Corona-Aufarbeitung: Viele Meinungen, wenig Konkretes
Sollte es eine politische und gesellschaftliche Aufarbeitung der Corona-Pandemie und ihrer Folgen geben? Wenn ja, wie könnte oder sollte sie aussehen? Wenn nein, warum nicht? Ist eine Aufarbeitung überhaupt möglich? Viele Meinungen und Vorschläge stehen derzeit zur Diskussion im Raum. So favorisiert die FDP etwa eine Enquete-Kommission, während der AfD die Möglichkeiten dieses Gremiums nicht weit genug gehen und die Bundestagsfraktion daher für einen Untersuchungsausschuss ist.
Der richtige Weg der Aufarbeitung
In der Meinungsfindung über den richtigen Weg gibt es eine Reihe von Stimmen, die einen Haken hinter das Thema Aufarbeitung machen möchten, noch bevor sie überhaupt in Gang gekommen ist.
Die Veröffentlichung der Protokolle des Robert Koch-Instituts (RKI-Files), über die auch Epoch Times mehrfach berichtete, könnte so manchen Politiker in Erklärungsnöte bringen, weil sie aufzeigen, wer was zu welchem Zeitpunkt wusste.
Doch welche Möglichkeiten bieten sich der Politik für eine Aufarbeitung? Am häufigsten werde Untersuchungsausschuss, Enquete-Kommission und der kürzlich neu formierte Expertenrat ins Spiel gebracht. Letzter hat bereits eine Stellungnahme zur Aufarbeitung abgegeben, doch dazu später.
Enquete-Kommission
Eine Enquete-Kommission dient der Untersuchung komplexer Sachverhalte, um Empfehlungen für politische Maßnahmen zu erarbeiten. Sie wird temporär eingesetzt. Beantragt ein Viertel der Mitglieder des Bundestags dieses Gremium, ist der Bundestag dazu verpflichtet, es zu bilden.
Abgeordnete sowie externe Experten können Mitglied einer Enquete-Kommission sein. In erster Linie besteht die Aufgabe darin, Lösungen und Handlungsansätze zu erarbeiten, ohne dabei Verantwortlichkeiten für vergangene Ereignisse zuzuweisen. Auch geht es nicht darum, Konsequenzen für Folgen von Entscheidungen zu fordern.
Untersuchungsausschuss
Eine Enquete-Kommission ist ebenso ein Instrument parlamentarischer Arbeit wie der Untersuchungsausschuss. Dieser hat jedoch andere Ziele und Arbeitsweisen und ist im Vergleich kritischer. Unabhängig von anderen Staatsorganen prüft er mögliche Missstände in Regierung und Verwaltung und mögliches Fehlverhalten von Politikern.
Wie bei der Enquete-Kommission muss der Bundestag einen Untersuchungsausschuss einsetzen, wenn ein Viertel der Abgeordneten diesen beantragt. Im Ausschuss können Zeugen und Sachverständige vernommen werden, auch können die Mitglieder Einsicht in Akten erhalten. Das Ergebnis fasst der Untersuchungsausschuss in einem Bericht an das Plenum zusammen.
Expertenrat
Der Expertenrat „Gesundheit und Resilienz“ ist weitestgehend das Nachfolgegremium des Corona-Expertenrates und wird wie dieser vom Bundeskanzleramt eingerichtet. Er ist beratend tätig, damit die Regierung künftigen Gesundheitskrisen „bestmöglich begegnen“ könne.
Söder: Wir haben es überwiegend gut gemacht
Zu den schärfsten Verteidigern der Corona-Maßnahmen und Impfpflicht gehörte etwa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. In einem Interview bei „Maischberger“ (Montag, 8. April 2024) räumte der CSU-Politiker ein, dass „manches überzogen“ war, doch mit der Bilanz zeigt er sich insgesamt zufrieden: „Im Großen und Ganzen haben wir es gut gemacht.“
Einen Tag darauf hatte die AfD-Fraktion das Thema Aufarbeitung in den Mittelpunkt einer Aktuellen Stunde am 9. April 2024 auf die Tagesordnung geschrieben. Söder ist auch dabei, jedoch nicht als Redner, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ (hinter Bezahlschranke). Dafür spricht sein Parteifreund Winfried Bausback. Er wirft der AfD vor, „Dinge zu skandalisieren, die nicht zu skandalisieren sind“. Vielmehr gehe es der Partei darum, „unsere demokratischen Institutionen zu delegitimieren, um nichts anderes“. Bausback erinnerte in dem Zusammenhang daran, dass Bayern mit dem Untersuchungsausschuss zur Maskenaffäre und Schutzmittelbeschaffung „viel geleistet“ habe. Der CSU-Politiker war Vorsitzender dieses Gremiums.
Buyx: „Aufarbeiten, lernen, heilen“
Für Söders Staatskanzleichef Florian Herrmann habe die Staatsregierung ihren Amtseid erfüllt. Wissenschaftliche Perspektiven während eines dynamischen Geschehens seien die Basis für Maßnahmen gewesen. Die habe man „nicht so einfach getroffen“.
Herrmann hob zudem hervor, dass Entscheidungen „nicht im stillen Kämmerlein“ gefallen seien. Sie seien demokratisch durch den Landtag gegangen und von Gerichten überprüft worden. Die meisten Verfahren „haben wir gewonnen“. Ähnlich wie Söder am Tag zuvor bei „Maischberger“ sagte der Staatskanzleichef: „Wir wollten das Richtige tun, es ist uns auch größtenteils gelungen.“ Er meint, dass eine Aufarbeitung „seriös“ ablaufen müsse. Dabei betonte er, dass dies auf Basis der Wissenschaft geschehen müsse.
Ethikrat-Vorsitzende Alena Buyx hatte die RKI-Files in einem Interview mit dem „Mitteldeutschen Rundfunk“ (MDR) gar nicht erwähnt, wie Epoch Times berichtete. Die Corona-Zeit dürfe aus ihrer Sicht „nicht nur der Politik umgehängt“ werden, das müsse auch „zivilgesellschaftlich passieren“. Dies sei letztlich etwas, was wir auch alle ein Stück weit selbst mitgestalten müssen. Die Einrichtung einer „Versöhnungskommission“ finde sie „sehr gut“.
„Aufarbeiten, lernen, heilen“ lautet das Credo von Alena Buyx. Allerdings will sie keine Suche nach Schuldigen, das sei nicht hilfreich.
Rheinland-Pfalz sieht den Bund in der Verantwortung
In Rheinland-Pfalz will man es offenbar bei einer parlamentarischen Aufarbeitung belassen. Wie die „Rhein-Zeitung“ (Bezahlschranke) schreibt, lehnen die Ampel-Fraktionen wie auch der überwiegende Teil der Opposition eine Enquete-Kommission des Landtags ab.
Dies habe eine Umfrage der „Deutschen Presseagentur“ in Mainz ergeben. Lediglich die AfD-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete Andreas Hartenfels (früher Linke, jetzt Bündnis Sahra Wagenknecht) fordern diese überfraktionelle Arbeitsgruppe.
Weil es im Jahr 2020 bereits eine Enquete-Kommission mit dem Titel „Vorsorge- und Bekämpfungsmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus in Rheinland-Pfalz und Konsequenzen für die Pandemie-Politik“ gegeben hat, sehen die Grünen im Landtag keine erneute Notwendigkeit.
Gesundheitsexperte Josef Winkler hält bestenfalls eine Enquete-Kommission auf Bundesebene für sinnvoll. Er begründet das damit, dass der Bund maßgebliche Rechtsgrundlagen (Infektionsschutzgesetz, Impfempfehlungen) verabschiedet habe.
Ähnlich argumentierte auch Steffen Wink (FDP), der die Bildung eines solchen Gremiums auf Bundesebene für zweckmäßiger hält.
Doch auf den Bundestag dürfen Befürworter einer Aufarbeitung wohl derzeit keine Hoffnung setzen. Man fürchtet wohl „parteipolitische Zuweisungen“, berichtete die „Frankfurter Rundschau“. So sagte Erwin Rüddel (CDU), der bis zur Bundestagswahl 2021 Vorsitzender des Gesundheitsausschusses war: „Es ist wichtig, dass ohne Schuldzuweisungen Lehren aus der Vergangenheit gezogen werden.“ Und: „Wir hatten in der Pandemie immer mehrere Handlungsoptionen. Unsere Entscheidungen haben wir damals nach bestem Wissen und Gewissen getroffen“, zitiert ihn die Zeitung.
Absage an Enquete-Kommission
Es sei wichtig, „dass die Entscheidungen und Folgen ausgewertet werden, damit die gleichen Fehler nicht noch einmal gemacht werden“. An der Zweckmäßigkeit einer Enquete-Kommission zweifelt Rüddel. Er spricht sich für ein unabhängiges Gremium aus. Es dürfe keines sein, „das durch Parteipolitik die Aufarbeitung eher behindert“.
Auch Janosch Dahmen, Gesundheitsexperte der Grünen, hält eine Enquete-Kommission für „das falsche Instrument. Das Letzte, was es jetzt braucht, ist zusätzlicher parteipolitischer Streit und eine weitere Bühne für Populisten und ihre Desinformation“.
Selbstverständlich müssten nach der Krise Erfahrungen ausgewertet werden, um sich für die Zukunft besser zu rüsten. Dafür ist nach Dahmens Ansicht der erst kürzlich von Bundeskanzler Olaf Scholz vorgestellte Expertenrat „Gesundheit und Resilienz“, der die Regierung beraten soll, das passende Gremium (Epoch Times berichtete).
Den Beginn einer Aufarbeitung hatte das Vorgänger-Gremium, der Corona-Expertenrat, verhindert. In seiner letzten Sitzung am 4. April 2023 hatte der danach aufgelöste Rat ein zuvor entworfenes „Lessons Learned-Paper“ abgelehnt. Wie Epoch Times seinerzeit ebenfalls mitteilte, begründeten die Gremiumsmitglieder sowie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), dass die Zeit für eine solche Bilanz bisher nicht reif sei. In einer Äußerung dazu hieß es, „dass die umfassende wissenschaftliche Bewertung innerhalb kurzer Zeit und mit den Ressourcen des Gremiums nicht möglich erscheint“.
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