CDU-Außenexperte Hardt kritisiert Steinmeier – und erwartet Klartext in Türkei

„Bundespräsident Steinmeier ist leider nicht für klare Ansprachen im Ausland bekannt“, mahnt der Außenexperte der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, vor dem Türkei-Besuch von Frank-Walter Steinmeier.
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Frank-Walter Steinmeier besucht demnächst die Türkei.Foto: Über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times21. April 2024

Vor dem Türkei-Besuch von Frank-Walter Steinmeier, der am Montag beginnt, hat der Außenexperte der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, Kritik am außenpolitischen Auftreten des Bundespräsidenten geübt.

„Bundespräsident Steinmeier ist leider nicht für klare Ansprachen im Ausland bekannt“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete der Nachrichtenagentur AFP.

Bei seinem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan müsse Steinmeier Klartext reden. „Ich wünschte, er würde die Freiheiten seines Amtes mehr nutzen, so wie es sein Vorgänger wohldosiert tat“, sagte Hardt mit Blick auf Altbundespräsident Joachim Gauck.

Gauck provozierte einen Eklat

Der CDU-Politiker spielte damit auf Altbundespräsident Joachim Gauck an, der sich 2014 bei seinem Türkei-Besuch einen Schlagabtausch mit Erdoğan zum Thema Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geliefert hatte. Wie Hardt forderten am Wochenende auch Politiker anderer Parteien den Bundespräsidenten auf, die deutsche Kritik ohne Scheu vor Konflikten anzusprechen.

Gauck hatte bei seinem Staatsbesuch als Bundespräsident vor zehn Jahren in der Türkei ungewöhnlich deutliche Kritik an Defiziten bei Demokratie, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit geübt – und damit einen Eklat provoziert: Der damalige Ministerpräsident Erdoğan kritisierte Gaucks Worte als „hässlich“ und warf dem Bundespräsidenten eine Einmischung in innertürkische Angelegenheiten vor.

Unions-Außenexperte Hardt forderte Steinmeier auf, bei seinem Gespräch mit Erdoğan – der inzwischen als Präsident amtiert – die fortbestehenden Kritikpunkte offen anzusprechen.

Als Bundespräsident sei Steinmeier anders als in seinem früheren Amt aus Außenminister „nicht mehr deutscher Chefdiplomat“, sagte Hardt. Er müsse „die Befremdung eines großen Teils der Deutschen über die türkische Politik und das Auftreten der AK-Partei in Deutschland zum Ausdruck bringen“.

Willkürliche Verhaftungen: Gravierende Defizite in der Türkei

Hardt verwies auf gravierende Defizite in der Türkei. „Willkürliche Verhaftungen ohne legitime rechtliche Basis von Journalisten und Menschenrechtsaktivisten kommen immer wieder vor, während staatliche Korruption grassiert“, sagte er. Zudem werde den Kurden die politische Teilhabe „massiv erschwert“.

Die Erfolge der türkischen Opposition bei den jüngsten Kommunalwahlen „können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Regierung immer weiter Anstrengungen unternimmt, um an der Macht zu bleiben und die politische Kultur der Türkei zu verändern“, sagte Hardt.

Diplomatische Ebene schwierig

Steinmeier reist am Montag zu einem dreitägigen Besuch in die Türkei. Es ist der erste seit seinem Amtsantritt. Offizieller Anlass ist der 100. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Republik Türkei. Ein Leitmotiv des Besuchs soll laut Bundespräsidialamt auch die Würdigung der Lebensleistung türkischer Arbeitsemigranten sein.

Auf Regierungsebene ist das deutsch-türkische Verhältnis seit Jahren schwierig – wegen deutscher Kritik an der Menschenrechtslage in der Türkei. Deutschland attestiert der Türkei Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte. In der Nahost-Politik verfolgt die Türkei mit ihrer Unterstützung für die radikalislamische terroristische Hamas einen anderen Ansatz als die Bundesregierung.

Am Samstag hatte Erdoğan den Hamas-Chef Ismail Hanija empfangen. Die EU stuft die Hamas als Terrororganisation ein. Erdoğan betrachtet sie hingegen als legitime „Widerstandsgruppe“ gegen Israel.

Erwartungen an Steinmeier sind hoch

Hardt sagte, der Bundespräsident müsse „die Befremdung eines großen Teils der Deutschen über die türkische Politik und das Auftreten der AK-Partei in Deutschland zum Ausdruck bringen“. Als Bundespräsident sei Steinmeier anders als in seinem früheren Amt aus Außenminister „nicht mehr deutscher Chefdiplomat“ und könne deshalb deutlich werden – auch wenn Erdoğan auf solche Kritik oft ungehalten reagiert.

Auch Politiker anderer Parteien formulierten ähnliche Erwartungen. Der Grünen-Abgeordnete Max Lucks, der die Deutsch-Türkische Parlamentariergruppe im Bundestag leitet, sagte zu AFP: „Selbstverständlich sollte Bundespräsident Steinmeier Menschenrechtsverletzungen ansprechen – nicht obwohl, sondern weil wir enge Freunde der Türkei sind.“

Die türkeistämmige Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (BSW) sagte zu AFP, Steinmeier dürfe bei seinem Besuch „nicht darüber hinwegsehen, dass sich an den massiven Defiziten in puncto Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in der Türkei nichts Wesentliches geändert hat“. Der Bundespräsident müsse sich für die Freilassung inhaftierter Oppositioneller einsetzen.

Die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD) begrüßte ausdrücklich, dass Steinmeier bei seinem Besuch die Lebensgeschichten von türkischen Zugewanderten besonders hervorheben will. „Generell kommt dieser Teil der deutschen Geschichte im deutschen Bewusstsein selten vor“, sagte der Bundesvorsitzende der TGD, Gökay Sofuoglu, zu AFP. Über Migration werde zu oft „nur im negativen Kontext“ gesprochen. Hier könne Steinmeier einen Unterschied machen. In Deutschland leben aktuell rund drei Millionen türkeistämmige Menschen.

Was sagt Erdoğan dazu?

Erste Station von Steinmeiers Türkei-Besuch soll am Montag der Istanbuler Bahnhof Sirkeci sei, von dem ab dem Jahr 1961 Tausende türkische Gastarbeiter per Zug nach Deutschland aufbrachen. Am Dienstag besucht er die Region Gaziantep an der syrischen Grenze, die im vergangenen Jahr durch ein Erdbeben verwüstet wurde. Gespräche mit der türkischen Führung sind erst für Mittwoch geplant, dann trifft Steinmeier Präsident Erdoğan in Ankara.

Erdogan sagte am Freitag mit Blick auf den Besuch: „Steinmeier und ich unterhalten seit langem eine Freundschaft, die bis heute besteht.“ Er wolle mit Steinmeier besprechen, „wie wir die deutsch-türkischen Beziehungen voranbringen können“.

Grünen-Türkeiexperte Lucks warf Erdoğan indes am Wochenende vor, die dringend erforderliche engere Zusammenarbeit mit Deutschland zu behindern. „Beide Seiten wissen sehr gut, dass sie viel intensiver gemeinsame Projekte angehen müssen“, sagte Lucks zu AFP. „Aber die reale Politik aus dem türkischen Präsidentenpalast steht sich dabei selbst im Wege.“ (afp/red)

 



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