Mangelndes Vertrauen in Staat – Deutsche blicken ängstlich in die Zukunft
Zwei Drittel der Deutschen blicken einer Studie zufolge ängstlich in die Zukunft. Mangelndes Vertrauen in Staat und Institutionen sowie die Angst vor gesellschaftlicher Spaltung forcieren demnach einen Rückzug ins Private.
Gleichzeitig wachse bei einem Teil der Bevölkerung aber auch die Bereitschaft, allein oder mit Gleichgesinnten für eine lebenswerte Zukunft tätig zu werden. Das sind Erkenntnisse einer repräsentativen und tiefenpsychologischen Untersuchung des Kölner Rheingold-Instituts in Zusammenarbeit mit der Stiftung für Philosophie Identity Foundation in Düsseldorf.
Vertrauen in die Zukunft ist erschüttert
Schwere Krisen hätten das Vertrauen in die Zukunft fundamental erschüttert, sagte Rheingold-Gründer Stephan Grünewald. Die größte Zukunftsangst betrifft demnach den Klimawandel mit seiner fortschreitenden Polarisierung und dem Auseinanderdriften der Gesellschaft. Das während der Corona- und Klimakrise erlebte Regierungshandeln sei als unzulänglich erlebt worden.
61 Prozent stimmen der Studie zufolge dem Satz zu „Deutschland steht vor einem Niedergang“, 88 Prozent der These „Durch Krisen wie Corona und den Klimawandel stehen uns drastische Veränderungen bevor“. Viele Bürgerinnen und Bürger befänden sich in einem Machbarkeitsdilemma: Einerseits würden sie die großen Zukunftsprobleme durchaus erkennen, könnten sich aber andererseits nicht vorstellen, wie sich diese bewältigen ließen. Die Folge: Rückzug ins Schneckenhaus, ins Private.
Dabei könne man zwischen unterschiedlichen Zukunftstypen unterscheiden. Das Spektrum reiche von den Eingekapselten, die Zukunftsfragen am liebsten ausblendeten oder die Vergangenheit verklärten, über die „Tribalisten“, deren Aktionsradius in der Nachbarschaft oder im Verein ende, bis hin zu den Missionierenden, die sich zum Beispiel dem Veganismus verschrieben.
Aber auch: hoffnungsstiftende Graswurzel-Mentalität
Im Kleinen zeige sich aber auch eine hoffnungsstiftende Graswurzel-Mentalität: Viele entwickelten das Gefühl, selbst etwas Sinnvolles zu einer besseren Welt beitragen zu können. Nachbarschaftliche Initiativen, veränderte Ernährungs- und Konsumgewohnheiten, soziale und ökologische Netzwerke oder post-kapitalistische Geschäftsmodelle fänden immer mehr Aufmerksamkeit. Dass diese vielen kleinen Pflänzchen zu einer breiten gesellschaftlichen Strömung zusammenwachsen könnten, sei zurzeit die große Hoffnung eines ansonsten ernüchternden Bildes.
„Wir erleben eine Zeitenwende“, sagte Grünewald. Dabei sei noch offen, ob sich letztlich die Tendenzen zu Rückzug und weiterer Parzellierung durchsetzen würden oder die Kräfte des gesellschaftlichen Zusammenwachsens und der Überwindung von Trennlinien. (dpa/oz)
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