Corona-Krise in Deutschland: Bundesländer schränken Großveranstaltungen ein
Im Kampf gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus sollen in Nordrhein-Westfalen Großveranstaltungen mit mehr als tausend Menschen grundsätzlich und zunächst unbefristet abgesagt werden. Einen Erlass mit einer entsprechenden Weisung richtete Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Dienstag an die örtlichen Behörden, wie der Minister vor Journalisten in Düsseldorf sagte. Alternativ zu Absagen könnten Großveranstaltungen im Sport ohne Publikum stattfinden.
„Geisterspiele“ für Fußball-Bundesliga
Erstmals findet in der Fußball-Bundesliga sogenannte Geisterspiele statt, auch andere Sportarten und zahlreiche Kulturveranstaltungen sind betroffen.
Laumann sagte, es gehe auch um „eine Solidaritätsfrage“. Wenn junge Menschen zum Fußball in ein Bundesligastadion gehen und nach ihrer Rückkehr „zu Hause die Oma anstecken“, werde das für die Oma deutlich schlimmere Folgen haben als für die Jungen. Deshalb gehe es hier um gegenseitige Rücksichtnahme.
In Nordrhein-Westfalen gibt es die meisten Fußballbundesligisten, diese dürfen nun vorerst nicht mehr vor Publikum spielen. Als erstes Spiel der Bundesligageschichte wird am Mittwochabend das Rheinderby Borussia Mönchengladbach gegen den 1.FC Köln als sogenanntes Geisterspiel stattfinden.
Das Verbot sei aber „keine Fußballanordnung“, sagte Laumann – es gehe um alle Veranstaltungen dieser Größenordnung. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte, wer sich nicht an die Vorgaben handle, begehe eine strafbare Ordnungswidrigkeit. In Köln wurde am Dienstag das internationale Literaturfestival lit.cologne abgesagt.
Bundesweite Resonanz auf Veranstaltungsverbot
Mit Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg griffen die bevölkerungsreichsten Bundesländer die Empfehlung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf, Veranstaltungen mit mehr als tausend Teilnehmern zu untersagen. Auch Thüringen, Bremen, Schleswig-Holstein, Hessen und Rheinland-Pfalz nahmen den Vorschlag auf.
„Angesichts der jüngsten Entwicklungen in Italien und des aktuellen Verlaufs der SARS-CoV-2-Infektionen lässt sich die Gefahr einer Virusübertragung bei großen Menschenansammlungen, insbesondere in geschlossenen Räumen, nicht sicher beurteilen“, erläutert Kai Klose, Hessischer Minister für Soziales und Integration.
Hessen habe deshalb heute entschieden, Veranstaltern und Gesundheitsbehörden ebenfalls die Absage solcher Veranstaltungen zu empfehlen. „Wenn Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus vom Robert-Koch-Institut definierten Risikogebieten zu erwarten sind, legen wir die Absage auch bei einer niedrigeren zu erwartenden Teilnehmendenzahl als 1.000 nahe.“
Zeitliche Befristungen für Veranstaltungsverbot
Erhebliche Unterschiede gibt es in der Dauer der Entscheidungen. Am Weitesten ging Nordrhein-Westfalen, das auf eine zeitliche Befristung des Verbots vollständig verzichtete. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, derzeit könne niemand sagen, wie lange die Epidemie anhalte. Deshalb sei eine unbefristete Entscheidung die richtige.
Bei Veranstaltungen mit weniger als tausend Menschen müssen die örtlichen Gesundheitsbehörden demnach ein Prüfkatalog abarbeiten, der sich an den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts orientiert. Geprüft werden müssen Laumann zufolge im Wesentlichen mögliche Risikofaktoren bei der Zusammensetzung der erwarteten Teilnehmer sowie bei Art und Ort der Veranstaltung.
Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen waren zuletzt mehr als 480 bestätigte Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus gezählt worden – deutlich mehr als in allen anderen Bundesländern. Zwei Menschen aus Essen und dem besonders betroffenen Kreis Heinsberg starben.
Bayern setzt Frist auf 19. April
Bayern befristete sein Verbot zunächst auf das Ende der bayerischen Osterferien, den 19. April. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, je nach Entwicklung könne dies aber jederzeit verlängert werden. Söder warnte Veranstalter dabei davor, bei den Teilnehmerzahlen zu schummeln. „Wir legen Wert darauf, dass es keine Tricksereien gibt“, sagte er.
Bei Veranstaltungen von 500 bis tausend Teilnehmern sollten in Bayern die Kreisverwaltungsbehörden eine Risikobewertung vornehmen. Betroffen von einem Verbot seien auch die in Bayern in der Fastenzeit beliebten Starkbierfeste. Die staatlichen Theater, Konzertsäle und Opernhäuser in Bayern bleiben bis 19. April ebenfalls geschlossen.
Schleswig verhängt Verbot bis 10. April
In Schleswig-Holstein gilt das Veranstaltungsverbot zunächst bis zum 10. April, wie Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte. Damit solle ein Beitrag geleistet werden, Infektionsketten möglichst zu unterbrechen. Die Landesregierung unternehme damit Verantwortung auch für die Einschränkungen, die auf die Bürger zukommen. In Bremen gelten die Verbote zunächst bis einschließlich 26. März.
Die Zahl von tausend Teilnehmern wurde politisch, nicht medizinisch festgelegt. Auch bei kleineren Veranstaltungen gibt es ein Ansteckungsrisiko.
RKI-Chef fordert Aktivierung der Krisenpläne
Das Robert-Koch-Institut (RKI) rief die Gemeinden und Krankenhäuser in Deutschland auf, ihre Krisenpläne zu aktivieren. „Es ist eine ernste Situation“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. „Ich fordere alle Bürgermeister und Landräte auf, ihre Krisenpläne zu aktivieren“, sagte Wieler. Er fordere auch alle Ärzte dazu auf – die Krankenhäuser müssten sich darauf vorbereiten, ihre Strukturen anzupassen.
„Wir stehen am Anfang dieser Epidemie“, sagte Wieler. „Wir werden sie nur bewältigen, wenn alle Verantwortungsträger mit dieser bevorstehenden Krise entsprechend umgehen.“ Das RKI erklärte mittlerweile ganz Italien zu einem Risikogebiet. Für Deutschland stuft es in der Risikobewertung die Gefahr als „mäßig“ ein. Es gebe aber auch in Deutschland besonders gefährdete Gebiete, vor allem den nordrhein-westfälischen Landkreis Heinsberg.
Nach den seit Montagnachmittag nicht weiter aktualisierten Zahlen des RKI gibt es in Deutschland 1139 bestätigte Erkrankungen, zwei Menschen in Nordrhein-Westfalen starben. Noch nicht berücksichtigt in den RKI-Zahlen sind die mittlerweile in Sachsen-Anhalt bestätigten fünf Erkrankungen, womit auch das letzte Bundesland Coronavirusfälle meldete. (pr/afp/sua)
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