CDU-Vorschläge: Grüne wollen lieber keinen Kanzler Merz – Fraktionen beraten im Bundestag
Knapp eine Woche nach dem tödlichen Messerangriff von Aschaffenburg sind die Parteien bei möglichen Konsequenzen in der Migrationspolitik auf Konfrontationskurs.
Die Union will über Anträge für mehr Härte an diesem Mittwoch im Bundestag abstimmen lassen, obwohl es eine Mehrheit nur mit der AfD geben dürfte. Die SPD warnt vor so einem Schritt. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge kritisiert, Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) qualifiziere sich damit nicht fürs Amt.
„Wir können uns von niemandem davon abhalten lassen, die Politik, die wir für richtig halten, auch in den Bundestag einzubringen“ und abstimmen zu lassen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei (CDU), in Berlin.
Die Union arbeite nicht mit der AfD zusammen. Wolle man Extremisten kleiner machen, müsse man die Probleme lösen. Mit AfD und BSW strebe man keine Mehrheit an, sondern rufe SPD und Grüne zur Zustimmung auf. Den SPD-Vorstoß, Regierungsentwürfen in dieser Woche zur Mehrheit zu verhelfen, lehnte Frei ab.
Streitfall: Mit oder ohne Hilfe derAfD?
Die Fraktionen im Bundestag stellen heute die Weichen für eine möglicherweise bahnbrechende Entscheidung im Bundestag.
Erstmals könnte in dieser Woche ein Gesetz mit Hilfe der AfD beschlossen werden – die Vorlage zur Verschärfung des Migrationsrechts stammt von der CDU/CSU-Fraktion. SPD, Grüne und Linke sehen in der Einbindung der AfD einen Tabubruch. Am Nachmittag wollten die Fraktionen ihr Abstimmungsverhalten festlegen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warnte Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) davor, ein Gesetz mit Hilfe der AfD durchzusetzen. Er zeigte sich in der ARD für Beratungen über ein gemeinsames Vorgehen zur Reform der Migrationspolitik offen: „Selbstverständlich bin ich bereit, über jede Sache zu diskutieren.“
Die aktuellen Vorschläge der Union seien aber unausgegoren: Sie liefen auf „die faktische Abschaffung“ des Grundrechts auf Asyl hinaus, sagte Scholz der „Saarbrücker Zeitung“ vom Dienstag. „Das ist verfassungswidrig und lässt sich auch nicht einfach per Dekret verfügen.“
Grüne wollen lieber keinen Kanzler Merz
Grünen-Politikerin Dröge sagte: „Friedrich Merz hat aus meiner Sicht bislang in dieser Woche gezeigt, was dafür spricht, dass er nicht Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wird.“
Sie warf Merz unüberlegtes und unzuverlässiges Agieren vor. Dröge wollte diese Aussage aber nicht als kategorische Absage an eine etwaige schwarz-grüne Koalition nach der Bundestagswahl am 23. Februar verstanden wissen.
AfD und FDP werden vermutlich zustimmen
Die Vorsitzenden von AfD und FDP stellten am Dienstag eine Zustimmung zu der Unionsvorlage in Aussicht. Notwendig wäre für eine Mehrheit zudem die Zustimmung des BSW, das aber ebenfalls einen schärferen Kurs gegen Migranten befürwortet.
„Wir brauchen harte Gesetze, und auch wenn diese Gesetze von uns abgeschrieben sind – mir ist es letztendlich egal, wer es umsetzt, ob es die CDU oder die AfD ist“, sagte AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel den Sendern RTL und ntv.
AfD-Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann wertete die mögliche Gesetzesverabschiedung als wichtige Etappe für seine Fraktion.
Mit seiner Bereitschaft, Vorlagen im Plenum notfalls auch mit Stimmen der AfD verabschieden zu lassen, habe Merz „den Kern der Brandmauer eingerissen“. Merz zeige, dass solche Voten mithilfe der AfD im Bundestag „prinzipiell möglich“ seien, sagte Baumann. „Dahinter kann er nicht mehr zurück.“
FDP-Chef Christian Lindner bekräftigte die Zustimmung seiner Fraktion zu der Unionsvorlage – auch gemeinsam mit AfD und BSW. „Die FDP wird Anträge der CDU unterstützen, unabhängig davon, wer auch im Bundestag diese Anträge passieren lassen will“, sagte Lindner dem Sender Phoenix. Er begründete dies damit, dass aus seiner Sicht die Vorlagen „in der Substanz richtig“ seien.
Um was geht es? Eine Lehre aus Aschaffenburg
Nach dem tödlichen Messerangriff von Aschaffenburg wollen CDU und CSU am Freitag im Bundestag einen Gesetzentwurf mit dem Titel „Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland“ wieder auf die Tagesordnung setzen.
Vorgesehen sind darin mehr Rechte für die Bundespolizei bei Abschiebungen sowie ein Ende des Familiennachzugs für Geflüchtete mit sogenanntem subsidiärem Schutz. Im Aufenthaltsgesetz soll als Ziel eine Begrenzung des Zuzugs von Migrantinnen und Migranten festgeschrieben werden.
Der Gesetzentwurf war bereits im September von der Union in den Bundestag eingebracht worden – und könnte damit relativ schnell beschlossen werden. Noch am Montag diskutierte Pläne für ein neues Gesetz verwarf die Union, da hier vor der Wahl kaum mehr eine Entscheidung möglich wäre.
CDU will zwei weitere Anträge einbringen
Die Unionsfraktion will zudem bereits an diesem Mittwoch zwei Anträge zur Migrationspolitik im Bundestag einbringen. Darin sind weitere Verschärfungen festgeschrieben – anders als bei dem Gesetzentwurf allerdings nicht in rechtlich bindender Form.
Die AfD-Fraktion wollte nach Angaben ihres Geschäftsführers Baumann in der Sitzung am Nachmittag darüber entscheiden, ob sie mit Ja stimmen wird. Die Partei stört sich daran, dass die Union AfD-kritische Aussagen in die Anträge eingefügt hat.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte SPD, Grüne und FDP zur Zusammenarbeit mit der Union bei der Begrenzung der Migration auf. Die „bürgerlichen Kräfte“ müssten beweisen, „die AfD brauchen wir nicht“, sagte Reul am Montagabend im ZDF. Die Fraktionen müssten bis Mittwoch eine Einigung ohne die AfD erzielen.
Klingbeil warnt Merz
SPD-Chef Lars Klingbeil warf dem Unionskanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) Wortbruch vor und warnt vor einen Bruch mit der Politik der letzten beiden CDU-Kanzler. „Vor wenigen Tagen hat er noch gesagt, er werde niemals mit der rechtsextremen AfD von Alice Weidel und Björn Höcke gemeinsame Sache machen“, sagte Klingbeil dem „Spiegel“.
Im Bundestag habe der CDU-Vorsitzende zudem erklärt, er werde im Parlament keinen Antrag einbringen, der nur mit der AfD eine Mehrheit bekomme. „Jetzt steht er kurz davor, diesen historischen Fehler zu begehen“, so Klingbeil. „Friedrich Merz hat sein Wort gebrochen.“
Sich von der AfD im Bundestag unterstützen zu lassen, „wäre ein Bruch mit der Politik von Helmut Kohl und Angela Merkel“, so Klingbeil. Es sei noch nicht zu spät, diesen Dammbruch zu stoppen. „Wir brauchen mehr Anstand und Mitte in Deutschland und keinen Rechtsruck.“
(afp/dpa/dts/red)
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