CDU will Bürgergeld abschaffen – und den Sozialstaat neu ausrichten

Die CDU will Flüchtlingen aus der Ukraine das Bürgergeld streichen, und auch neue Bedingungen für andere Nutznießer stellen. In den Koalitionsverhandlungen mit der SPD einigten sich beide Parteien auf eine Überarbeitung.
Bürgergeld wird an schärfere Bedingungen geknüpft.
Beim Thema Bürgergeld haben sich CDU und SPD offenbar auf eine Marschrichtung verständigt.Foto: Carsten Koall/dpa
Von 22. März 2025

„Wir setzen die falschen Anreize, auch durch das Bürgergeld, das die Flüchtlinge aus der Ukraine sofort erhalten. Ich bin deshalb dafür, dass auch für Ukraine-Flüchtlinge ab einem Stichtag das Asylbewerberleistungsgesetz gilt“, sagte Carsten Linnemann, seines Zeichens Generalsekretär der CDU. Das war in der ersten Novemberwoche, als der Wahlkampf für die vorgezogenen Neuwahlen in vollem Gange war. Die Aussage gehörte zu den Wahlversprechen der Union, denn laut Linnemann war sie Teil eines Sofortprogramms, das – nach damaligem Stand – nach einer möglichen Regierungsübernahme greifen sollte.

Fördern und fordern

Bürgergeld weg, „Neue Grundsicherung“ her, die fördere nicht nur, sie fordere auch. „Wer arbeiten kann, aber nicht arbeiten geht, signalisiert dem Staat, dass er nicht bedürftig ist. Dann bekommt er künftig keine Sozialleistung mehr“, sagte Linnemann. Betroffen davon sei eine sechsstellige Zahl an Menschen.

Viel sparen wollte die CDU damals. Die Kürzungen im Bundeshaushalt sollten sich auf zehn Milliarden Euro im Jahr summieren. Denselben Betrag wollte die Union durch eine strengere Migrationspolitik einsparen. „Unter dem Strich müssen wir Richtung 50 Milliarden Euro und mehr kommen, um einerseits die Verteidigungsfähigkeit des Landes zu gewährleisten und diejenigen zu entlasten, die den Karren ziehen in diesem Land“, sagte der CDU-Politiker, der das Grundsatzprogramm der Partei verantwortet hat, zu dem auch Erleichterungen für Rentner gehören. Im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zum Bürgergeld versprach Linnemann Anfang November übrigens auch: „Die Schuldenbremse im Bund ist zementiert.“

Dass die Schuldenbremse bestenfalls in Wackelpudding gegossen war, konnte man in dieser Woche erleben. Und auch um das vollmundig angekündigte Aus für das Bürgergeld gibt es noch keine Klarheit. Denn was die Union will, das müssen die Koalitionspartner noch lange nicht akzeptieren. Und so bahnt sich eine schwierige Verhandlung an.

Bislang gilt wohl noch das, was Kanzlerkandidat Friedrich Merz wenige Tage vor dem Urnengang in Deutschland in der „ARD“-Sendung Wahlarena sagte: „Diejenigen, die nicht arbeiten, aber arbeiten können, werden in Zukunft kein Bürgergeld mehr bekommen.“ Das seien immerhin rund 1,8 Millionen Menschen. Entschlossenheit demonstrierte er, erwartet gar Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht, die er jedoch in Kauf nehmen will.

Scholz hält nichts von Merz‘ Plänen

Bundeskanzler Scholz sprach sich zwar auch für Konsequenzen gegenüber Arbeitsunwilligen aus: „Wir müssen natürlich mit harten Sanktionen dafür Sorge tragen, dass Leute, die konkret mögliche Beschäftigung ablehnen, dann auch von uns angegangen werden können“, sagte er wenige Tage vor der Wahl. Dabei wies er darauf hin, dass es die Gesetze dazu im Bundestag gebe: „Die kann man beschließen.“

Merz‘ Vorschlag hält er jedoch nicht für umsetzbar. Um für Leistungskürzungen zu beweisen, dass jemand nicht arbeiten möchte, müsse man mehr Geld ausgeben und ihm öffentlich geförderte Jobangebote unterbreiten. Leistungen seien auch nur begrenzt kürzbar, gab Scholz zu Bedenken. „Wir sind ja sehr fest eingemauert durch das, was das Bundesverfassungsgericht an Leistungshöhe uns vorgeschrieben hat.“

Agenturen berichteten am 9. März, dass sich CDU und SPD im Verlauf der Koalitionsverhandlungen auf eine erste, neue Marschroute geeinigt hätten. So solle das Bürgergeldsystem überarbeitet werden. Konkret ist es bisher nicht, aber einen neuen Namen hat es bereits: „Grundsicherung für Arbeitssuchende“, soll es laut Merz heißen. „Für Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen.“

CDU: Milliarden für ein Bürokratiemonster

In dieser Woche legte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in der Unionskritik am Bürgergeld nach. Er nannte es „beschäftigungsfeindlich, zementiert Menschen in der Arbeitslosigkeit fest und ist bürokratisch“, berichten Agenturen mit Verweis auf die „Bild“-Zeitung. Die Union dringt auf die Umwandlung in eine Grundsicherung mit weniger Einzelleistungen. Es müsse Anreize für eine Arbeitsaufnahme geben, anstatt Erschwernisse, betonte Dobrindt.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Whittaker kritisierte das Bürgergeld als „ein Bürokratiemonster“. Die Sozialleistung verschlinge „Milliarden im Verwaltungsdschungel“. „Statt Menschen in Arbeit zu bringen, versinken Jobcenter in Aktenbergen, Formularlawinen und absurden Rechenexzessen.“ Die „endlosen Einzelfallberechnungen“ müssten „endlich aufhören“, forderte der CDU-Politiker weiter. Nötig seien klare Pauschalen, Automatisierung und Digitalisierung. „Mit der neuen Grundsicherung müssen wir das System vom Kopf auf die Füße stellen – damit Geld nicht in Papierkram, sondern in echte Vermittlung fließt.“

SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast verwies angesichts der Äußerungen der Unionspolitiker auf die noch laufenden Koalitionsverhandlungen. „Darin werden wir entlang der Sondierungsergebnisse die für unser Land wichtigen Punkte besprechen und klären.“ Das gelte auch für das Ziel, „Menschen dauerhaft in Arbeit zu bringen“ sowie für die Themen Mindestlohn und Tarifbindung. „Ich halte aber wenig davon, wenn jetzt wieder versucht wird, öffentlich politische Pflöcke einzuschlagen“, sagte sie. „Die Zeiten müssen vorbei sein.“

Aktuell beziehen in Deutschland rund 5,4 Millionen Menschen Bürgergeld. 2,7 Millionen davon stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, etwa weil sie nicht erwerbsfähig sind oder sich in einer Weiterbildung befinden. Weitere 830.000 Menschen sind Aufstocker, das heißt, sie arbeiten zwar, ihr Einkommen reicht aber nicht zum Leben. 1,9 Millionen Menschen sind tatsächlich arbeitslos.

(Mit Text von Agenturen)



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