Maßnahmen erforderlich, um einen Geschlechtseintrag ändern lassen zu können. Dies wertete Karlsruhe als Eingriff in Menschenwürde, Entfaltungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit.

Ebenso war es verfassungswidrig, dass verheiratete Personen ihre Ehe auflösen mussten, um eine rechtliche Anerkennung ihrer neuen Geschlechtszugehörigkeit zu erwirken. Dazu kam im Vorfeld einer solchen Anerkennung bis zuletzt die Verpflichtung, zwei Sachverständigengutachten und eine gerichtliche Entscheidung vorzulegen. Neben der von Betroffenen als demütigend und von vielen Begutachtenden als sinnarm empfundenen Prozedur verursachte dies oft Kosten in vierstelliger Höhe.

Die Bundesregierung geht nicht davon aus, dass das Selbstbestimmungsgesetz zu einer Inflation willkürlicher Geschlechtsänderungsanträge führen werde. Dies werde durch die Wartezeit von mindestens einem Jahr bis zu einer möglichen weiteren Änderung gewährleistet – vor allem aber durch die praktischen Konsequenzen.

Im Kriegsfall bleibt ein biologischer Mann ein Mann

Die in der Praxis regelmäßig erforderliche Änderung von Identitätsdokumenten, Zeugnissen oder Registereinträgen muss einzeln beantragt werden. Dies führt zu einem enormen Zeitaufwand und ist mit Gebühren verbunden.

Mit Blick auf den Krieg möchte man Transpersonen hingegen keinen Vertrauensvorschuss entgegenbringen. Hier bleibt „vorübergehend die rechtliche Zuordnung zum männlichen Geschlecht bestehen, wenn eine Änderung des Geschlechtseintrags in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Spannungs- oder Verteidigungsfall erfolgt“.



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