Der Winter kommt – Herausforderungen in der Flüchtlingskrise
Aber die kalte Jahreszeit bringt auch Herausforderungen in der Flüchtlingskrise. Wo werden die Asylbewerber schlafen? Wie wird sich die Lage in den Quartieren in den kommenden Monaten entwickeln? Was wird bei Minustemperaturen in Zelten, Lagern und Hallen passieren? Sieben Entwicklungen, die der Winter mit sich bringt:
UNTERBRINGUNG: Die wohl größte Herausforderung ist nach wie vor der Mangel an festen Unterkünften. „Mehrere Tausend Flüchtlinge sind noch in Zelten, die möglicherweise der Schneelast nicht gewachsen sind“, warnt Klaus Kocks von European Homecare. Die Firma aus Essen gilt bundesweit als Marktführer im Betrieb von Unterkünften. Das Land Baden Württemberg und beispielsweise die Stadt Freiburg planen winterfeste und beheizte Zeltstädte für Flüchtlinge.
KLEIDUNG: Im Winter müssen sich Flüchtlinge warm anziehen. Laut European Homecare gibt es aber reichlich Mäntel, Jacken und Stiefel. „Wir haben eine Überversorgung mit Gebrauchskleidung. Die Spendenbereitschaft ist unermesslich hoch“, berichtet Kocks. „Ein größeres Problem ist es, zu sortieren und verteilen.“ Doch nicht jeder Flüchtling greift bislang zum warmen Stiefel. „Viele tragen lieber Sandalen als geschlossene Schuhe“, berichtet Berthold Weiß, Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung in Ellwangen (Ostalbkreis).
GESUNDHEIT: Mit dem Herbst hat auch die Grippezeit begonnen. Viele Flüchtlinge sind gesundheitlich geschwächt nach wochenlangen Strapazen. Experten warnen: In engen Massenunterkünften droht ein hohes Ausbruchsrisiko im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung. „Wir haben keine Kenntnis davon, dass der in Deutschland verfügbare Influenza-Impfstoff nicht ausreicht“, berichtet das Regierungspräsidium Stuttgart. „Und das bezieht sich sowohl auf die hiesige Wohnbevölkerung als auch auf zuwandernde Asylsuchende.“
ERNÄHRUNG: Vitamine statt Naschen? European Homecare bringt in 100 Unterkünften täglich rund 45 000 Mahlzeiten für Flüchtlinge auf den Tisch. Meist kommt das Essen von Unternehmen vor Ort. Dabei werde zu jeder Jahreszeit auf einen gesunden Speiseplan geachtet, berichtet Kocks. „Vollwerternährung und jahreszeitliche Schwerpunkte sind ohnehin in der Logik der großen Caterer.“
GEWALT: Überbelegung und Langeweile in Flüchtlingsunterkünften bergen seit Monaten viel Zündstoff. Im Sommer konnten Flüchtlinge den ganzen Tag draußen verbringen, sich im Freien auch verteilen. Bei kalten Temperaturen dürfte der Lagerkoller zunehmen – und damit womöglich auch die Gewalt in den Heimen.
PSYCHE: Das triste Winterwetter drückt bei vielen Menschen aufs Gemüt. Viele Flüchtlinge kommen schwer traumatisiert in Deutschland an. Nebel und Kälte dürften die Stimmung kaum heben. Und: Die psychosozialen Zentren für Flüchtlinge in Baden-Württemberg kommen mit der Behandlung schon seit Monaten nicht mehr hinterher.
FLUCHT: Nicht zuletzt der Weg nach Westeuropa wird gefährlicher im Winter. Auf der Balkanroute wird es kalt, das Mittelmeer wird stürmisch. Aber Flüchtlinge irren weiter durch Osteuropa, setzen in Schlauchbooten jeden Tag nach Griechenland über. Hilfsorganisationen warnen vor einer Katastrophe – und mehr Todesopfern. (dpa/ks)
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