„Der krasseste Corona-Arbeitsrechtsfall“: Entlassener Lehrer und Berliner Senat einigen sich
Der langjährige Rechtsstreit zwischen dem entlassenen Berufsschullehrer Rüdiger Borrmann (60) und der Berliner Senatsverwaltung vor dem Arbeitsgericht könnte mit dem gestrigen Vergleich, 15. Mai, vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vorbei sein. Doch nur, wenn es in der vierwöchigen Widerrufsfrist vom Senat keinen Rückzieher gibt.
Was war geschehen? Im Juli 2021 äußerte sich der an einer landeseigenen Berufsschule langjährig tätige Medienlehrer Borrman über privat veröffentlichte Videos kritisch zur Corona-Politik. Er kritisierte im August 2021 den geplanten Einsatz von mobilen Corona-Impfteams des Senats an den Schulen der Hauptstadt. Er sah darin Psychoterror und perfiden Zwang gegenüber Kindern und Schülern.
„Arbeit macht frei“ – „Impfung macht frei“?
In einem anderen Video, das aus vier Teilen besteht, kritisiert er im Juli 2021 eine Äußerung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) zur Wiedererlangung geschützter Grundfreiheiten nach einer Corona-Impfung und setzte sie in Bezug zu Äußerungen deutscher Nationalsozialisten.
Konkret wurde zunächst ein Standbild eingeblendet. Es zeigt eine Fotomontage eines KZ-Eingangstores, wo es statt „Arbeit macht frei“ – „Impfung macht frei“ heißt und zudem ein Fragezeichen darübergeblendet ist. Danach wird ein Tweet von Söder vom 13. Juli 2021 eingeblendet, mit der Aussage „Impfen ist der Weg zur Freiheit“.
Anschließend wird ein Ausschnitt aus dem Film „Network“ (1976) gezeigt. Als Letztes kommt der österreichische Rechtsanwalt Michael Brunner mit einer verfassungsrechtlichen Einschätzung zu den Grundrechtseingriffen durch die staatlichen Corona-Maßnahmen zu Wort.
In dem Video, wo sich Borrmann kritisch zum Impfmobil äußert, sah die Senatsverwaltung eine Verunglimpfung der Dienstherrin (der damaligen Bildungssenatorin Sandra Scheeres, SPD) und einen Verstoß gegen die politische Loyalitätspflicht. In dem Video mit dem KZ-Tor sah die Senatsverwaltung eine Holocaustverharmlosung und Nazireichsbefürwortung.
Fristlose Entlassung
Daraufhin wurde Borrmann zum 19. August 2021 fristlos entlassen. Dagegen ging er mit einer Klage am Berliner Arbeitsgericht vor. In erster Instanz verlor Borrmann. Er legte Berufung ein und nun kam unter Vermittlung des Vorsitzenden Richters Martin Wenning-Morgenthaler am Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ein Vergleich zustande.
„Ich hätte niemals etwas gesagt, was mich den Job gekostet hätte. Also alles das, was ich gesagt habe, da war ich mir sicher, ist von der Meinungsfreiheit als auch von der Kunstfreiheit gedeckt.“ Dabei sei es ihm immer um die Warnung vor dem, was da kommt und die Gefahren der Corona-Impfung gegangen, die ungenügend durch den Berliner Senat berücksichtigt worden wären, erklärt Borrmann im Gespräch mit der Epoch Times.
Seine Schüler sah er als seine Schutzbefohlenen. Für Borrmann ist das Video mit dem KZ-Tor eine künstlerische Collage, mit der er den ebenfalls im Video genannten Tweet des bayerischen Ministerpräsidenten Söder kritisieren wollte.
Ruhe reinbringen
Zeitweise wurde es hitzig zwischen den Anwälten beider Seiten, der Vorsitzende musste wieder Ruhe hereinbringen. Während die rechtlichen Vertreter des Senats weiter einen Verstoß gegen den Lehrauftrag und die Loyalitätspflicht, aber auch eine Verhöhnung der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus sahen, sah Borrmanns Rechtsanwalt das Gegenteil.
Eben dadurch, dass sein Mandant das KZ-Tor mit der Inschrift „Impfen macht frei“ benutzte, zeige, für wie gefährlich sein Mandant die damaligen Grundrechtseinschränkungen empfand. Und er prangerte an, dass man als Senatsverwaltung darauf abzielte, einer der wenigen mutigen Lehrer zu bestrafen, der eine kritische Meinung hätte und noch den Mut, diese auch zu äußern. „Sie wollte keinen Berufsschullehrer in ihren Reihen haben, der die Dinge in wesentlichen Punkten eben ganz anders sieht.“ Dabei wäre man jetzt auf dem Erkenntnisstand, den die kritischen Bürger schon im Sommer 2020 verkündet hätten, so Gall.
Der teilweise hitzige Disput ging nicht spurlos an den rund 20 öffentlichen Zuhörern vorbei. An mehreren Stellen waren, wenn auch gemäßigt, Unmutsbekundungen aus der Zuhörerschaft zu hören.
„Ich vertrete eine ganze Reihe von Corona-Arbeitsrechtsfällen. Das war sicher der krasseste von allen“, äußerte Rechtsanwalt Tobias Gall, Verteidiger von Borrmann, gegenüber Epoch Times nach der Verhandlung. In seinen Augen war es ein eindeutiger Fall von „politischer Verfolgung eines Oppositionellen“ genauer gesagt von einem „Corona-Maßnahmengegner“, der auf das härteste verfolgt und auch in der Öffentlichkeit nachhaltig diskreditiert worden sei, so das Mitglied von „Anwälte für Aufklärung“ (einer Vereinigung unabhängiger Anwälte zum Zwecke der Förderung des demokratischen Staatswesens). Für Gall war eindeutig, dass die Berliner Senatsverwaltung mit der Kündigung seines Mandanten wegen einer zugespitzten politischen Äußerung jenen bestrafen wollte.
Dazu habe die Senatsverwaltung den Begriff der politischen Loyalität ins Spiel gebracht. „Der sagt aber eben nicht, dass Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes und auch Beamte immer die Meinung, die politischen Meinungen ihrer Regierung, also ihres Dienstherren, wiederholen müssen und nicht den Dienstherrn kritisieren dürfen.“ Kernbestand des demokratischen Rechtsstaats sei es, dass auch die Staatsangestellten gewissermaßen Kritik üben dürften, so Borrmanns Verteidiger.
„Wir hatten fast nicht mehr damit gerechnet“
Gall erklärt zu dem Ergebnis: „Kerngehalt der Einigung ist, dass nicht nur eine Abfindung gezahlt wird, sondern auch die Vorwürfe nicht mehr aufrechterhalten werden und mein Mandant auch einen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes hat.“
Und weiter: „Wir hatten in der Tat, fast nicht mehr damit gerechnet, dass die Senatsverwaltung zu einem solchen Vorgehen in der Lage wäre.“ Aber durch die vorbildliche und auch sehr beeindruckende Verhandlungsführung des Vorsitzenden sei hier eine ganz andere Atmosphäre entstanden, so der auf Arbeitsrecht spezialisierte Jurist.
Er glaubt, dass auch die Senatsverwaltung erkannt habe, dass sie es in der Berufungsinstanz „eben nicht so leicht haben werde“. „Hier haben wir eine gerechte und ordentliche Verhandlung bekommen“, äußert der Rechtsanwalt.
Wenig Medienvertreter
Medienvertretern waren nur wenige vertreten – dafür, dass das Thema vor zwei Jahren sogar in den „ARD-Tagesthemen“ auftauchte. Hierauf geht auch Gall gegenüber Epoch Times ein. Für ihn war der Ausgangspunkt für die Kündigung, dass „ein eher dem linken Spektrum oder heutzutage eher dem staatstragenden Spektrum zuneigender Journalist [Olaf Sundermayer, rbb]“ in den ARD-„Tagesthemen“ Gelegenheit bekam, in einem Zehn-Minuten-Beitrag die Entlassung seines Mandanten zu fordern.
Seitdem sei die Senatsverwaltung über viele, viele Monate damit befasst gewesen, Verstöße jeglicher Art von Herrn Borrmann gegen Vertragspflichten aufzufinden, prangert Tobias Gall an, der als AfD-Politiker für die jüngste Bezirksverordnetenversammlung von Charlottenburg-Wilmersdorf und als Direktkandidat für das Abgeordnetenhaus kandidierte. „Das war ein skandalöser Vorgang.“
Die Anwälte der Senatsverwaltung äußerten sich nicht zum Verfahren gegenüber Epoch Times und verwiesen auf den Sprecher der Senatsverwaltung für den Bereich Bildung, Martin Klesmann. Dieser erklärte gegenüber Epoch Times, dass man mit den Hausjuristen den Vergleich jetzt prüfen werde. Zudem werde der Vergleich direkt an die neue Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) berichtet. Zu gegebener Zeit werde man sich dann äußern.
Borrmann sieht nach der Verhandlung erleichtert aus und wirkt gelöst: „Man kann wieder neue Dinge anpacken.“ Er wird weiter im Medienbereich tätig sein, erklärt er. „Ich bin Medienlehrer und das, was ich bisher meinen Schülern in der Schule vermittelt habe, das kann ich natürlich auch anderen Menschen vermitteln. Ich kann jetzt auch einfach an Projekten mitarbeiten, die mich interessieren.“
50.000 Euro Abfindung
Gerichtssprecherin Christiane Seiler fasst gegenüber Epoch Times zusammen: „Die Parteien haben sich geeinigt auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses [mit Wirkung zum 31.03.2022] und auf eine Abfindungszahlung [50.000 Euro].“
Der Vergleich sei für das Land Berlin innerhalb der nächsten vier Wochen widerruflich. Das bedeute, Berlin könne in dieser Zeit entscheiden, ob es bei dem Vergleich bleibe oder nicht. „Falls widerrufen wird, wird die Kammer, die heute verhandelt hat, drei Tage später eine Entscheidung verkünden“, so die Sprecherin. Ansonsten bleibe es bei dem Vergleich. Bei einem Vergleich trägt jede Partei seine Prozesskosten selbst.
Auch auf den noch anhängigen Strafbefehl gegen Borrmann wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung und eine damit verbundene Strafzahlung von 9.000 Euro will man als Senatsverwaltung auflösend einwirken. Und schließlich soll der Medienpädagoge auch ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis erhalten, heißt es in dem Vergleich.
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