Corona-Aufarbeitung in Wahlprogrammen: Nur AfD, BSW und FDP verlangen Untersuchungsausschuss
„Corona ist vorbei“, diesen Satz hören viele, die auch knapp fünf Jahre nach Beginn der insgesamt drei Jahre währenden Krise über all die Grundrechtseinschränkungen und ihre Folgen für Gesundheit, Wirtschaft und Gesellschaft sprechen möchten.
Insbesondere jene Mitbürger, die nie ein Problem mit den staatlich verordneten Maßnahmen hatten, zeigen erfahrungsgemäß wenig Interesse daran, noch heute über die Hintergründe von Maskenpflichten, Besuchsverboten oder über die Hochphase des politmedialen Impfdrucks in den Monaten bis Frühjahr 2022 zu sprechen. Speziell die gesellschaftliche Ausgrenzung Ungeimpfter und jene Drohungen, die die Menschen zur COVID-19-Impfung bewegen sollten, ließen Freundschaften zerbrechen und spalten Familien bis heute.
Bei Millionen Menschen sorgte die Aushebelung grundgesetzlich verbriefter Rechte dafür, ihr Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig zu zerstören.
Bislang keine Einigung über Format
Eine bundespolitische Aufarbeitung der Interessenlage hinter den Kulissen ist noch immer nicht in Sicht: Die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP konnten sich trotz ihrer angeblichen Wünsche nach einer kritischen Nachbetrachtung im Bundestag nie darauf einigen, mit welchen organisatorischen Mitteln man eine solche Rückschau anstellen sollte. Die SPD plädierte für einen Bürgerrat, der Favorit der FDP war lange Zeit eine Enquete-Kommission. Die Grünen legten sich nicht auf ein Format fest.
Die Unionsfraktion im Bundestag sprach sich in Gestalt ihres gesundheitspolitischen Sprechers Tino Sorge für „Parlamentarier im Rahmen der Bund-Länder-Kommission“ als Aufarbeitungsgremium aus.
Im aktuellen Wahlkampf für die Bundestagswahl am 23. Februar scheint das Thema und die RKI-Protokolle nun kaum noch eine Rolle zu spielen: Über die Migrationskrise, den Krieg in der Ukraine, das Bürgergeld, den wirtschaftlichen Absturz des Industriestandorts und das hohe Preisniveau insbesondere bei Lebensmitteln, Energie, Heiz- und Wohnkosten wird knapp zwei Jahre nach Ende aller Coronamaßnahmen deutlich mehr gestritten.
Nur drei Parteien für bundesweiten U-Ausschuss
Unter den im Bundestag vertretenen Parteien machen sich lediglich die beiden Oppositionsparteien Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die Alternative für Deutschland (AfD) sowie die FDP zumindest noch in ihren offiziellen Wahlprogrammen für eine Corona-Aufarbeitung per Untersuchungsausschuss stark.
Bei der FDP setzte sich die Überzeugung für dessen Notwendigkeit offensichtlich erst nach dem Ampelbruch vom 6. November 2024 durch. Noch Ende Oktober hatte der damalige FDP-Justizminister Marco Buschmann lediglich eine Enquete-Kommission vorgeschlagen. Im aktuellen Wahlprogramm (PDF) heißt es nun: „Wir Freie Demokraten fordern einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, um echte Aufklärung und Transparenz durch ein geordnetes Verfahren zu gewährleisten und Handlungsempfehlungen für zukünftige Krisen zu geben“.
Eine Empfehlung der FDP für die Gegenwart gibt es schon: Die „während der Corona-Pandemie eingeführten Sonderregelungen zur telefonischen Krankschreibung“ sollen nach Vorstellung der Liberalen abgeschafft werden.
Die FDP muss mit Umfragewerten unter fünf Prozent und wenig Aussicht auf Direktmandate allerdings um ihren Einzug in den Plenarsaal fürchten.
BSW und AfD seit jeher für U-Ausschuss in Berlin
Das BSW steht mit Werten zwischen vier und sieben Prozent ebenfalls auf der Kippe. Seit sich das Bündnis Ende Januar 2024 gegründet hatte, gehörte die Forderung nach einem Corona-Untersuchungsausschuss zu seinen Kernforderungen. Dem aktuellen Wahlprogramm (PDF) ist zu entnehmen, dass es nach BSW-Vorstellungen eine systematische Erfassung und Entschädigung von Impfschäden, eine „Stärkung der behördeninternen Selbstkontrolle“ und ein Corona-Amnestiegesetz geben sollte.
Auch die AfD bleibt in ihrem Programmentwurf zur Bundestagswahl (PDF), der am kommenden Wochenende beim Bundesparteitag in Riesa verabschiedet werden soll, ihren seit Jahren bekannten Forderungen treu. Demnach seien sämtliche Entscheidungsträger „von interessensgesteuerten, entgegen der Wissenschaft herbeigeführten Maßnahmen“ zur Verantwortung zu ziehen sowie die „zu Unrecht Verurteilten wieder vollständig“ zu rehabilitieren und zu entschädigen. Außerdem sollen die Coronagesetze und -richtlinien überprüft und „gegebenenfalls“ wieder gestrichen werden.
Im AfD-Programmpunkt „Hinweisgeber (Whistleblower) schützen“, weist die Partei darauf hin, dass manche Untersuchungsausschüsse – insbesondere im Fall von Corona – bislang verweigert wurden.
Sollten BSW und FDP es nichts ins Parlament schaffen, bliebe die AfD bundesweit die einzige Kraft, die auf einen Untersuchungsausschuss für die gesamte deutsche Coronapolitik pochen könnte. Um ihn im Alleingang auf den Weg zu bringen, wäre laut Artikel 44 des Grundgesetzes ein Viertel der Sitze im Bundestag nötig.
Schweigen bei Union, Linken und Grünen – SPD vermeidet Konkretisierung
Bei der Noch-Kanzlerpartei SPD kommt der Begriff Corona im Wahlprogramm (PDF) genau zweimal vor: einmal als Zeitmarke für den Beginn des Lebensmittelpreisanstiegs, einmal aber auch beim Kapitel über Gesundheitsversorgung. Die Sozialdemokraten versprechen demnach, „das staatliche Krisenmanagement in der Corona-Pandemie umfassend aufarbeiten“ zu wollen, „um daraus lernen zu können“. Konkrete Ansagen über das bislang von SPD-Größen wie Kanzler Olaf Scholz favorisierte Gremium eines Bürgerrats fehlen.
Die derzeit größte Oppositionskraft im Bundestag und womöglich die nächste Kanzlerfraktion sieht dagegen offenbar keinen Grund mehr, überhaupt zurückzublicken: Im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU (PDF) tauchen die Worte Corona oder COVID-19 ebenso wenig auf wie der Terminus Untersuchungsausschuss.
Dasselbe gilt für die Linke: Kein Blick zurück im Entwurf des Wahlprogramms (PDF), was die Coronapolitik angeht, auch nicht im Kurzwahlprogramm (PDF).
Das Wahlprogramm der Grünen (PDF) kennt das Wort Aufarbeitung nur im Kontext der deutschen Kolonialgeschichte und mit dem Umgang von Opfern von Terroranschlägen. In ihrem Abschnitt über Gesundheitspolitik fordern die Grünen, dass „Projekte zur Ursachen- und Versorgungsforschung ausreichend finanziert und vorangetrieben werden“ sollen, und zwar „mit Blick auf die steigende Anzahl von Betroffenen von ME/CFS und Long Covid“.
Generell verfolgen die Grünen einen gesundheitspolitischen Ansatz, der eine „globale und vorausschauende Zusammenarbeit erfordert. In diesem Sinne wollen wir Partnerländer im Aufbau ihrer Gesundheitssysteme unterstützen, die Weltgesundheitsorganisation stärken und langfristige Forschungs- und Entwicklungskooperation fördern“.
Untersuchungsausschüsse in den Ländern
Brandenburg war das erste Bundesland, in dem die Coronapolitik der Regierungskoalition aus SPD, CDU und Grünen im Rahmen zweier Untersuchungsausschüsse bereits unter die Lupe genommen wurde – allerdings eben nur auf Länderebene.
Gut zwei Monate vor der jüngsten Brandenburg-Wahl am 22. September 2024 stellte der auf Antrag der AfD-Fraktion eingesetzte Ausschuss seine Arbeit unter dem Vorsitz der CDU mit einem 1.644 Seiten starken Zwischenbericht vorläufig ein. Konsequenzen für die Handelnden blieben aus. Nach Informationen des „Tagesspiegel“ (Bezahlschranke) will der brandenburgische AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt bis auf Weiteres auf einen weiteren Corona-Untersuchungsausschuss verzichten.
Am 18. Juni rangen sich die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP im Wiesbadener Landtag dazu durch, einen U-Ausschuss zur Aufarbeitung der hessischen Corona-Politik einzuberufen. Nach Angaben eines AfD-Fraktionssprechers enthielt die Antragsversion allerdings nur noch sieben jener 43 Untersuchungspunkte, die die AfD-Fraktion in ihren eigenen Entschließungsantrag (PDF) geschrieben hatte. Dagegen hat die AfD Klage eingereicht. Der Ausschuss hat seine Arbeit wegen Uneinigkeiten über den Umfang der Aufarbeitung sowie die Zahl der Mitglieder noch nicht aufgenommen.
Indessen hat der hessische Landtag im Dezember 2024 beschlossen, die Coronazeit auf andere Art und Weise aufzuarbeiten. Wie die „Hessenschau“ berichtet, kam der Vorschlag aus den Reihen der Koalition von CDU und SPD. Während sich die Grünen dem anschlossen, enthielt sich die FDP. Die Liberalen sprachen von einer halbherzigen Aktion. Die AfD stimmte dagegen. Sie warf der Landesregierung ein Ablenkungsmanöver vor.
In Sachsen wurde ein Corona-Untersuchungsausschuss erstmals Ende Oktober 2024 eingesetzt, dieses Mal mit den Stimmen der AfD- und der BSW-Landtagsfraktion. Die Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und Linken hatten das Vorhaben abgelehnt. Doch nach der Landtagswahl vom 1. September hätten allein die Stimmen der AfD genügt.
Im Thüringer Landtag liegen zwei Anträge vor
Das Thema Corona U-Ausschuss hat ebenfalls den neu gewählten Landtag in Thüringen beschäftigt. Zunächst hatten die BSW-Fraktion und ein Teil der CDU-Fraktion einen entsprechenden Antrag gestellt. Die AfD-Fraktion zog wenige Wochen später mit einem eigenen Antrag nach. Die Frage, ob beziehungsweise wie die beiden Anträge koordiniert werden könnten, muss nach Informationen von „n-tv“ noch in den Landtagsausschüssen geklärt werden.
Generell dienen Untersuchungsausschüsse der parlamentarischen Kontrolle der Regierung mit dem Ziel der Aufdeckung der Verantwortung für politische Missstände. Über Befragungen von Entscheidungsträgern, Fachexperten und Gutachtern werden dafür die erforderlichen Beweise erhoben.
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