CDU-Ministerpräsidenten rebellieren gegen Bundespartei
Mehrere Ministerpräsidenten der CDU wollen offenbar eine eigene Initiative zur Anpassung der Schuldenbremse in die Wege leiten. Einem Bericht von „table.media“ zufolge beabsichtigen sie – möglicherweise sogar im Einklang mit SPD-Amtskollegen –, eine Initiative im Bundesrat einzubringen. Derzeit fänden bereits Arbeiten an einem konkreten Konzept statt. Allerdings werde dieses aus Rücksicht auf Bundesparteichef Friedrich Merz und Generalsekretär Carsten Linnemann noch zurückgehalten.
Änderungen an der Schuldenbremse seien Konsens unter allen CDU-Ministerpräsidenten
Einer der beteiligten Regierungschefs äußerte gegenüber dem Medium, dass der Vorstoß sogar im Konsens aller CDU-Ministerpräsidenten geschehen solle. Diese seien geschlossen dafür, „dass wir die Schuldenbremse in der Verfassung behalten, aber anpassen müssen“.
Die erforderlichen Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Digitalisierung ließen sich „nicht mehr in normalen Haushalten abbilden“, heißt es vonseiten der Landeschefs. Bereits jetzt fallen hinsichtlich der Unterstützer der Initiative die Namen der Ministerpräsidenten Daniel Günther (Schleswig-Holstein), Boris Rhein (Hessen), Kai Wegner (Berlin) und Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt).
Als keine grundsätzlichen Gegner einer Anpassung der Schuldenbremse gelten auch Michael Kretschmer (Sachsen) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Dieser hatte allerdings im November in der „Tagesschau“ erklärt, dass ein solcher Schritt „nur die letzte aller Möglichkeiten“ sein dürfe. Zu jenem Zeitpunkt hatte beispielsweise Haseloff die Anpassung bereits als zwingend erforderlich bezeichnet. Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder lehnt hingegen jede Änderung bei der Schuldenbremse ab.
„Goldene Regel“ von vor 2009 als Richtlinie?
Für die gleiche ablehnende Position sind jedoch auch Merz und Linnemann bekannt. Deshalb wollen die Schuldenbremse-Rebellen ihr Konzept erst nach dem Bundesparteitag der CDU präsentieren. Dieser wird vom 6. bis 8. Mai 2024 in Berlin stattfinden. Um sie nicht zu beschädigen, soll es vor diesem Zeitpunkt nicht zu einer Konkretisierung des Vorhabens kommen.
Anschließend könnte es allerdings schon zeitnah daran gehen, vollendete Tatsachen zu schaffen. Als mögliche Option gilt, unter Federführung von Boris Rhein einen gemeinsamen Antrag je dreier CDU- und SPD-Ministerpräsidenten in den Bundesrat einzubringen.
Inhaltlich möchte man aufseiten der Reformbefürworter zu einem System zurückkehren, das zum Teil bereits vor 2009 als „Goldene Regel“ betrachtet worden war. Demzufolge sollten kreditfinanzierte Nettoinvestitionen des Staates nicht mehr auf die Kreditobergrenze von 0,35 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts angerechnet werden, die Artikel 115 Absatz 2 Grundgesetz vorsieht.
Lindner weist auf unterschiedliche Investitionsbegriffe hin
Der Staat dürfe dem Grundgedanken nach in dem Umfang Kredite aufnehmen, wie er Investitionen tätige. Dies solle im Kern dem Vorgehen entsprechen, das sich auch bei privaten Unternehmen zeigt, die einen Kredit für beispielsweise die Finanzierung einer Maschine aufnehmen.
Allerdings, so kritisieren die FDP-Bundesminister Christian Lindner und Marco Buschmann, unterscheide sich das Verständnis des Begriffs der Investition zwischen beiden erheblich. Kaufleute tätigten Erstinvestitionen, weil sie mit zusätzlichen Einnahmen rechneten, welche die Aufwendungen und Zinslast für den Kredit überragten.
In der Politik unterliege der Begriff der Investition hingegen einem breiten Ermessensspielraum. Hier gälten auch werterhaltende Ausgaben, die Kaufleute durch Rücklagen statt Schulden finanzieren, als Investitionen. In der Bilanz nehme er dafür Abschreibungen vor.
Im öffentlichen Haushaltsrecht verwende man hingegen den sogenannten Bruttoinvestitionsbegriff, der nicht zwischen Erst- und Ersatzinvestitionen unterscheide. Dadurch gebe es keine Unterscheidung, etwa zwischen dem Neubau und der Reparatur einer Brücke. Dies, so Lindner, habe dazu geführt, dass auch die „Goldene Regel“ jener Jahre keine effektive Begrenzung der Staatsverschuldung nach sich gezogen habe.
Habeck-Ministerium mit eigenem Ansatz zur Abänderung der Schuldenbremse
Bereits im Nachgang zum Schuldenbremse-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium Änderungen in der Konzeption der Schuldenbremse gefordert. So solle es eine Trennung bezüglich der Finanzierung von Konsumausgaben wie Sozialtransfers und von substanzerweiternden Nettoinvestitionen geben.
Für das Letztgenannte solle die Schuldenbremse fallen, da diese sonst einen erforderlichen Ausbau der Infrastruktur verhindere. Außerdem solle der zeitliche Rahmen für die längerfristige Finanzplanung erweitert werden.
Aber auch hier monieren Kritiker, dass eine Unterscheidung zwischen staatlichen Konsum- und Transferausgaben und staatlichen Investitionen nicht immer trennscharf möglich sei. Bezüglich beider Kategorisierungen gebe es erheblichen Interpretationsspielraum. Der Beirat plädierte deshalb für eine Kontrolle des Gebarens durch ein unabhängiges Expertengremium oder den Bundesrechnungshof. Diese könnte man auch mit einem Vetorecht ausstatten.
FDP warnt vor Umgehung des Koalitionsvertrages
Im Ergebnis könnte ein entsprechender Vorstoß der Unions-Ministerpräsidenten den Anfang vom Ende einer Kanzlerkandidatur von Friedrich Merz bedeuten. Innerhalb der Partei wäre ein Vorpreschen dieser Art über den Bundesrat mit einem tiefgreifenden Autoritätsverlust verbunden.
Gleichzeitig könnten sich Boris Rhein, der jetzt bereits mit der SPD regiert, und Hendrik Wüst als Kanzleroptionen anbieten – möglicherweise für eine Große Koalition. Diese könnte anschließend die Details für ein „Investitionsprogramm“ abklären, das sich auf die Modifizierung stützt.
Die FDP droht demgegenüber mit einem Ende der Ampelkoalition, sollten SPD und Grüne den Schulterschluss mit der Union suchen, um die Schuldenbremse zu modifizieren. Bundesverkehrsminister Volker Wissing erklärte im „Bericht aus Berlin“ der ARD, im Fall einer Umgehung der FDP in dieser Frage „hätte die Koalition sicherlich keine Zukunft“.
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