Notenbanken: Deutsche Politik fordert Aufklärung
Die Europäische Zentralbank hatte das Regelwerk für die sogenannten ANFA-Portfolien am Freitagabend publiziert: "Es ist der erste positive Schritt, dass die EZB die ANFA-Portfolien offen gelegt hat", sagte Carsten Schneider, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der "Welt".
Der Vertrag erläutert, wie sich der Spielraum für nationale Wertpapiergeschäfte grundsätzlich berechnet, ohne dass genaue Zahlen genannt würden.
"Jetzt ist allerdings noch eine stärkere Transparenz bei den nationalen Notenbanken nötig. Vor allen bei jenen, die in Krisenzeiten ihre Volumina deutlich erhöht haben."
Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, kritisiert das Tempo der gesamten Aufklärungsarbeit. Die Veröffentlichung des Abkommens durch die EZB sei überfällig gewesen. "Die EZB hat immer noch nicht verstanden, dass sie ihrer zentralen Rolle für die Stabilität der Eurozone nur gerecht werden kann, wenn sie über eine adäquate Transparenzpolitik verfügt", sagte Schick der "Welt".
Er sieht den Ball nun bei den nationalen Notenbanken: "Sie müssen die Aufteilung ihrer Portfolios offenlegen und starke Veränderungen gegenüber der Öffentlichkeit erklären."
Die Spielräume für nationale Wertpapiergeschäfte werden von den einzelnen Notenbanken des Euro-Systems in höchst unterschiedlichem Ausmaß genutzt. Besonders stark hatten beispielsweise die Notenbanken Frankreichs, Italiens und Irlands ihre Portfolien ausgebaut.
Weniger streng gab sich die Unionsfraktion im Bundestag. "Die Veröffentlichung ist ein eindeutiges Mehr an Transparenz. Das ist gut", sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs. Deshalb freue er sich über den Beschluss des EZB-Rats, das ANFA-Abkommen zu veröffentlichen.
"Dass eine Veröffentlichung der jeweiligen konkreten Obergrenzen für einzelne Notenbanken nicht erfolgt, erklärt sich wohl aus der Sorge heraus, dass gegen Notenbanken ansonsten systematisch spekuliert werden könnte."
In der Wissenschaft sieht man jedoch auch jenseits dieser Obergrenzen noch Aufklärungsbedarf. "Trotz der Veröffentlichungen der EZB bleiben zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit ANFA offen", sagte der Berliner Finanzwissenschaftler Daniel Hoffmann, dessen Dissertation zu den Veränderungen in den Notenbankbilanzen den Stein ins Rollen gebracht hatte.
"So fehlt beispielsweise nach wie vor eine Erklärung dafür, warum die Banque de France und die Banca d`Italia ihre Wertpapierbestände in den Jahren 2007 bis 2009 so rapide ausgeweitet haben." Außerdem sei nach wie vor nicht bekannt, ob Staatsanleihen oder gar Aktien gekauft wurden und, wenn ja, in welcher Zusammensetzung.
Die EZB hatte lediglich den Gesamtbestand der nationalen Wertpapierportfolien veröffentlicht. Diese sogenannten Netto-Finanzanlagen summierten sich Ende des Jahres 2015 auf 490 Milliarden Euro. Allerdings war der Bestand wenige Monate zuvor noch deutlich größer: Der Jahreshöchstwert wurde am 1. Mai mit 566 Milliarden Euro erreicht, wie eine Aufstellung Hoffmanns zeigt. Noch Anfang September hielten die nationalen Notenbanken Netto-Finanzanlagen von 559 Milliarden Euro. (dts)
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