Der „Wellenbrecher-Shutdown“: Wird Merkel bald alle Einrichtungen, die dem Vergnügen dienen, schließen?
Für das Kanzleramt scheint festzustehen, dass man eine „kurze und klare“ Bremse einlegen müsse, um das Corona-Geschehen zu stoppen. Nur das könne einen längeren Lockdown verhindern, so der „Tagesspiegel“. Nach Angaben des „Fokus“ lautet der Arbeitstitel „Wellenbrecher-Shutdown“.
Es beinhalte, ab kommender Woche alle Einrichtungen, die dem Vergnügen dienen, zu schließen – Kneipen, Restaurants, Museen, Theater. Sport und Freizeitaktivitäten sollten heruntergefahren werden.
Kanzlerin Merkel wollte nach Medienberichten auch die Schulen schließen, konnte sich aber wohl nicht durchsetzen. Für Hochrisikogebiete soll über weitere regionale Schließungen nachgedacht werden.
Schutz spezieller Gruppen
Im Rahmen eines Gespräches zur „Konzertierten Aktion Pflege“ mit weiteren Mitgliedern der Bundesregierung hat Bundeskanzlerin Merkel (CDU) auf die besondere Verantwortung beim Schutz speziell gefährdeter Gruppen vor der Corona-Pandemie hingewiesen.
„Ich bin mir bewusst, dass wir Ihnen sehr viel abverlangt haben und ganz besonders die Kontaktbeschränkungen waren für die Menschen in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Hospizen sehr belastend. Und Sie dürfen davon ausgehen, dass mir, genauso auch unserem ganzen Kabinett, solche Einschränkungen wirklich nur schwer erträglich sind“, sagte Merkel.
Die Regierung sei sich bewusst, dass jeder Eingriff in die Grundrechte „gut begründet und erklärt werden muss und dass all das, was wir tun, nur befristet sein darf und natürlich eben auch der Legitimation durch Fakten, durch Tatsachen bedarf“, sagte Merkel weiter. „Der Schutz der Bevölkerung und insbesondere der vulnerablen Gruppen ist und bleibt ein wichtiges Anliegen. Aber es muss ein Schutzkonzept sein, das nicht zu einer Separation von Gesellschaftsteilen führt. Das ist mir sehr, sehr wichtig.“
Merkel: Millionen von Menschen sollen nicht durch die Hintertür ausgegrenzt werden
Man wolle auch nicht Versuchen nachgeben, durch die Hintertür irgendwie Millionen von Menschen auszugrenzen aus unserem gesellschaftlichen Leben, erklärte die Kanzlerin weiter. „Und das ist, glaube ich, ganz wichtig, dass wir uns darüber einig sind.“
Man wisse heute etwas mehr über das Virus und wisse, wie man sich schützen könne. „Wir können zielgerichteter vorgehen.“ Aber man sehe auch bei den steigenden Zahlen, dass, wenn man das, was man wisse, über das Virus nicht einhalte, „dass wir dann wieder in Situationen kommen, die ausgesprochen schwierig sind“, so Merkel weiter.
Deshalb habe man das Ziel, Kranke, Pflegebedürftige, Menschen mit Behinderungen bestmöglich zu schützen. „Aber der Schutz darf eben nicht im Wegnehmen aus dem gesellschaftlichen Leben bestehen, sondern in dem Maße, wie das möglich ist, müssen alle Menschen gleichermaßen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.“
NRW will „Lockdown light“ vorschlagen
Zum Bund-Länder-Treffen am Mittwoch will NRW Kontaktbeschränkungen vorschlagen. Dabei sollen Schulen, Kitas und Betriebe ausgespart werden. Darin heißt es, dass zur Unterbrechung der aktuellen Infektionsentwicklung ‚“die Beachtung und Umsetzung der bestehenden Regeln“ notwendig seien.
Dabei sollten weitergehende Maßnahmen stattfinden, aber „zentrale Zukunftsbereiche anders als im Frühjahr ausgespart“ werden. Konkret sieht das Thesenpapier vor, dass Schulen, Kindertagesstätten und Betriebe weiterhin geöffnet bleiben sollen. Insbesondere private Kontakte sollen weiter reduziert werden.
Das Thesenpapier schlägt außerdem eine Schließung von Sport- und Freizeitangeboten in geschlossenen Räumen vor, ein Verbot von Kontaktsport, ein Verbot von Veranstaltungen, Messen und Kongressen sowie ein Verbot von „Spezial- und Jahrmärkten“. Wochenmärkte, die der Lebensmittelversorgung dienen, sollen von dem Verbot ausgenommen sein.
Restaurants werden in dem Papier nicht explizit erwähnt. Kanzlerin Merkel will Schulen und Kitas nicht schließen lassen, in Bereichen wie der Gastronomie und bei Veranstaltungen dagegen hart vorgehen.
Strobl: Eine Woche alles dicht machen
Wenn die Zahlen sich weiter so entwickeln, müssten Maßnahmen in den Blick genommen werden, „etwa, dass wir auch einmal für eine Woche alles dicht machen“, sagte Strobl am Dienstag dem Nachrichtenportal „The Pioneer“. Ähnlich äußerte sich der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.
Auch Schulen, Kitas und Geschäfte müssten dann schließen, sagte Strobl. So könne das Infektionsgeschehen zum Stillstand gebracht werden. Zudem brauche es wieder Grenzkontrollen. Der Vorteil dieser „sehr, sehr harten“ Lösung wäre die zeitliche Begrenzung, so der CDU-Vize. Dann wären ein Weihnachtsgeschäft und ein gemeinsames Weihnachten mit der Familie wieder möglich.
Lauterbach: Kultur- und Freizeiteinrichtungen schließen – Schulen und Betriebe offen lassen
Lauterbach forderte einen bundesweiten Teil-Shutdown. Bars, Restaurants und das kulturelle Leben sollten für befristete Zeit ausgesetzt werden, Schulen und Betriebe aber offen bleiben.
„Wir brauchen einen Wellenbruch wie ihn auch Virologe Christian Drosten in die Diskussion gebracht hat, in ganz Deutschland und zwar so schnell wie möglich“, sagte Lauterbach dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom Dienstag. Nach Aussage von Lauterbach laufe Deutschland sonst auf einen unkontrollierbaren Lockdown zu und stünde in drei Wochen da wie Frankreich oder Spanien.
Zuvor hatte auch der Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, einen „kurzen, scharfen Lockdown“ ins Spiel gebracht. „Zwei, drei Wochen keine Umsätze – und dann kann es wieder losgehen“, sagte Fratzscher am Montag im SWR. Die Wirtschaft könne auf diesem Weg relativ schnell wieder zur Normalität zurückkehren.
Bonner Virologe sieht keine Notwendigkeit für einen Lockdown
Der Bonner Virologe Hendrik Streeck, sieht hingegen keine Notwendigkeit für einen Lockdown. Streeck, Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn, äußerte kürzlich in einem Interview mit „phoenix“, dass die derzeitige Situation nicht mit den Verhältnissen des Frühjahrs vergleichbar sei.
Es solle nicht nur auf die Infektionszahlen als solche, sondern auch auf die Entwicklung in der stationären und intensivmedizinischen Pflege geschaut werden, so der Virologe. Das eigentlich relevante Geschehen spiele sich in den Krankenhäusern ab. Die eigentlichen Zahlen spiegelten nicht mehr dasselbe wider, was im März oder April vonstattengegangen sei.
(reuters/afp/ks)
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