Datenschutzbedenken: Gericht prüft Zulässigkeit von erstem Streckenradar

Während anderswo in Europa das Streckenradar seit Jahren erfolgreich zur Tempokontrolle genutzt wird, gibt es in Deutschland prompt Datenschutzbedenken. Darüber urteilt jetzt ein Gericht in Hannover. Wird der Blitzer zwei Monate nach dem Start wieder abgeschaltet?
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Das Messgerät ermittelt das Durchschnittstempo auf einem längeren zumeist unfallträchtigen Abschnitt, wo Autofahrer vom Gas gehen sollen.Foto: Christophe Gateau/dpa
Epoch Times12. März 2019

Gerade einmal zwei Monate nach dem Scharfschalten des bundesweit ersten Streckenradars bei Hannover steht der neue Blitzer beim Verwaltungsgericht auf dem Prüfstand.

Ist es zulässig, die Kennzeichen aller Autofahrer zu erfassen, um ein Tempolimit auf einem längeren Straßenabschnitt zu kontrollieren, lautet die Frage an die Richter in Hannover. Einfach ist die Entscheidung nicht, denn der Kläger stützt sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar, demzufolge das Erfassen aller Autokennzeichen durch die Polizei zu Kontrollzwecken einen unzulässigen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt.

Wie funktioniert das Streckenradar?

Die auch als Section Control bezeichnete Radaranlage erfasst die Geschwindigkeit nicht an einer Stelle. Stattdessen ermittelt sie das Durchschnittstempo auf einem längeren zumeist unfallträchtigen Abschnitt, wo Autofahrer vom Gas gehen sollen. Die erfassten Daten von Fahrzeugen, die sich an das Tempolimit halten, werden sofort gelöscht. In Nachbarländern wie Belgien, Österreich und den Niederlanden wird Section Control bereits seit Jahren erfolgreich verwendet.

Wo sieht der Kläger das Problem?

Auch wenn die Daten der regeltreuen Fahrer sofort gelöscht werden, sieht der Kläger bereits in dem verschlüsselten Zwischenspeichern der Kennzeichen aller passierenden Wagen einen massiven Eingriff in die Grundrechte der Bürger. Er verweist auf das Karlsruher Urteil zum automatischen Abgleich von Nummernschildern sämtlicher vorbeifahrender Wagen mit Fahndungsdaten durch die Polizei. Dieser sei zum Teil verfassungswidrig, so das Gericht. Im Großen und Ganzen können die Vorschriften trotzdem erst einmal in Kraft bleiben – sie müssen allerdings bis spätestens Ende 2019 nachgebessert werden.

Was meint das Innenministerium?

Das Innenministerium in Hannover hält den Probebetrieb der Radaranlage an der B6 in Laatzen bei Hannover für rechtmäßig. Das neue Niedersächsische Polizei- und Ordnungsgesetz (NPOG), das im Mai beschlossen werden soll, werde eine Rechtsgrundlage für einen dauerhaften Betrieb des Radars nach der Erprobungsphase liefern.

Kann das Gericht den Betrieb der Section-Control-Anlage sofort verbieten?

Das Verwaltungsgericht möchte am Dienstag über einen Eilantrag und im Hauptsacheverfahren entscheiden. Gegen den Eilentscheid ist eine Beschwerde und gegen den Hauptsacheentscheid voraussichtlich eine Berufung möglich. Damit würde der Streit in der nächsthöheren Instanz beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg landen. Bis zu einer Entscheidung dort vergehen voraussichtlich einige Monate.

Wie viele Raser wurden eigentlich bereits vom Streckenradar ertappt?

Überwacht wird ein 2,2 Kilometer langer Abschnitt der Bundesstraße 6 bei Laatzen in der Nähe von Hannover, den 15 500 Autos täglich passieren und auf dem es in der Vergangenheit schwere Unfälle gab. Seit dem Start des Probebetriebs wurden 141 Raser erwischt. Erlaubt sind Tempo 100, der Schnellste rauschte mit Tempo 189 durch den Kontrollabschnitt.

Und wenn das Streckenradar am Ende unzulässig ist, erhalten ertappte Autofahrer später ihr Bußgeld zurückerstattet?

Nein. Wenn Betroffene gegen einen Bußgeldbescheid keine Beschwerde eingelegt haben und die Strafe überwiesen haben, ist der Vorgang abgeschlossen.

Was sind eigentlich die Erfahrungen in Belgien, wo der Streckenradar bereits seit langem genutzt wird?

Im flämischen Teil Belgiens haben Untersuchungen ergeben, dass auf Abschnitten mit Streckenradar die Zahl der Temposünder sinkt. Die Zahl der Unfälle sinke auch vor und nach dem überwachten Bereich. Neben fest installierten Abschnittskontrollen gibt es in Belgien auch mobile Abschnittskontrollen, etwa an Baustellen. Wegen der guten Erfahrungen soll die Zahl der Streckenradarabschnitte erweitert werden, sie sollen stationäre Blitzer ersetzen. Während Autofahrer dort plötzlich abbremsen und danach wieder Gas geben, sorgt die „Trajectcontrole“ nach belgischer Erfahrung für einen gleichmäßigeren Verkehrsfluss und eine ruhigere Verkehrslage. (dpa)



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