Deutsche fürchten instabile Regierung nach Winterwahlkampf

Die Deutschen blicken mit wachsender Sorge auf die politische Zukunft: Laut aktuellem Deutschlandtrend fürchten 59 Prozent eine instabile Regierung nach der nächsten Bundestagswahl. Gleichzeitig zeigt die Umfrage eine tiefe Skepsis gegenüber allen Kanzlerkandidaten und zunehmende Unzufriedenheit mit der politischen Landschaft.
Nach dem Bundestag muss noch der Bundesrat der Finanzierung des Tickets für 2025 zustimmen.
Viele Deutsche haben die Sorge, nach der Bundestagswahl eine instabile Regierung zu bekommen.Foto: Christoph Soeder/dpa
Von 21. Dezember 2024

Mit Sorge blicken die Deutschen auf den Winterwahlkampf und die nächste Bundestagswahl. Das ist das Ergebnis des aktuellen Deutschlandtrends, den Infratest dimap im Auftrag von ARD-„Tagesthemen“ und Welt“ erhoben hatte. So machen sich 59 Prozent der Befragten „große“ oder „sehr große Sorgen“, dass „wir nach der Bundestagswahl keine stabile Regierung bekommen“. Damit ist die Angst der Deutschen vor einer nicht stabilen Regierung nach dem 23. Februar gestiegen. Vor der letzten Bundestagswahl im Jahr 2021 war die Angst noch neun Prozent niedriger.

Skepsis gegenüber allen Kanzlerkandidaten

Skepsis herrscht bei den Deutschen offenbar auch gegenüber den Kanzlerkandidaten. Gefragt wurde hier nach Friedrich Merz, Olaf Scholz und Robert Habeck. Keiner der drei Kandidaten kann ein Drittel der Menschen für sich begeistern. Den CDU-Kandidaten Friedrich Merz halten 28 Prozent für einen guten Kanzler, dicht gefolgt von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit 27 Prozent.

Den geschäftsführenden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der am Montag die Vertrauensfrage im Bundestag wunschgemäß verloren hatte, wünschen sich nur 19 Prozent nach dem 23. Februar wieder als Bundeskanzler. Die AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel wünschen sich 17 Prozent nach der Wahl tatsächlich in diesem Amt.

Wenn am kommenden Sonntag der Bundestag gewählt werden würde, würde sich der Bundestag erheblich verändern. Es wären dann nur noch vier Fraktionen vertreten, statt bei der Wahl 2021 fünf Fraktionen und seit dem Auseinanderbrechen der Linksfraktion vier Fraktionen und zwei Gruppen.

Union stärkste Kraft – FDP verliert weiter an Zustimmung

Laut Deutschlandtrend wäre die Union mit 33 Prozent stärkste Kraft im Bundestag. Mit 19 Prozent wäre die AfD mit erheblichem Abstand zur Union zweitstärkste Kraft im Parlament. SPD und Grüne lägen mit 14 Prozent gleichauf. Bei der letzten Bundestagswahl erhielten die Grünen 14,7 Prozent der Stimmen und sind in der Umfrage damit etwa im gleichen Bereich. Für die SPD wäre es aber ein großer Absturz. 2021 votierten noch 25,7 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Sozialdemokraten.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sieht die Umfrage bei fünf Prozent. Damit gelänge der neu gegründeten Partei sehr knapp der Einzug.

Die FDP muss weiter um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen. Der Deutschlandtrend sieht die Liberalen bei drei Prozent, was nicht reicht. Ebenfalls bei drei Prozent liegen auch die Linken. Sollte es ihnen nicht gelingen, drei Wahlkreise zu gewinnen und damit über das Grundmandat in den Bundestag einzuziehen, wäre ihnen der Wiedereinzug verwehrt.

Im Vergleich zum Deutschlandtrend Anfang Dezember haben Union und AfD jeweils einen Prozentpunkt zugelegt. Die SPD hat zwei Prozentpunkte nachgegeben, und auch die FDP ist einen Prozentpunkt schwächer als noch am Monatsbeginn. Grüne und Linke verharren bei ihren Werten.

Schwarz-Rot beliebtestes Koalitionsmodell

Mit Blick auf die Regierungsbildung und die Koalitionen wünscht sich jeder dritte Befragte eine Führungsrolle der CDU und CSU in der neuen Bundesregierung. Nur 15 Prozent wünschen sich, dass die SPD die zukünftige Bundesregierung anführt. Eine Regierung unter AfD-Führung wünschen sich 13 Prozent der Befragten. Dahinter liegen die Grünen: Nur zehn Prozent können sich eine von ihnen geführte Bundesregierung vorstellen, was ein Widerspruch zu den Kanzlerwerten ihres Spitzenkandidaten Habeck darstellt.

Um eine stabile Regierung zu sichern, müsste sich die Union aller Voraussicht nach zwischen einer Koalition mit der SPD oder den Grünen entscheiden. Im Deutschlandtrend bevorzugen 29 Prozent der Befragten eine Koalition zwischen der Union und der SPD. Im Vergleich dazu unterstützen 19 Prozent der Befragten ein Bündnis zwischen der Union und den Grünen. Eine Zusammenarbeit mit der AfD sehen 15 Prozent der Befragten als wünschenswert an, während die FDP von 12 Prozent der Befragten als passender Koalitionspartner angesehen wird.

Innerhalb der Union selbst zeigt sich ebenfalls ein vielfältiges Bild: Ein gutes Drittel der Parteimitglieder spricht sich für eine Rückkehr zur schwarz-roten Koalition aus, ein Viertel bevorzugt eine schwarz-gelbe und ein Sechstel eine schwarz-grüne Zusammenarbeit. Die AfD wird lediglich von fünf Prozent der Unionsanhänger als Koalitionspartner präferiert.

Sorge der Deutschen wächst

Diese Umfrageergebnisse sind Teil eines größeren Trends. Viele Deutsche begrüßen zwar das Ende der sogenannten Ampel-Regierung, doch zweifeln sie daran, dass eine neue Koalition wesentliche Verbesserungen bringen wird. Aktuell profitiert die Union nicht von einem charismatischen Kandidaten, sondern eher von dem angeschlagenen Ruf des amtierenden Kanzlers Scholz, dem es nicht gelungen ist, eine positive Trendwende zu erzielen.

Die Probleme, die die Deutschen umtreiben, sind keineswegs neu. Neben ökonomischen Sorgen und der Sehnsucht nach einer stabilen Regierung richtet sich der Blick besorgt nach Osten. 65 Prozent der Bürger fürchten, dass Russland sein militärisches Engagement in Europa ausweiten könnte, und 61 Prozent sorgen sich, dass Deutschland in den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hineingezogen wird.

Gleichzeitig wächst die Zahl derer, die eine Abtretung ukrainischer Gebiete für ein Kriegsende als notwendig ansehen, stark. Dem Satz „Für eine Beendigung des Krieges wird es nötig sein, dass die Ukraine gewisse Gebiete an Russland abtritt“ stimmen 59 Prozent zu – ein Zuwachs um neun Punkte im Vergleich zum Januar dieses Jahres.

Ein weiteres Sorgenthema bleibt die Migration: 59 Prozent der Befragten befürchten, dass „der Einfluss des Islam in Deutschland zu stark wird“ und 52 Prozent, dass „zu viele Fremde nach Deutschland kommen“.



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