Deutsche Politiker sind skeptisch: Das europäische Problem ist kein Mangel an Institutionen

Bei deutschen Politikern sind die Reaktionen auf Macrons Vorschläge durchwachsen. Die SPD schlägt eine Art Grundwerte-TÜV vor, Norbert Röttgen (CDU) kritisiert sowohl die Methode als auch die Inhalte. Die CSU meint "Drei Viertel der Vorschläge können wir unterschreiben."
Titelbild
Frankreich und Deutschland sind sich einig – zumindest manchmal. Im Hintergrund die Stadt Ortenau im Elsass.Foto: iStock
Epoch Times5. März 2019

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen (CDU), ist auf Distanz zu dem neuen europapolitischen Vorstoß von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron gegangen. „Ich kritisiere sowohl Macrons Methode, als auch seine inhaltlichen Vorstellungen“, sagte Röttgen dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“.

„Es ist die Methode des Sammelsuriums, bei der viele Überschriften geliefert werden, die mehr Fragen aufwerfen als Antworten zu geben.“ Überall und an jeder Stelle sei nach Macrons Darstellung Europa gefordert.

Das europäische Problem ist nicht ein Mangel an Institutionen

„Das halte ich für falsch. Statt Sammelsurium brauchen wir Fokussierung. Es muss genau beschrieben werden, wo Europa Fortschritt bedeutet und wie dieser Fortschritt erreicht werden kann“, so Röttgen. Macrons Ideen seien zu unkonkret. „Es bleibt unklar, was die Vorschläge bedeuten.“ So sei der Vorschlag einer europäischen Hackeragentur zu vage.

Die Vorschläge seien „durchgehend sehr französisch geprägt und viel zu sehr im Sinne von mehr Staat“, kritisierte Röttgen:

Er schlägt für nahezu jedes Problem, das er identifiziert, einen neuen Rat, eine neue Agentur oder eine neue Institution vor. Ich bezweifle aber, dass Europas Problem ein Mangel an Institutionen und Gremien ist und dass mehr Gremien in Europa die Lösung darstellen.“

Stattdessen mahnte Röttgen konkrete Schritte an. So sei „ein europäisches 5G-Mobilfunknetz viel plausibler als nationale Lösungen“. Dabei könnten „Deutschland und Frankreich und andere“ vorangehen: „Das wäre als Gemeinschaftswerk für die europäischen Bürger erlebbar.“

Der Macron-Vorstoß habe dennoch den Erwartungsdruck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine eigene Positionierung erhöht, so Röttgen weiter. Merkel müsse sich zwar „in der Form nicht ähnlich“ positionieren. „Aber ich fände es positiv, wenn jetzt andere Vorschläge kommen, wie man sich Europa vorstellt, auch aus Deutschland“, sagte der CDU-Politiker.

SPD schlägt eine Art „Grundwerte-TÜV“ vor

Auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), forderte eine rasche Reaktion auf Macrons Vorschläge: Er freue sich auf die Diskussion mit den französischen Freunden. „Wir sollten sie nicht warten lassen“, sagte Roth dem RND. Macron sei ein „mutiger Kämpfer, der die europapolitische Arena nicht den Nationalisten und Populisten überlässt. Von dieser Haltung könnte sich manche und mancher in der EU eine Scheibe abschneiden.“

Roth nannte es richtig, dass der französische Präsident dem Schutz der Bürger Europas eine zentrale Rolle einräumt. Außerdem habe er die sozialdemokratische Idee aufgegriffen, eine soziale Grundsicherung überall in der EU einzuführen.

Er vermisse allerdings eine Antwort auf die Infragestellung des Wertefundaments im Inneren der EU, so Roth:

Wir müssen in allen Mitgliedstaaten die Lage von Rechtsstaatlichkeit und Grundwerten regelmäßig überprüfen. Ich schlage dafür eine Art Grundwerte-TÜV vor.“

Vize der CSU zeigt sich zufrieden

Anders als Röttgen zeigte sich der Vize-Generalsekretär der CSU, Florian Hahn, zufrieden mit Macrons Vorschlägen: „Das geht inhaltlich in die richtige Richtung“, sagte Hahn dem RND.

Drei Viertel der Vorschläge können wir unterschreiben. Das gilt zum Beispiel für die europäische Asylbehörde und für die Hackeragentur, die bei uns Cyberbrigade heißt. Beim Mindestlohn sind wir anderer Ansicht: Eine übergreifende europäische Lösung macht da keinen Sinn.“

FDP: Macron nicht wieder im Regen stehen lassen

Für die FDP-Bundestagsfraktion warnte deren außenpolitischer Sprecher Bijan Djir-Sarai die Bundesregierung, Macron „erneut im Regen stehen zu lassen, wie sie es im letzten Jahr tat“.

Er fügte aber hinzu, dass die Liberalen „nicht alle Vorschläge teilen“. Das gelte etwa für „Macrons Vorstoß zu einem EU-weiten Mindestlohn oder einer europäischen Grundsicherung“.

Linke fordert Gleichstellung von sozialen Rechten mit den Privilegien der Wirtschaft

Der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger warf Macron vor, falsche Schwerpunkte zu setzen: „Europa geht nur solidarisch –- die EU muss von Grund auf sozial werden, oder sie ist zum Scheitern verurteilt“, sagte Riexinger dem RND.

Die sozialen Rechte und der Schutz der Umwelt müssen rechtlich gleichgestellt werden mit den Privilegien der Wirtschaft und des Kapitals.“

Neben EU-weiten verbindlichen Sozialstandards braucht es laut dem Linken-Chef den Willen, die Profite denen zukommen zu lassen, die sie ermöglichen: „den Beschäftigten und der Umwelt“, so Riexinger. „Die umfassende Besteuerung von Konzernen und Vermögenden ist dafür entscheidend.“

Der Linken-Vorsitzende kritisierte zudem Macrons Vorschläge gegen den sich verstärkenden Nationalismus in Europa: „Macron will den Vormarsch von Nationalisten wie Viktor Orbán stoppen. Durch Stacheldraht an den Außengrenzen und Grenzsoldaten gegen Geflüchtete? Wer das ernsthaft als europäische Antwort gegen rechte Hetze und soziale Ungleichheit anbietet, hat die viel zitierten europäischen Werte von Humanität, Demokratie und Freiheit nicht verinnerlicht“, beklagte Riexinger.

Sevim Dagdelen, Außenpolitikerin der Linke-Bundestagsfraktion, sagte der „Welt“, Macrons Vorschläge würden „die Krisen der Europäischen Union noch vertiefen“. Es sei eine „gefährliche Illusion“ zu glauben, „mit einer Erhöhung der Militärausgaben die Europäische Union zusammenzuhalten“. Die von Macron „beschworene Aufrüstung“ sei

ein Angriff auf ein soziales Europa. Europa wird sozial und friedlich sein oder es wird nicht sein.“

(dts)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion