Corona-Wiederaufbaufonds: Deutschland hat erst 6 von 28 verfügbaren Milliarden abgerufen
Ist Deutschland schon zu schwerfällig, um fit für die ihm selbst zustehenden Mittel aus dem Corona-Wiederaufbaufonds „Next Generation EU“ zu werden? Oder hält sich die Ampel nur einen Rest an mobilisierbaren Mitteln für das Bundestagswahljahr 2025 warm?
Der Umstand, dass Berlin bislang erst einen Bruchteil der Deutschland zustehenden „Next Generation EU“-Mittel abgerufen hat, wirft Fragen auf und ist Gegenstand von Spekulationen.
„Next Generation EU“ in überdurchschnittlichem Umfang von Deutschland finanziert
Dabei hatte es ganze zwei Jahre gedauert, ehe das Bundesverfassungsgericht überhaupt die letzten Zweifel bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des Konstrukts beseitigt hatte.
Im Zeichen des Corona-Wiederaufbaufonds hat sich erstmals die EU als Ganzes verschuldet – mit solidarischem Haftungsrisiko aller Mitgliedstaaten. Aus einer Kreditermächtigung im Umfang von anfänglich 750 Milliarden Euro an die EU-Kommission sind am Ende mehr als 800 Milliarden Euro geworden.
Die Höhe des Haftungsrisikos hatte ursprünglich auch aufseiten des Bundesverfassungsgerichts selbst Bedenken bezüglich der längerfristigen haushaltspolitischen Souveränität Deutschlands geweckt. Die EU hatte die Konstruktion für erforderlich gehalten, um die Beseitigung von Schäden in den besonders stark von den Corona-Folgen betroffenen Mitgliedstaaten stemmen zu können.
Teils sollte die Zuweisung von Mitteln über Zuschüsse erfolgen, teils über Kredite. Finanzieren wollte man dadurch vor allem Maßnahmen im Bereich des Umbaus der Energiewirtschaft sowie der Digitalisierung. Deutschland sollte mehr als 65 Milliarden Euro in den gemeinsamen Topf einbezahlen – und 28 Milliarden selbst in Anspruch nehmen können.
Derzeit gilt Frist zur Inanspruchnahme bis 2026
Das Interesse an den Mitteln aus dem „Next Generation EU“-Fonds ist nicht in allen Ländern gleich groß. Während Frankreich und Italien bereits mehr als die Hälfte der ihnen zustehenden Mittel abgerufen haben, hat Deutschland bis dato jedoch erst sechs Milliarden Euro in Anspruch genommen. Das hat die Bundesregierung dem „Handelsblatt“ gegenüber bestätigt.
Die Ansprüche auf die Mittel aus dem Corona-Wiederaufbaufonds sollen jedoch nicht unbegrenzt bestehen. Nach derzeitigem Stand bestehen Ansprüche nur noch für Projekte, für die bis spätestens 2026 Mittel fließen müssen.
Ursprünglich war man davon ausgegangen, dass bereits in den Jahren 2021 bis 2023 Begehrlichkeiten namhaft gemacht werden würden. Allerdings wurden vielfach Forderungen nach Fristverlängerungen laut, damit aus „Next Generation EU“ finanzierbare Vorhaben spruchreif werden könnten.
Von den bisher von Deutschland in Anspruch genommenen Mitteln waren die meisten der sogenannten Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) zuzuordnen. Sie sollten als Vorfinanzierungen für Maßnahmen und Projekte gemäß den genehmigten nationalen Aufbau- und Resilienzplänen Verwendung finden. Mit 723,8 Milliarden Euro stellt die ARF den Löwenanteil der Mittel, die sich aus „Next Generation EU“ mobilisieren ließen.
Bund hat Kernbereiche für beabsichtigte Investitionen dargelegt
Die Bundesregierung hatte angekündigt, 42 Prozent der Deutschland zustehenden Mittel zur Umsetzung von Klimazielen verwenden zu wollen. Darunter sollen Investitionen in Grünen Wasserstoff, Förderung von E-Autos und ein energieeffizientes Renovierungsprogramm fallen.
Weitere 52 Prozent der für Deutschland verfügbaren Mittel sollen Vorhaben aus dem Bereich der Digitalisierung zugutekommen. Dazu zählt man in Berlin Investitionen in Mikroelektronik und Kommunikationstechnologien, aber auch den Ausbau von Cloud-Infrastrukturen und die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.
Die restlichen Mittel sind gedacht für „Maßnahmen zur Stärkung der wirtschaftlichen und sozialen Resilienz Deutschlands“. Darunter subsumiert der Bund Investitionen in Kinderbetreuungsplätze ebenso wie Förderungen von Unternehmen, die Auszubildende in Beschäftigung halten wollen.
Drei Milliarden Euro sollen außerdem in die Modernisierung von Krankenhäusern, die digitale Infrastruktur, Telemedizin, Robotik oder Cybersicherheit fließen. So weit die Vorhaben als solche.
CDU: Ampel will Mittel aus „Next Generation EU“ im Wahlkampf mobilisieren
Vom Fleck gekommen ist der Bund jedoch bis dato nur bedingt. Und das, obwohl der „Next Generation EU“-Fonds es der schuldengeplagten Ampel ganz legal ermöglichen würde, die Schuldenbremse zu umgehen. Die Bundesregierung müsste nur die auf EU-Ebene aufgenommenen Schulden im ihr zustehenden Rahmen aufnehmen und sich die Zuschüsse zuweisen.
Der Bundesrechnungshof, der anfänglich den EU-Corona-Fonds wegen des potenziellen Haftungsvolumens der Mitgliedstaaten kritisiert hatte, spricht nun von Versäumnissen. Viele Vorhaben könnten demnach noch nicht aus den Deutschland zustehenden Mitteln finanziert werden, weil die Verantwortlichen die erforderlichen Hausaufgaben nicht gemacht hätten.
Das Bundesfinanzministerium bestätigte gegenüber dem „Handelsblatt“ selbst, dass bestimmte „Meilensteine“, die zur Inanspruchnahme von Mitteln erforderlich wären, noch nicht erreicht worden seien. Dazu gehörten beispielsweise die Errichtung von Stellwerken zum Ausbau der Schieneninfrastruktur.
Gegenüber dem „Business Punk“ hegt CDU-Haushaltspolitiker Yannick Bury einen Verdacht. Er geht davon aus, dass nicht allein die schwerfällige Bürokratie für die schleppende Auszahlung von Mitteln verantwortlich sei. Vielmehr erwartet er, dass die Ampel im Bundestagswahljahr versuchen werde, alle noch nicht ausgeschöpften Mittel auf einmal in Anspruch zu nehmen:
„Der Verdacht liegt nahe, dass der Mittelabruf bewusst verzögert wird, um im Finanzministerium eine Wahlkampfkasse für 2025 zu bilden.“
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