Corona-Untersuchungsausschuss: Warum wurden Impfdaten nicht früher übermittelt?

Der ehemalige brandenburgische Landeselternsprecher René Mertens zeichnete ein desolates Bild von der Corona-Politik Brandenburgs. Er war als Zeuge im bundesweit einzigen Corona-Untersuchungsausschuss im Landtag Brandenburg geladen. Doch auch die Ausführungen eines Vertreters der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg hinterließen Verwunderungen bei den Ausschussmitgliedern.
Titelbild
Vernehmung von René Mertens, ehemaliger Sprecher des Landesrates der Eltern für das Land Brandenburg, bei der 12. Sitzung des Corona-Untersuchungsausschusses im brandenburgischen Landtag in Potsdam am 1. März 2024.Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times
Von 7. März 2024

Bei der Zeugenbefragung am 1. März beim bundesweit einzigen Corona-Untersuchungsausschuss im brandenburgischen Landtag wurde auch Lutz Freiberg, Geschäftsbereichsleiter Verträge/Forschung und Entwicklung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB), befragt.

Dabei ging es auch um die Frage, ab wann und an wen die KVBB die Daten zu den COVID-Impfungen im Land Brandenburg sendete. Alle 17 Kassenärztlichen Vereinigungen in der Bundesrepublik waren laut dem Infektionsschutzgesetz dazu verpflichtet, Abrechnungsdaten niedergelassener Ärzte und aus den landeseigenen Impfzentren zu Impfungen an das Robert Koch-Institut (RKI) zu übermitteln.

Mithilfe dieser Daten ließen sich Impfquoten, Erkrankungs­zahlen, die Häufigkeit von Impfnebenwirkungen und somit die Impfstoffwirksamkeit und -sicherheit erfassen. Diese Daten sollten der Politik helfen, Entscheidungen zur COVID-Impfstrategie zu treffen.

Laut Freiberg startete die KVBB die reguläre Datenübertragung am 7. Juni 2021. Ab diesem Tag konnten auch niedergelassene Privatärzte in Brandenburg impfen, da an dem Tag das Bundesgesundheitsministerium die Impfpriorisierung vollständig aufhob. Allerdings trat das Infektionsschutzgesetz bereits am 1. Januar 2021 in Kraft und damit auch die Verpflichtung für die KVBB, die entsprechenden Daten ans RKI zu übermitteln.

Für das Untersuchungsausschuss-Mitglied Saskia Ludwig (CDU) wirft das Fragen auf: „Es gab ja schon vorher Impfungen. Warum wurden die Daten nicht schon früher übermittelt? […] Habe ich keine vernünftige Datengrundlage, kann ich auch keine vernünftigen Entscheidungen treffen.“

Ministerium konzentrierte sich auf internationale Studien

Brandenburgs Gesundheitsministerin Dr. Ursula Nonnemacher (Grüne) erklärte, dass man sich bei der Beurteilung der Corona-Lage auf internationale Studien konzentrieren würde und sich auf die Aussagen der Bundesbehörden RKI und PEI mit ihrer Kompetenz verlassen habe. Eigene Studien strenge man gar nicht an, „wir haben ja auch keine Universitätsklinik“, so ihre Begründung.

Ludwig zeigte sich verwundert: „Ich erwarte von einer Landesregierung, dass man sich Gedanken macht, wie man eine vernünftige Datenlage bekommt – da kann ich nicht woanders hin verweisen.“

Und fragt, wozu man ein eigenes Gesundheitsministerium brauche, wenn es sich nicht verpflichtet fühle, vernünftige Daten als Grundlage zu haben. Man hätte sich um Studien zur COVID-Impfung bemühen müssen, denn es habe Ungereimtheiten gegeben. „Alles andere ist unglaubwürdig.“

Für Ludwig macht es wenig Sinn, mit Kosten zu argumentieren, wie Nonnemacher es tat, wo Bundesländer sich doch für Studien zusammenschließen könnten. Berlin und Brandenburg arbeiten eng in vielen Bereichen zusammen. In der Hauptstadt gibt es die Charité als renommierte Universitätsklinik.

Für die CDU-Politierin habe die Zeugenbefragung noch einmal deutlich gemacht, dass die Datengrundlage für die Entscheidungen der brandenburgischen Regierung sehr dünn gewesen sei.

„Wir haben eine Strategie vermisst“

Auch der ehemalige Sprecher des Landesrates der Eltern für das Land Brandenburg, René Mertens (50), wurde befragt. Er war bis April 2022 in dieser ehrenamtlichen Funktion tätig.

Er erklärte: „Wir haben zu sehr vielen Ministeriumsentscheidungen Stellung genommen.“ So habe man sich als Elternrat erfolgreich für eine Testmöglichkeit zu Hause eingesetzt. Auch die Qualität der Tests habe man kritisiert. So sei die Pufferflüssigkeit teilweise eingetrocknet gewesen oder der Beipackzettel habe gefehlt. Auch habe er Rückmeldungen aus der Elternschaft zu falsch-positiven Testergebnissen erhalten.

Jedoch zur Infektionsverordnung, die das brandenburgische Gesundheitsministerium verantwortete und die das Landeskabinett gemeinsam beschloss, habe man sich nicht äußern dürfen. Da hieß es immer, das sei Sache des Gesundheitsministeriums.

Der Landeselternrat berät das Bildungsministerium und ist zu dessen Entscheidungen anhörungspflichtig. Das Ministerium ist jedoch nicht daran gebunden, die Empfehlungen des Rates umzusetzen.

Im Landesschulbeirat, dem höchsten bildungspolitischen Mitwirkungsgremium im Land, sitzen auch Vertreter des Landeselternrates. „Schüler und Eltern haben auch dort ihre Erfahrungen oder ihre kritischen Punkte eingebracht.“ Laut Mertens sei während seiner Zeit als Elternsprecher dort das Gesundheitsministerium nie anwesend gewesen.

„Das Bildungsministerium konnte nie konkret sagen, wie die Schulen den Distanzunterricht umsetzen sollen“, kritisiert er. Das Ministerium hatte seinem Eindruck nach keinen wirklichen Einfluss darauf.

Wir haben eine Strategie vermisst“, so Mertens.

So begründet er dann auch den großen qualitativen Unterschied beim Distanzunterricht zwischen den Schulen. Während es an einem Teil der Schulen durchweg Onlineunterricht nach dem regulären Stundenplan gab, gab es auch Schulen, wo die gesamte Lehrerschaft „abgetaucht“ sei und die Familien sich selbst überlassen wurden, so Mertens bei der Befragung.

E-Mail-Adresse wurde abgeschaltet

Im Interview nach der Sitzung erklärte er: „Uns ging es immer darum, Bildungsverluste zu minimieren und uns für die Bildung unserer Kinder einzusetzen und dafür zu sorgen, dass ein vernünftiger Unterricht stattfindet, in welchem Rahmen auch immer, ob digital oder im Wechselmodell. Wir wollten einfach, dass Bildung stattfindet und nicht ausfällt.“

Im Zeugenstand berichtet er, dass sich die Landeselternvertreter einen E-Mail-Kontakt vom Bildungsministerium geben ließen, an den sich die Eltern für Fragen wenden konnten. „Diese E-Mail-Adresse wurde, weil sie so stark mit Mails geflutet wurde, dann wieder abgeschaltet.“

Nach seiner Erinnerung wurde der Landeselternrat nicht in die Impfkampagne des Bildungs- und Gesundheitsministeriums eingebunden.

Alle weiterführenden Schulen Brandenburgs erhielten im Sommer 2021 vom Bildungsministerium Informationsmaterial zur COVID-Impfung für zwölf- bis 17-jährige Schüler. Unter dem Motto „Impfen macht Schule“ wurden rund 125.000 Impfflyer und circa 3.000 Plakate versandt. Dazu gab es ein Schreiben an alle Eltern des Landes mit schulpflichtigen Kindern ab zwölf Jahren. Es war von der damaligen Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), Ehefrau von Olaf Scholz, und der heute noch amtierenden Gesundheitsministerin Nonnemacher unterschrieben.

In dem Brief hieß es, mit der Impfung wolle man schwere Krankheitsverläufe und Langzeitfolgen durch COVID-19 in der Bevölkerung „so weit wie möglich“ reduzieren. „Für Kinder und Jugendliche besteht ein höheres Risiko für eine Infektion mit der Delta-Variante.“ Dazu gab es noch den Hinweis, dass Schüler ab dem 16. Lebensjahr keine Einwilligung der Eltern zur Impfung benötigen. „Wir sind optimistisch, dass sich durch die flächendeckenden Impfangebote für Eltern und Schüler das Infektionsgeschehen weiter eindämmen lässt“, hieß es abschließend in dem Schreiben.

Zu Impfflyern war Elternschaft gespalten

„Zu den Impfflyern des Bildungsministeriums waren die Elternvertreter sehr gespalten“, erklärt der ehemalige Elternsprecher. Bei den Impfbussen habe sich der Elternrat herausgehalten. „Wir wollten weder dafür noch dagegen werben, das sollte eine alleinige Entscheidung der Eltern sein. Das haben wir nicht aktiv unterstützt.“

Ehemalige Bildungsministerin Ernst begründete in einer Sitzung des Untersuchungsausschusses im November 2023 die Impfkampagne damit, dass sich viele Eltern mit dem Wunsch zu einer COVID-Impfung für ihre Schulkinder an sie gewandt hätten.

Aber weder die Vorsitzende des Landesschulbeirates, Ines Mülhens-Hackbarth, die als Zeugin bei der vorletzten Ausschusssitzung am 22. Februar aussagte, noch Mertens konnten bestätigen, dass Eltern sich ihnen gegenüber äußerten, ihr Kind schnellstmöglich impfen lassen zu wollen. „Der Schwerpunkt der Anfragen brandenburgischer Eltern war die Sorge um den Bildungserfolg“, so der ehemalige Sprecher.

Kritik an Maskenpflicht

Mertens berichtete, dass als die Schulschließungen immer länger anhielten, sich Widerstand in der Elternschaft regte. „Dann wurde Wechselunterricht eingefordert.“

Auch habe man sich gegen eine Maskenpflicht ausgesprochen. „Wir haben uns Ende März 2022 auch massiv dafür eingesetzt, dass die Maskenpflicht in den Grundschulen entfällt, weil man keinem Menschen mehr erklären konnte, dass die Kinder vormittags in der Schule mit Maske sitzen müssen und nachmittags zu Hause zusammen ohne Maske spielen.“

Laut Mertens habe es von Eltern im Zusammenanhang mit der Maskenpflicht die Rückmeldung gegeben, dass ihre Kinder über Kopfschmerzen oder Müdigkeit klagten.

Auf die Frage, ob der Landeselternrat bei wichtigen Fragen zum Schulalltag vom Bildungsministerium auch mal übergangen wurde, sagte er: Der Rat sei so oft übergangen worden, dass er nicht wisse, was er zuerst als Beispiel nennen solle.

Man wurde angehört, aber es wurde selten auf einen gehört“, so Mertens.

Im Gespräch mit Epoch Times erklärt er, dass man mit den Corona-Maßnahmen des Bildungsministeriums oft große Bauchschmerzen hatte. „Das haben wir auch dem Ministerium immer so kommuniziert.“

Im Zeugenstand erklärte er dazu: „Wenn es durch die damalige Bildungsministerin Ernst in der Öffentlichkeit hieß, man habe das mit den Elternvertretern besprochen, dann hieß das nicht unbedingt, dass man einer Meinung war.“

„Wir befürchteten massive Bildungsverluste“

Während Mertens Sprecher war, forderte der Landeselternrat den Rücktritt von Ernst als Bildungsministerin; die Corona-Maßnahmen an den Schulen seien mit ein Grund dafür gewesen, erklärte Mertens. „Es gab einen Mangel an Kommunikation, eine mangelnde Umsetzung von Absprachen und Vorhaben in den Schulen, sodass wir massive Bildungsverluste für unsere Kinder befürchteten.“ Sie seien mittlerweile weitestgehend eingetreten.

Die Anzahl von psychischen Problemen bei Kindern und Jugendlichen hätte während Corona stark zugenommen, so Mertens. Psychologen hätten ihm in der Corona-Hochphase berichtet, dass sie überlastet seien und ambulant keine Termine mehr hätten. Auch sprachen sie von einem Anstieg von Suizidversuchen unter Kindern und Jugendlichen.

Die Probleme durch die Corona-Maßnahmen werden uns die nächsten zehn Jahre noch beschäftigen“, ist sich der Brandenburger sicher.

Für das Ausschussmitglied Ludwig „ist wieder deutlich geworden, dass alle Anmerkungen oder Verbesserungsvorschläge des Elternrates vom Ministerium nicht angenommen wurden“.

Trotz massiver Kritik aus dem Elternrat bis hin zur Rücktrittsforderung habe sich am Agieren des Bildungsministeriums nichts geändert. Das hält sie für „hochproblematisch“. Eltern hätten unmittelbar Erfahrungen mit den Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf ihre Kinder gesammelt. „Dass darauf nicht reagiert und nicht in die Abwägung einbezogen wurde, ist eine wichtige Erkenntnis“, so Ludwig.

Anm. d. Red.: Dieser Artikel wurde am 07.03.2024 aktualisiert.



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