Deutschland: Nur selten Beschwerden gegen Polizeibeamte wegen Rassismus
In Nordrhein-Westfalen wurde vor wenigen Monaten von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) verfügt, dass ein Extremismusbeauftragter in jeder Polizeibehörde zu ernennen ist. Dabei stellte sich heraus, dass es bei über 4,8 Millionen Einsätzen im Jahr 2018 zu 4.149 Beschwerden kam. 281 davon waren begründet, 354 teilweise begründet. In NRW arbeiten rund 50.000 Beschäftigte bei der Polizei.
„Die Gesamtzahl der Beschwerden 2018 ist gegenüber dem Vorjahr um rund 2 Prozent zurückgegangen“, heißt es in dem Bericht. Das Beschwerdeaufkommen 2016 bis 2018 stellt sich grafisch wie folgt dar:
14 Beschwerden in Hamburg, 3 in Schleswig-Holstein und 17 in Rheinland-Pfalz
Bei der Polizei Hamburg gingen 2019 insgesamt 14 Beschwerden mit Rassismusbezug ein, 2018 waren es acht. Nach der Prüfung wurde in beiden Jahren je eine Beschwerde als berechtigt bewertet. „Es erfolgten Kritikgespräche, die zu einem Eintrag in die Personalakte führten“, teilte die Hamburger Innenbehörde mit.
In Schleswig-Holstein gab es 2018 „drei Disziplinarverfahren wegen Verhaltensweisen, die als fremdenfeindlich, rassistisch oder rechtsextremistisch motiviert eingestuft wurden“. In zwei Fällen gab es Verweise, im dritten Fall eine Entlassung. 2019 gab es vier vergleichbare Vorfälle, wovon drei Verfahren noch nicht abgeschlossen sind. Ein Verfahren endete, weil der Beamte aus einem anderen Sachgrund entlassen wurde.
Die Polizeibehörden in Rheinland-Pfalz registrierten 2019 und 2018 jeweils 17 Beschwerden. „In keinem der Fälle konnte ein Fehlverhalten der eingesetzten Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamten begründet werden“, teilte das Innenministerium in Mainz mit.
Berlin: 14 Beschwerden im Jahr 2019, 21 im Jahr 2018
In Berlin gab es nach Auskunft der Polizei 14 Beschwerden im Zusammenhang mit Rassismus im Jahr 2019 und 21 für 2018. Teilweise dauert die Überprüfung noch an. Zu Konsequenzen konnte die Polizei keine Angaben machen.
In Sachsen ging 2019 bei der Polizeidirektion Görlitz eine Rassismus-Beschwerde ein, wobei sich der Vorwurf bei der Überprüfung demnach als nicht haltbar erwies. Beim Beamten wurde lediglich der „unhöfliche Umgang“ moniert. Eine andere Beschwerde bei der Bereitschaftspolizei führte hingegen zu einer Strafanzeige und gleichzeitig einem Disziplinarverfahren gegenüber einen Polizeimeisteranwärter. Der Beamte wurde zwischenzeitlich aus dem Beamtenverhältnis entlassen.
2018 wurde wegen rassistischer Äußerungen eines Anwärters in einem WhatsApp-Chat ein Disziplinarverfahren eingeleitet und das Beamtenverhältnis aufgelöst. Ein anderer Anwärter hatte einen Hinweis gegeben. Bei einer Überprüfung zwei weiterer ähnlicher Vorwürfe in diesem Zusammenhang gab es „keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von rassistischen und antisemitischen Tendenzen“, wie das Innenministerium in Dresden erklärte.
Weitere Bundesländer
In Sachsen-Anhalt wurde 2019 lediglich in einer Polizeibehörde eine Dienstaufsichtsbeschwerde wegen rassistischer Diskriminierung aktenkundig. Der Vorwurf bestätigte sich nicht. Das Innenministerium in Magdeburg erwähnte zudem, in jüngster Vergangenheit begann gegen vier Bedienstete des Polizeivollzugsdienstes wegen des Verdachts auf Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene ein Disziplinarverfahren. Drei Polizisten seien aus dem Beamtenverhältnis entlassen worden.
In Thüringen gingen 2019 zwei Beschwerden ein. 2018 waren es vier. Die Vorwürfe erwiesen sich den Angaben zufolge in keinem Fall als haltbar. Das Saarland meldete jeweils eine Beschwerde in 2019 und 2018 gegen mehrere Beamte, die nach Untersuchungen als nicht problematisch eingestuft wurden.
In Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern sind keinerlei Beschwerden für 2019 und 2018 bekannt. Hessen machte keine Angaben.
Rassismus-Aufklärung bei der Polizei
In der Aus- und Weiterbildung nimmt die Aufklärung über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit einen wichtigen Stellenwert ein. Das teilten alle Innenministerien mit. Kritik gab es insoweit laut „Welt“ von Thomas Feltes, Rechtsprofessor der Ruhr-Universität Bochum.
Nach seiner Auffassung würden die Polizeiausbilder und Vorgesetzten in der Praxis diesem Anspruch zu wenig gerecht. Das beträfe vor allem Bundesländern, in denen es an Nachwuchs mangele. Es habe sich eine Subkultur gebildet, erklärte er:
Man schwärzt niemanden an, sonst hat man ein ziemlich schlechtes Standing in der Polizei, wird gemobbt und seines Lebens nicht mehr froh. Bei Prozessen hält man dann als Zeuge den Mund.“
Zu dieser Aussage äußerte sich Benjamin Jendro, Pressesprecher der Gewerkschaft der Polizei in Berlin gegenüber der Epoch Times. Er sagte: „Herr Feltes wird als renommierter Wissenschaftler wissen, warum er eine solche Aussage trifft und diese sicher auch belegen können.“ Rassismus sei auch im Jahr 2020 leider noch immer „ein tief in unserer Gesellschaft verankertes Problem, das wir gemeinsam bekämpfen müssen“. Es wäre insoweit vermessen zu sagen, dass die Berliner Polizei hier nicht noch besser werden könne. Jendro bezeichnete es allerdings als „anmaßend“, den Kollegen Qualität abzusprechen. Bezüglich der „pauschalisierenden Aussagen“ über Subkulturen lud der GdP-Sprecher den Wissenschaftler ein, sich ein Bild vor Ort machen. „Die Welt ist weder schwarz noch weiß, sie ist bunt“, sagte Jendro.
Was zählt als Beschwerde?
„Beschwerden“ sind laut Beschwerdebericht der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen 2018 „Äußerungen von Unzufriedenheit, die auf negativ empfundene Verhaltens- bzw. Verfahrensweisen oder Zustände im polizeilichen Kontext hinweisen“.
Davon abzugrenzen seien
- förmliche Rechtsbehelfe (Widerspruch, verwaltungsgerichtliche Klagen),
- zivilrechtliche Angelegenheiten (z. B. Schadensersatz, Unterlassung),
- disziplinarrechtliche und/oder strafrechtliche Angelegenheiten sowie
- sonstige Eingaben und Petitionen.
Beschwerden könnten jederzeit formlos – schriftlich, mündlich oder über das Internet – vorgebracht werden. Die Erfassung der in den Polizeibehörden eingehenden Beschwerden erfolgt in den Direktionen „Zentrale Aufgaben“ bzw. in den „Zentralabteilungen“ der Landesoberbehörden, erklärt die Polizei.
Die Beschwerdesachbearbeitung werde dabei personell und organisatorisch getrennt von der Bearbeitung von Disziplinarangelegenheiten wahrgenommen. Grundsätzlich sei die Polizeibehörde für die Bearbeitung zuständig, deren Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter betroffen sind.
Abgabe des Beschwerdefahrens
Für den Fall, dass die bzw. der Beschwerdeführende mit der Bearbeitung der Beschwerde nicht zufrieden sei oder es sich um eine Beschwerde von herausgehobener Bedeutung handele, werde der Vorgang von den Kreispolizeibehörden der fachlich zuständigen Landesoberbehörde vorgelegt.
Beschwerden, die direkt im Ministerium des Innern eingehen, werden von dort grundsätzlich an die zuständige Landesoberbehörde zur eigenverantwortlichen Erledigung weitergegeben. Die Einsenderin bzw. der Einsender der Beschwerde erhalte in all diesen Fällen eine Abgabenachricht.
Wegen des in vielen Fällen erheblichen Eingriffscharakters polizeilicher Maßnahmen und der häufig konfliktbeladenen Rahmenbedingungen seien sich Polizeibedienstete oftmals mit Beschwerden hinsichtlich der von ihnen ergriffenen Maßnahmen konfrontiert.
Eine zügige, sachgerechte und verantwortungsvolle Bearbeitung der Beschwerden helfe dabei, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei zu stärken. Es schaffe Transparenz und trage zur Konfliktbewältigung oder -minderung bei. (dts/sua)
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