Covid-Impfstoffe: Bundesregierung sieht Patentfreigabe skeptisch
Die Bundesregierung sieht eine Freigabe von Covid-19-Impfstoffpatenten im Rahmen der Corona-Krise skeptisch. Dies bekräftigte Sprecherin Ulrike Demmer am Freitag.
Andere EU-Länder wie Polen, Italien oder Frankreich und die EU-Kommission zeigen sich offener für den Vorstoß von US-Präsident Joe Biden. Die 27 EU-Staaten wollten am Freitagabend am Rande des EU-Sozialgipfels in Porto eine gemeinsame Linie suchen.
Biden und seine Regierung hatten sich überraschend hinter Forderungen ärmerer Länder gestellt und für eine vorübergehende Aufhebung des Patentschutzes für Covid-19-Impfstoffe plädiert. Dann könnten Hersteller in aller Welt die Covid-19-Impfstoffe produzieren, ohne Lizenzgebühren an die Entwicklerfirmen wie Biontech/Pfizer und Moderna zahlen zu müssen. Hintergrund soll ein Corona-Impfstoffmangel in vielen Ländern der Welt sein.
Einigung in der Welthandelsorganisation WTO für Freigabe notwendig
Allerdings müsste es für eine Freigabe erst eine Einigung in der Welthandelsorganisation WTO geben. Die EU-Staaten müssten der Kommission dafür ein Verhandlungsmandat erteilen. Aus EU-Kreisen hieß es, langwierige internationale Verhandlungen brächten wohl nicht die schnelle Lösung, die jetzt nötig sei.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte in Berlin:
„Das Hauptthema ist nicht die Frage von Patenten.“ Dies sei die Frage von Produktionskapazitäten. „Gerade mRNA-Impfstoffe zu produzieren, ist nichts, was man mal eben per Lizenz dann irgendwo in irgendeiner Fabrik irgendwie machen kann.“
Es gehe um Technologietransfer, der besser in Kooperation laufe. Mit Blick auf das eigentliche Problem der Verfügbarkeit sagte Spahn, er freue sich, wenn die USA ihre bisherige Politik veränderten und wie die EU bei sich produzierte Dosen auch für den Export freigeben. Spahn mahnte zudem an, dass die Rechte der Forscher mit im Blickpunkt stehen müssten.
Vize-Regierungssprecherin: Mangelnde Produktionskapazitäten sind der limitierende Faktor – nicht Patente
Auch Vize-Regierungssprecherin Demmer sagte, die Versorgung der Welt mit Impfstoff sei der Bundesregierung ein großes Anliegen. Man sehe aber die mangelnden Produktionskapazitäten als limitierenden Faktor und nicht die Freigabe von Patenten. Dies sei auch die Haltung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).
In der Bundesregierung gab es jedoch unterschiedliche Nuancen. Außenminister Heiko Maas zeigte sich offener für eine Aufweichung des Patentschutzes.
„Wenn das ein Weg ist, der dazu beitragen kann, dass mehr Menschen schneller mit Impfstoffen versorgt werden, dann ist das eine Frage, der wir uns stellen müssen“, sagte der SPD-Politiker. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagte dagegen im „Spiegel“: „Nur ein Patent freizugeben, sorgt noch für keine einzige zusätzliche Impfdose.“
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte sich zwar offen für eine Debatte über den US-Vorstoß gezeigt. Ihre Sprecherin Dana Spinant betonte aber am Freitag, dass auch die Kommission vor allem im Aufbau von Produktionskapazitäten die Lösung für die Impfstoffknappheit sieht. Daran arbeite man gemeinsam mit der Industrie, sagte Spinant.
EU-Beamte: Es fehlt an Rohstoffen und Hilfsmitteln wie Filter oder Glasfläschchen
Hemmnisse bei der Impfstoffversorgung sind nach Darstellung von EU-Beamten unter anderem der Nachschub an Rohstoffen und Hilfsmitteln wie Filter oder Glasfläschchen. Bisher habe man sich darauf konzentriert, dies zu lösen. Es gebe hingegen keinen Beleg, dass Patente die Produktion beschränkten.
Die Patentfrage soll bei einem Abendessen der Staats- und Regierungschefs beim informellen EU-Gipfel in Porto am Freitag besprochen werden. Vor seiner Abreise nach Portugal unterstützte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki die Patentfreigabe. „Das ist nötig, um die Epidemie auf der ganzen Welt zu eliminieren.“ Auch der italienische Außenminister Luigi di Maio äußerte sich zustimmend. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte dies am Donnerstag ebenfalls getan.
In Deutschland machen sich unter anderem die Grünen für die Patentfreigabe stark. Die Linke stellte den Vorschlag am Donnerstag im Bundestag zur Abstimmung. Dabei kam es offenbar zu einem kuriosen Missverständnis. Der CDU-Abgeordnete und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier stimmte als einziger seiner Fraktion für die Patentfreigabe. Altmaier sprach am Freitagmorgen auf Twitter von einem Irrtum. „Ich teile in dieser Frage die einhellige Haltung meiner Fraktion.“ Anträge der Linken lehne er grundsätzlich ab. (dpa/er)
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