Offenes Handelsregister: Sensible Daten weltweit offengelegt
In der EU wird die Frage nach Datenschutz immer sensibler und komplizierter gehandhabt. Doch gilt dies auch für die Unternehmer? Möglicherweise nur zum Teil.
Bisher waren die regionalen Unternehmensregister unter bestimmten Bedingungen schon öffentlich zugänglich, jedoch auf die Unternehmen der Gebiete beschränkt. Der Zugriff erfolgte über einen persönlichen Zugang und war mit Kosten verbunden.
Mit der abschließenden Anpassung an die EU-Richtlinie 2019/1151 (DigRL) und das entsprechende Bundesgesetz für die Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) entstand ein „Gemeinsames Registerportal der Länder“. Es wird im „Auftrag des Bundes und der Länder“ vom Land Nordrhein-Westfalen geführt, vertreten durch dessen Justizministerium.
Nun kann jeder aus dem Handels-, Vereins-, Partnerschafts- und Genossenschaftsregisters Einträge und Dokumente kostenlos und überregional abfragen und herunterladen.
Justizminister erfreut, Unternehmerin zornig
Am Tag des Inkrafttretens der Neuregelung am 1. August 2022 freute sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), „dass wir Unternehmen und Privatpersonen ab heute weitere digitale Lösungen zur Erleichterung und Förderung ihrer Geschäftstätigkeit anbieten können“. Man nutze gezielt die „Chancen der Digitalisierung, um die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschlands zu erhöhen“, so der Minister. Doch möglicherweise teilen Teile des deutschen Wirtschaftsmotors die Freuden des Ministers nicht.
Das „Handelsblatt“ sprach mit der Unternehmerin Eva Vesterling, die „fassungslos und zornig“ ist, weil Kriminelle die Daten für ihre Machenschaften nutzen könnten. Finanzieller Schaden drohe den Firmen und sogar Gefahr für Leib und Leben den Unternehmern und ihren Angehörigen, so die Aufsichtsratschefin des Personalberaters Vesterling AG.
Mehr noch: „Der Staat liefert uns einfach aus“, der Gesetzgeber habe „vollständig versagt“, ist sich die Unternehmerin sicher. Ihrer Ansicht nach sei die Gefährdung vielen Unternehmern noch gar nicht bewusst.
Der „gläserne Unternehmer“ – eine Datenschutz-Doppelmoral?
Der Verband Familienunternehmer e. V. (6.000 Mitglieder) kritisiert die neue Regelung. Es gebe jetzt eine „Zugriffsmöglichkeit ohne Beschränkungen von überall auf der Welt“. Dies gefährde auch die persönliche Sicherheit der Unternehmer, so der Verbandschef: „Der gläserne Unternehmer wird Realität.“
In einem Statement erklärte der Verband – der sich als „Stimme der Familienunternehmer“ in Deutschland sieht –, dass es nun sehr einfach sei, sensible Daten von Unternehmern online abzufragen, wie etwa Geburtsdatum, Unterschriften und die private Anschrift – „kostenlos und nur einen Mausklick entfernt“. Man frage sich, was wohl passieren würde, wenn „die Privatanschrift und das Geburtsdatum von Angestellten frei im Internet kursieren – oder ihre Personalausweis-Scans downloadbar“ seien.
„Während der Umgang mit personenbezogenen Daten im Rahmen der DSGVO penibel kontrolliert und sanktioniert (!) wird, scheint für Unternehmer der Datenschutz nicht zu zählen“, so Verbandspräsident Reinhold von Eben-Worlée, dessen Firma seit über 200 Jahren in der Lebensmittelbranche tätig ist.
Justizministerium: Datenschutz zweitrangig
Gibt es in Deutschland einen Datenschutz mit zweierlei Maß? Die Epoch Times fragte beim zuständigen Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen nach.
„Jede datenschutzrechtliche Situation ist kontextbezogen und damit individuell zu beurteilen. Der digitale Zugang zu den Registerinformationen verfolgt den guten Grund der Transparenz, der Effizienz (keine separaten Bekanntmachungen von Registereintragungen mehr) und des umfassend kostenlosen Zugangs zu den Informationen“, erklärte Ministeriumssprecherin Dr. Elisabeth Stöve, die auch Vorsitzende Richterin am Landgericht Düsseldorf ist. Demnach hätten in diesem Fall die „Belange des Datenschutzes (teilweise) zurückzutreten“.
Missbrauch und Spionage
Doch der Verband der Familienunternehmer sieht offenbar weniger in der reinen Offenlegung der Daten ein Problem, sondern viel mehr in der Gefahr des Missbrauchs und der Industriespionage.
Über die Gefahren ist sich auch das NRW-Justizministerium klar. „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Daten auch zu unlauteren Zwecken missbraucht werden“, so Dr. Stöve. Das sei aber mit allen frei verfügbaren Daten möglich, bedauert die Richterin. Allerdings missbillige die Rechtsordnung „ein solches missbräuchliches Verhalten“, stelle es unter Strafe und belege es mit Bußgeldern.
Um wenigstens einen Teil der Gefahren abzuwenden, werden über das Registerportal „alle Abrufe aus dem sogenannten TOR-Netzwerk (TOR = the onion routing) gesperrt“, heißt es auf dessen Website. Das Registerportal sei regelmäßig das Ziel automatisierter Massenabfragen, die häufig in ihrer Frequenz die Straftatbestände der Rechtsnormen des Paragrafen 303a StGB (Datenveränderung) und des Paragrafen 303b StGB (Computersabotage) erfüllten, heißt es weiter. Ebenso würden einzelne IP-Adressen gesperrt, wenn diese die Rahmenbedingungen der angeführten Straftatbestände erreichten. Gleiches gilt für alle anderen IP-Adressen, die 60 oder mehr Abrufe pro Stunde erreichten.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 60, vom 03. September 2022.
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