„Der Bevölkerung einiges zumuten“: Bundeswehr kündigt Hochphase von NATO-Großmanöver an
Die nach eigenen Angaben „größte Verteidigungsübung“ der NATO seit dem Kalten Krieg hatte bereits im Januar begonnen. Nun ist „Steadfast Defender“ in seine „sichtbare Hochphase“ getreten. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, hat am Montag, 22. April, in der Bundespressekonferenz „Auswirkungen auf den Alltag“ angekündigt.
Man werde in den kommenden Wochen „der Bevölkerung einiges zumuten“, äußerte Breuer. In diesem Kontext bat er Verkehrsteilnehmer darum, Kolonnen auf der Autobahn möglichst Vorrang zu gewähren. Immerhin komme es auf „deutsche Verlässlichkeit“ und Schnelligkeit im Verlegungsprozess an.
Breuer lobt Bundeswehr als „all-in“-gehende Bündnisarmee
Wie der Generalinspekteur erläuterte, sind 90.000 Soldaten in das Großmanöver involviert. Zuletzt habe es eine so umfangreiche Teilnahme an einem NATO-Manöver 1988 gegeben. Damals hatten 124.800 Soldaten die „Reforger“-Übung bestritten. Deutschland steuere in diesem Jahr 12.000 Mann und 3.000 Fahrzeuge bei.
Als vermeintlich realistischer Ernstfall werde die Reaktion auf einen russischen Angriff auf das Bündnisgebiet geprobt. Noch bis Ende Mai werden deshalb „Verlegung von Personal und Material an die Ostflanke“ der NATO und deren „Zusammenfügung als schlagkräftige militärische Verbände“ geprobt.
In der Bundespressekonferenz erläuterte Breuer, die Übung zeige, dass die Bundeswehr mittlerweile zu einer Bündnisarmee geworden sei. Früher habe man lediglich „Kontingente für Kriseneinsätze herausgeschält“, heute gehe man „all-in“ – das mache den großen Unterschied.
Russland nennt NATO-Großübung „Provokation“
Der Übungsraum reiche vom Norden Norwegens über das Baltikum und Polen bis nach Rumänien. Es seien alle Waffengattungen involviert – zu Wasser, zu Lande und in der Luft. Als „logistische Drehscheibe im Herzen Europas“ führten dabei de facto „alle Wege über Deutschland“. Im Rahmen der Gesamtübung sei Deutschland an zehn multinationalen Einsatzübungen aktiv beteiligt. Man müsse, so rechtfertigt Breuer den Aufwand, „üben wie im Ernstfall, üben wie im Krieg“.
Wie das BSW im Bundestag im Zuge einer Anfrage an die Bundesregierung eruieren konnte, betragen die Kosten der deutschen Beteiligung etwa 90 Millionen Euro; mit 50 Millionen machten dabei die Transportkosten den größten Teil aus.
Dazu kämen acht Millionen Euro für Miet- und Pachtaufwand, weitere 5,5 Millionen Euro für Dienstreisen und 23,5 Millionen für „sonstige Übungskosten“. Die Abgeordnete Żaklin Nastić, von der die Anfrage stammte, übte deutliche Kritik an dem Manöver und äußerte:
Die Bundesregierung setzt uns alle mit ihrer gefährlichen Eskalationspolitik einer erheblichen Gefahr aus. Diplomatie muss wieder zum politischen Maßstab werden.“
Russland bezeichnete die NATO-Übung als „Provokation“. Der Kreml habe keinerlei Ambitionen, ein NATO-Land anzugreifen.
X-Nutzer warnen vor Eskalationspolitik der NATO an russischer Westgrenze
Breuer hingegen zeigt sich zufrieden mit dem Fortgang der Übung. In der Bundespressekonferenz betonte er die Entschlossenheit, mit der die Bundeswehr an die Aufgabe herangehe: Das
hat mir gezeigt, dass Kriegstüchtigkeit angekommen ist, und dass man deutliche Schritte in Richtung Krieg […], Kriegstüchtigkeit gemacht hat.“
Dass der Generalinspekteur beim zweiten Erwähnen der „Kriegstüchtigkeit“ zweimal ansetzen musste und zuvor für kurze Zeit die Formulierung „deutliche Schritte in Richtung Krieg“ im Raum stand, hielten einige Nutzer sozialer Medien für einen Freud’schen Versprecher. Der Theorie zufolge tritt in der nicht beabsichtigten Formulierung unwillkürlich ein eigentlicher Gedanke oder eine Intention des Sprechers zutage.
Entsprechend wird der Auftritt Breuers vielfach mit Verweisen auf bisherige europäische Aggressionen gegen Russland und Warnungen vor einem „erneuten Schlafwandeln in den Krieg“ kommentiert.
Wenn man dem Generalinspekteur der Bundeswehr so zuhört, dann bekommt man so langsam ein Gefühl dafür, was der „Ernstfall“ für uns alle bedeuten würde. Oberste Priorität sollte es doch sein, „Kriegstüchtigkeit“ zu vermeiden, anstatt sie mit Worten und Waffen zu befeuern.
— ZeitTwittBrett (@ZeitTwittBrett) April 23, 2024
Engpässe bei Finanzierung der Brigade für Litauen?
In der Politik ist man hingegen noch nicht flächendeckend von der „Kriegstüchtigkeit“ überzeugt. CDU/CSU-Fraktionsvize Johann Wadephul hat gegenüber dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) vor einem Kollaps des Verteidigungsetats gewarnt. Er macht seine Besorgnis unter anderem an den Kosten für die geplante Stationierung einer 5.000 Mann starken Brigade fest. Dies wäre der größte dauerhafte Auslandseinsatz deutscher Soldaten in der Geschichte der Bundeswehr.
Ein Vertreter von Bundesminister Boris Pistorius hatte zuletzt im Verteidigungsausschuss des Bundestages elf Milliarden Euro für die Finanzierung des Vorhabens gefordert. Angesichts der beträchtlichen Summe allein für diese Aufgabe sei es ihm „schleierhaft“, so Wadephul, wie die Bundesregierung einen tragfähigen Haushalt aufstellen wolle. Der Unionspolitiker äußerte dazu:
„Der Verteidigungsminister hatte seine Stationierungsankündigung ohne Prüfung der notwendigen Folgeentscheidungen vorgenommen. Nun steht er vor der Aufgabe, diese enorme Summe zu beschaffen.“
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