Debatte um Abschaffung der Steuerklassen III und V

Kommt eine Abschaffung der Steuerklassen III und V? Wird das Ehegattensplitting abgeschafft? NRW's Regierungschef warnt vor einer „völlig verkopften Diskussion“, die es im Alltag außerhalb der „politischen Blase“ nicht gibt. Thüringens Regierungschef plädiert hingegen für eine Reform der Steuerfreibeträge und eine Kindergrundsicherung.
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Das Ehegattensplitting hilft denjenigen, bei denen es große Einkommensunterschiede zwischen den Ehegatten gibt. Es gilt auch für eingetragene Lebenspartnerschaften.Foto: seewhatmitchsee / iStock
Epoch Times18. Juli 2024

Nordrhein-Westfalens Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) hat mit scharfen Worten auf die Pläne der Bundesregierung zur Abschaffung der Steuerklassen III und V reagiert. „Ich halte das für eine völlig verkopfte Diskussion, die außer in der politischen Blase nirgendwo stattfindet. Wir sollten die Mitte der Gesellschaft mit solchen Vorschlägen in Ruhe lassen“, sagte er der „Welt“.

Eheleute könnten sich bereits seit Jahren für die Steuerklasse IV mit Splittingvorteil entscheiden. „Es macht nur keiner. Dann ist dies offensichtlich auch nicht erforderlich“, sagte er. Die Regierung will noch im Juli beschließen, dass die Klassen bis zum Jahr 2030 abgeschafft werden.

Debatte um Ehegattensplitting

Als „psychologisch verheerend“ bezeichnete Optendrenk Aussagen von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), dass die Abschaffung der Steuerklassen nur der Einstieg in die Abschaffung des Ehegattensplittings sei.

„Dann müssen wir uns nicht wundern, wenn viele Menschen Leuten hinterherlaufen, die vermeintlich einfache Lösungen haben“, sagte er. Die Menschen fragten sich, ob sie sich ihr Einfamilienhaus noch leisten und den Lebensstandard halten könnten.

„Diese Sorgen muss man ernst nehmen, statt mal eben so als Bundesministerin das Aus des Ehegattensplittings zu fordern“, sagte der CDU-Politiker. Vom Ehegattensplitting profitierten Millionen.

Verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen, wie von der Bundesregierung im Rahmen der sogenannten Wachstumsinitiative geplant, hält Optendrenk zum jetzigen Zeitpunkt für überflüssig.

„Die Wirtschaft braucht zunächst einmal wieder politische Verlässlichkeit und stabile Rahmenbedingungen, ansonsten verpuffen steuerliche Anreize“, sagte Optendrenk. Wenn Unternehmen kein Vertrauen in die Politik hätten, würden sie nicht in Deutschland investieren. In einer solchen Situation auf Steuereinnahmen zu verzichten und mehr Schulden zu machen, sei „Aktionismus, keine solide Politik“.

Ramelow für grundlegende Reform und Kindergrundsicherung

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) schlägt bei der aktuellen Debatte über die Abschaffung des Ehegattensplittings eine grundlegende Reform der Steuerfreibeträge vor.

„Union und FDP sollten sich ihre donnernde Empörung über eine mögliche Abschaffung des Ehegattensplittings sparen und lieber helfen, den Weg freizumachen für eine echte Kindergrundsicherung und eine moderne Form der Familienunterstützung“, sagte der Linken-Politiker dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.

„Einfach das überkommene und veraltete Modell des Ehegattensplittings zu streichen, greift aber zu kurz. Meine Forderung ist daher, alle Steuerfreibeträge einschließlich des Ehegattensplittings zusammenzudenken, um daraus eine echte Kindergrundsicherung zu speisen.“

Er fügte hinzu: „Statt die Versprechen der Ampel zu konterkarieren und mit überholten Förderinstrumenten weiter nur besser gestellten Einkommensbeziehern beizustehen, wird es Zeit für Chancengerechtigkeit.“

Bildung und Betreuung müssten beitragsfrei werden, zudem brauche es eine ausreichende Kindergrundsicherung für alle Kinder, so Ramelow. „Kinder sind unsere Zukunft. Wer Familien fördern will, der muss eine ausreichend hohe Kindergrundsicherung schaffen.“

Reform der Steuerklassen im Jahressteuergesetz 2024

Mit dem Entwurf eines zweiten Jahressteuergesetzes 2024 hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) eine Reform bei den Steuerklassen auf den Weg gebracht.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte, dies sei „gleichzeitig der Startpunkt in Richtung Abschaffung des Ehegattensplittings“. Denn das sei „ein Instrument, das allein die klassische Ehe steuerlich begünstigt“ – „obwohl vielfältige Familienmodelle längst Teil unserer Gesellschaftsrealität sind“.

Das Finanzministerium widersprach ebenso wie FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und die finanzpolitische Sprecherin der Unionsfaktion im Bundestag, Antje Tillmann (CDU).

Was ist das Ehegattensplitting?

Das Ehegattensplitting ist ein zentrales Prinzip im deutschen Steuersystem für verheiratete Paare und eingetragene Lebenspartnerschaften. Dabei wird das zu versteuernde Einkommen beider Ehepartner zusammengerechnet. Diese Gesamtsumme wird dann halbiert. Auf jede Hälfte wird der Einkommensteuertarif angewendet. Die sich daraus ergebende Steuer wird verdoppelt, um die Gesamtsteuerlast des Ehepaares zu ermitteln.

Dieses Verfahren führt in der Regel zu einer geringeren Steuerlast für das Ehepaar, als wenn beide Partner einzeln veranlagt würden. Der Grund dafür liegt im progressiven Steuersystem Deutschlands – durch das Halbieren des Gesamteinkommens fallen beide Ehepartner in einen niedrigeren Steuersatz. Der Steuervorteil ist besonders groß, wenn es große Einkommensunterschiede zwischen den Ehepartnern gibt.

Ein Beispiel: Wenn ein Partner 45.000 Euro und der andere 15.000 Euro im Jahr verdient, können sie durch das Ehegattensplitting über 850 Euro Steuern sparen im Vergleich zur Einzelveranlagung.

Das Ehegattensplitting wurde 1958 in Deutschland eingeführt und gilt seit 2013 auch für eingetragene Lebenspartnerschaften. Es ist in der EU eher ungewöhnlich – nur Luxemburg und Polen haben ein ähnliches System, während die meisten anderen EU-Länder eine Individualbesteuerung praktizieren.

Trotz anhaltender Kritik, dass es traditionelle Rollenmodelle begünstige und einen negativen Arbeitsanreiz für Zweitverdiener schaffe, ist das Ehegattensplitting ein fester Bestandteil des deutschen Steuersystems. Das Bundesverfassungsgericht hat es bisher als verfassungskonform eingestuft. (dts/red)

 



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