Chatkontrolle: EU will private Kommunikation scannen – Bundesregierung könnte zustimmen
Die geplante EU-Verordnung zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern wirft ihre Schatten voraus. Die Plattform „Netzpolitik“ schlägt Alarm bezüglich einer möglichen umfassenden Chatkontrolle mittels sogenannter Client Side Scanner. Sie befürchtet, die deutsche Bundesregierung könnte einer anlasslosen und verpflichtenden Überwachung und dem Scannen privater Chats durch Internetdienste zustimmen.
Bereits im Dezember des Vorjahres hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann auf Twitter verkündet, die Bundesregierung lehne eine solche Vorgehensweise ab. Eine anlasslose Überwachung privater Kommunikation habe „im Rechtsstaat nichts zu suchen“, so der FDP-Minister. Die „Tagesschau“ sprach von einer „leisen Absage an die Chatkontrolle“. Am Montag, 17. April, hat Buschmann diese Position auf Twitter erneut verkündet.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser wollte sich diesbezüglich hingegen weniger deutlich festlegen. In der Bundespressekonferenz meinte sie im Dezember kryptisch, sie wolle sich dem Client Side Scanning „nähern“. Es gehe, so Faeser, aber „nicht darum, diese Technik auf privaten Endgeräten zu installieren“.
CCC: Chatkontrolle wäre Bruch des Koalitionsvertrages
Dies ist aber auch nicht erforderlich, um eine umfassende Kontrolle privater Chats zu gewährleisten. Es würde dazu ausreichen, Messengerdienste wie WhatsApp oder Signal zu verpflichten, Texte und Bilder auf den Endgeräten der Nutzer zu scannen. So lassen sich Chats auch vor und nach ihrer Verschlüsselung abgreifen.
Eine Absage an diese Form der Überwachung vermisst etwa der Chaos Computer Club (CCC) in der gemeinsamen Position der Bundesregierung zur geplanten EU-Verordnung. Eine solche hat diese aber bereits, wie „Netzpolitik“ berichtet, an den Rat der EU übermittelt. Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums habe dies auch bestätigt.
Letzte Woche hat sich die Bundesregierung auf eine „gemeinsame Position“ geeinigt und diese „an den Rat der EU übermittelt“. Das bestätigt uns eine Sprecherin des Innenministeriums. Der CCC spricht bereits von einem „Bruch des Koalitionsvertrages“. In diesem hieß es, private Kommunikation solle nicht vom Staat anlasslos und massenhaft gescannt werden. Vielmehr solle es ein Recht auf verschlüsselte Kommunikation geben.
Manche Anbieter wie Google, Apple und Meta verwenden Client Side Scanner bereits freiwillig, wozu sie eine EU-Verordnung im Zuge einer „vorübergehenden Ausnahme“ ermächtigt. Die EU-Kommission will Anbieter künftig jedoch generell zum Scannen verpflichten.
Chatkontrolle mittels Client Side Scanner kann auch von Anbieter ausgehen
In seiner ursprünglichen Verwendung ist ein Client Side Scanner ein Instrument zum Schutz des Anwenders. Es handelt sich dabei um eine Art von Antivirussoftware. Diese wird auf dem Computer oder anderen Geräten des Benutzers installiert, um schädliche Inhalte und Bedrohungen zu erkennen und zu blockieren. Im Gegensatz zu herkömmlichen Antivirusprogrammen, die auf einem zentralen Server ausgeführt werden, arbeitet der Client Side Scanner lokal auf dem Endgerät des Benutzers.
Der Client Side Scanner ist so konzipiert, dass er das Dateisystem des Geräts, auf dem er installiert ist, regelmäßig überwacht. Dabei prüft er alle eingehenden Dateien auf Viren und Malware. Wenn der Scanner schädliche Inhalte entdeckt, warnt er den Benutzer oder blockiert den Zugriff auf die Datei. Auch kann er die betroffene Datei automatisch in Quarantäne verschieben, um die Infektion des Systems zu verhindern.
Wo jedoch gesetzliche Bestimmungen Internetdienstanbietern erlauben oder vorschreiben, bestimmte Formen der Kommunikation zu scannen, können Grundrechte verletzt sein. Der Client Side Scanner würde dann verdächtige Dateien in die Sphäre des Anbieters verschieben, damit dieser weitere Veranlassungen treffen kann.
Die EU will konkret Anbieter von Kommunikationsdiensten oder Hosting verpflichten, alle hochgeladenen Inhalte auf kinderpornografische Darstellungen zu scannen und diese zu melden. Dies soll einen effektiveren Kampf gegen Kinderpornografie und sogenanntes Grooming gewährleisten.
Anwendungsbereiche ließen sich beliebig erweitern
Bereits im Mai 2022 warnte der Netzwerkexperte Rene Mayrhofer von der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) vor den Plänen der EU zur Überwachung der Onlinekommunikation. Der Kampf gegen die Kinderpornografie sei nur vorgeschoben, so Mayrhofer. Die Anwendungsbereiche ließen sich bei Bedarf problemlos erweitern.
Und das, obwohl Brüssel die technischen Möglichkeiten, um verbotene Inhalte mithilfe von Scannern zu erkennen, überschätze. Vielmehr seien bestehende Technologien nicht ausreichend verlässlich und zu fehleranfällig. Selbst eine Fehlerquote im Promillebereich könnte unzählige Menschen zu Unrecht dem schwerwiegenden Verdacht des Kindesmissbrauchs aussetzen.
Ein Twitter-Nutzer weist darauf hin, dass die Bundesregierung selbst ein umfassendes Gesetz zur Bekämpfung „digitaler Gewalt“ plane. Im Begleittext nehme das Kabinett dabei nicht nur explizit Bezug auf Messengerdienste. Auch das Auskunftsverfahren soll eine Erweiterung erfahren – unter anderem auf mutmaßlich wahrheitswidrige Restaurantkritiken auf Google.
In den „Oberösterreichischen Nachrichten“ (OÖN) erklärte Mayrhofer, das Vorhaben gefährde nicht nur Freiheitsrechte und Privatsphäre der Bürger. Auch der Technologiestandort Europa werde immer unattraktiver. Die hohen Kosten der Umsetzung der Vorschriften und die staatliche Gängelung würden die EU im Standortwettbewerb noch weiter hinter Nordamerika oder Asien zurückwerfen.
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