Demonstrationen gegen „Rechtsruck“: Zehntausende protestieren in deutschen Städten

Tausende Menschen haben an diesem Wochenende in mehreren Städten gegen einen wahrgenommenen Rechtsruck in Deutschland demonstriert. Die Protestierenden fordern ein deutliches Zeichen für ein weltoffenes und soziales Deutschland. Die Demonstrationen richten sich vor allem gegen die AfD, aber auch gegen den migrationspolitischen Kurs der CDU.
Von Sylt bis München werden an diesem Wochenende Zehntausende Menschen bei Demos gegen rechts erwartet.
Vor einem Jahr erlebte Deutschland die größten Demonstrationen gegen Rechts in der Bundesrepublik. Daran soll am Wochenende angeknüpft werden.Foto: Valentin Gensch/dpa
Von 25. Januar 2025

Mehrere Gruppen habe in verschiedenen Städten an diesem Wochenende zu großen Demonstrationen gegen den von den Organisatoren empfundenen „Rechtsruck“ im Land aufgerufen. Die Veranstalter wollen wenige Wochen vor der Bundestagswahl an die Demonstrationen vor einem Jahr anknüpfen.

Auslöser war damals die Veröffentlichung einer Recherche von „Correctiv“ über ein Treffen in einem Potsdamer Hotel, an dem parteifreie Menschen, aber auch AfD- und CDU-Mitglieder, sowie Mitglieder der WerteUnion teilgenommen hatten. Ziel des Treffens war es laut „Correctiv“ unter anderem, Strategien für die sogenannte „Remigration“ zu entwickeln. Es soll, so schrieb „Correctiv“ damals, um die Deportation von deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund gegangen sein.

Deportationsbehauptung gerichtlich untersagt

Dass es beim Treffen damals in Potsdam um die Deportation von deutschen Staatsangehörigen gegangen sei, ist heute nicht mehr haltbar. Das Landgericht Hamburg, auch bestätigt durch das Oberlandesgericht, untersagte diese Formulierungen inzwischen beispielsweise dem NDR, da der Fernsehsender keine Beweise dafür vorlegen konnte, dass es auf dem Treffen um die Ausweisung deutscher Staatsbürger gegangen sei.

Ein ähnliches Urteil fällte das Gericht auch gegen das ZDF, dem das Landgericht Hamburg mit einer einstweiligen Verfügung untersagte, zu behaupten, dass des bei dem Treffen in Potsdam um die Idee gegangen sei, Millionen Menschen „abzuschieben“, „auch solche mit deutschem Pass“.

„Bei der Bundestagswahl steht viel auf dem Spiel“

An diesem Samstag nahmen in Köln deutlich mehr Menschen teil als erwartet. Die Kölner Polizei bezifferte die Teilnehmerzahl am Nachmittag auf „deutlich mehr als 20.000 Menschen“. Die Veranstalter hatten zunächst 5.000 Teilnehmende angemeldet, sprachen am Samstag dann aber von „über 70.000 Menschen“, die „in Köln gemeinsam für die Demokratie auf die Straße“ gegangen seien.

Zu dem Protest hatte das Bündnis „Köln stellt sich quer“ aufgerufen, das nach Angaben des „Spiegel“ von zahlreichen Vereinen, Parteien, Gewerkschaften und Initiativen unterstützt wird. Unter dem Motto „#5vor12. Laut für Demokratie“ starteten die Teilnehmer ihre Demo um 11.55 Uhr.

„Bei der Bundestagswahl am 23. Februar steht viel auf dem Spiel“, heißt es im Aufruf der Veranstalter. Es bestehe die Gefahr, dass die AfD noch größeren Einfluss gewinne. Die Demo solle ein lautstarkes Zeichen für ein demokratisches, soziales und weltoffenes Deutschland setzen.

Die Proteste richteten sich in Köln, wie die „Zeit“ schreibt, nicht nur gegen die AfD, sondern auch gegen den migrationspolitischen Kurs der CDU um Parteichef Friedrich Merz. Auf Pappschildern waren Sprüche wie „Kein Fraktionsgeklüngel mit der AfD!“ und „Niemand mag Nazis außer Merz“ zu lesen.

Protest gegen AfD-Wahlkampfauftakt in Halle (an der Saale)

Auch in anderen Städten hatten Organisationen zu Kundgebungen aufgerufen. In Halle (an der Saale) startete die AfD ihren offiziellen Wahlkampfauftakt in die heiße Phase des Wahlkampfes, zu dem auch die Parteisprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla erwartet wurden. Dagegen hatten Gruppen aufgerufen. Nach Polizeiangaben nahmen 9.100 Menschen an der Protestkundgebung teil.

Vor der Messehalle kam es am Vormittag zu langen Autoschlangen. Die Polizei überwachte die Zugänge. An einer Stelle versuchte eine Gruppe schwarz gekleideter Radfahrer, das Gelände zu betreten. Laut Beobachtungen eines dpa-Reporters schritt die Polizei dabei entschieden ein, um dies zu verhindern. Ein Sprecher der Polizei wollte zunächst keine weiteren Details zu dem Vorfall mitteilen.

Protest gegen die Asylpolitik der CDU

In Berlin wollen mehrere Gruppen nach eigenen Angaben gegen die AfD und rechtspopulistische Strömungen weltweit sowie gegen eine Leugnung der Klimakrise und Rassismus vor dem Brandenburger Tor ein Zeichen setzen. Die Organisatoren erwarten etwa 10.000 Teilnehmer. Die prominenteste Rednerin ist die Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Neben Neubauer wird die Publizistin Carolin Emcke und die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, erwartet.

Organisationen wie „Campact“, „Eltern gegen Rechts“ und „Fridays for Future“ planen bei der Demonstration, mit Taschenlampen, Lichterketten und Kerzen ein „Meer aus Lichtern für die Demokratie und gegen den Rechtsruck“ zu schaffen.

Neubauer kritisierte im Vorfeld den CDU-Parteivorsitzenden Merz für seine Pläne in der Asylpolitik. Er lasse, so Neubauer, eine gefährliche Nähe zur AfD zu. „Es ist unverzeihlich, inakzeptabel und feige, dass Friedrich Merz im Begriff ist, die Brandmauer gegen die AfD einzureißen“, sagte Neubauer der Nachrichtenagentur dpa. „Umso entscheidender ist es, dass wir als Zivilgesellschaft den Mut und das Rückgrat auf die Straße tragen, das der Union offenkundig verloren gegangen ist.“

Brandmauer halten und Social Media einschränken

Laut dem „Tagesspiegel“ sei es die Amtseinführung Donald Trump, die möglicherweise bevorstehende Kanzlerschaft des FPÖ-Parteivorsitzenden Herbert Kickl in Österreich und die hohen Umfragewerte der AfD gewesen, die laut Christoph Bautz, Geschäftsführer von Campact die Organisatoren vor zehn Tagen zum Entschluss gebracht hat, diese Kundgebung zu organisieren. Außerdem hätten diese durch die hohen Teilnehmerzahlen bei den Demonstrationen gegen den AfD-Parteitag in Riesa ein Momentum wahrgenommen, so Bautz.

Konkret fordern die Veranstalter die „demokratischen Parteien“ auf, die Brandmauer aufrechtzuerhalten. Zudem müsse die neue Bundesregierung die Macht großer Social-Media-Plattformen einschränken, die wehrhafte Demokratie schützen und für den Erhalt der Lebensgrundlagen einstehen.



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