Cannabisgesetz: Kontrollen scheitern an fehlenden Richtlinien, Personalnot und Equipment

Das Cannabisgesetz stellt die Ordnungshüter vor eine große Herausforderung. Dabei wird nicht nur die Personalnot zum Problem.
Titelbild
Durch die Kontrolle zur Umsetzung des Cannabisgesetzes haben Ordnungsämter und Polizei allerhand zu tun.Foto: Zummolo/iStock
Von 7. Juli 2024

Am 1. April ist das umstrittene Cannabisgesetz in Kraft getreten. Drei Monate später, am 1. Juli, fiel auch der Startschuss für die Anbauvereinigungen. Doch mit der Überwachung, ob die gesetzlichen Regelungen tatsächlich eingehalten werden oder nicht, gibt es ein Problem.

„Ich kann das Cannabisgesetz nicht umsetzen“, sagt Gerrit Kringel, Ordnungsstadtrat von Berlin-Neukölln laut B.Z. „Dafür benötige ich von der Senatsgesundheitsverwaltung Ausführungsvorschriften: Welcher Bereich innerhalb der Behörde soll kontrollieren? Nach welchen Richtlinien?“

So stellt die 100-Meter-Abstandsregel zu Kinder- und Jugendeinrichtungen, in deren Umkreis kein Cannabis konsumiert werden darf, eine besondere Herausforderung für das Ordnungsamt dar. „Sollen unsere Mitarbeiter mit Maßband herumlaufen?“, fragt Kringel. Denn schließlich müsse ein Verstoß gerichtsfest dokumentiert werden.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Vorschriften seien nicht abschließend geregelt. Außerdem gebe es noch ein weiteres Problem: Es fehlt an Personal.

Wie Kringel schildert, seien mindestens vier neue Stellen in seinem Bezirk notwendig. Schon jetzt hätten die Mitarbeiter des Ordnungsamtes alle Hände voll zu tun – vom illegal entsorgten Müll, über Falschparker bis zur Leinenpflicht für Hunde. Die seit 2023 bestehende Mehrwegpflicht in der Gastronomie könne schon nicht mehr kontrolliert werden.

Laut B.Z. teilte die Gesundheitsverwaltung des Senates mit, dass ein Verordnungsentwurf bereits vorliege, aber Fragen wie zum Personal noch geklärt werden müssten.

Deutscher Städtetag sieht Länder in der Pflicht

Schon in der Vergangenheit hatten die Städte sich „unmissverständlich“ dagegen ausgesprochen, dass Ordnungsämter die Vor-Ort-Kontrollen für Anbauvereine sowie die Ahndung von damit verbundenen Ordnungswidrigkeiten übernehmen sollen, sagte Jürgen Dieter, Direktor des Hessischen Städtetages. Das sei mit dem derzeitigen Personal nicht leistbar.

„Genehmigung und Kontrolle der Anbauvereinigungen dürfen nicht auch noch als zusätzliche Aufgabe bei den Städten landen“, erklärte auch Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages.

Er kritisierte, dass wenige Tage vor dem Start der Anbauvereinigungen am 1. Juli noch immer nicht in allen Bundesländern abschließend geklärt war, wer für die Genehmigung und Kontrolle der Anbauvereinigungen zuständig ist.

Dedy sieht hier die Länder in der Pflicht. „In Bundesländern, in denen die Zuständigkeit geklärt ist, haben in der Regel Landesbehörden die Aufgaben rund um die Anbauvereinigungen übernommen“, so Dedy.

Das sei gut so, denn die Städte hätten mit den Konsumkontrollen in der Öffentlichkeit schon genug zu tun. Eine weitere Belastung für die Städte dürfe es durch das Cannabisgesetz nicht geben.

Polizeigewerkschaft: Befürchtungen bestätigen sich

52-mal stellte die Polizei in Schleswig-Holstein bei Kontrollen von über 5.200 Auto- und Lkw-Fahrern im Juni Drogenkonsum fest. In der Hälfte der Fälle hatten die Fahrer Cannabis konsumiert.

Insoweit sieht sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) laut NDR in ihren Befürchtungen bestätigt, die sie schon vor Monaten geäußert hat.

„Es überrascht nicht, dass das Betäubungsmittel Cannabis, also THC, bei Verkehrskontrollen festgestellt wird. Mit der Legalisierung hatten wir diese Befürchtung geäußert. Das scheint sich jetzt zu bestätigen“, sagt Thorsten Jäger, GdP-Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein.

Jäger geht davon aus, dass Cannabis auch im Norden bald vermehrt zu Unfällen führen wird. „Leider sind diese Unfälle häufig schwerer Art, mit Schwerstverletzungen oder gar getöteten Personen“, sagt er.

Zur Prävention seien zusätzliche Verkehrskontrollen nötig. „Wir müssen auf die Gefahren von Cannabis im Straßenverkehr hinweisen. Wir wollen nicht erleben, dass viele Menschen dort schwer zu Schaden kommen. Das kostet natürlich Personal und bedeutet riesige Anstrengungen“, so Jäger weiter.

Außerdem benötige die Polizei die richtige Ausrüstung für Cannabiskontrollen, damit der THC-Wert der Autofahrer beweissicher festgestellt wird. „Dort haben wir noch immer keine absolute Sicherheit in der Beweiserhebung vor Ort. Wir arbeiten immer noch viel mit Verdachtsmomenten und immer noch mit Urinproben“, erklärt Jäger.

Neuer THC-Grenzwert für Fahrzeugführer

Am 5. Juli hat der Bundesrat den THC-Grenzwert neu definiert. Ging die Rechtsprechung bisher von einem Wert von 1,0 ng/ml aus, sieht das Gesetz nun 3,5 ng/ml THC vor. Wer diesen Wert überschreitet und ein Fahrzeug führt, handelt ordnungswidrig und muss mit einem Bußgeld bis 3.000 Euro rechnen.

Der Wert von 3,5 ng/ml wurde laut Bundesrat von einer Expertengruppe aus den Bereichen Medizin, Recht, Verkehr und Polizei empfohlen und entspricht der Wirkung nach einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille. Kommt noch Alkohol hinzu, müssen Fahrer mit höherem Bußgeld rechnen.

Unterhalb dieser Schwelle könne bei Cannabiskonsum hingegen noch kein allgemeines Unfallrisiko angenommen werden. Für Personen, die THC als verschriebenes Arzneimittel einnehmen, gelten weder die THC-Grenzwerte noch die damit verbundene Verschärfung bei Alkoholkonsum.

Für Fahranfänger und junge Fahrer unter 21 Jahren ist THC hingegen genau wie Alkohol untersagt. Sobald die Gesetzesänderung ausgefertigt und verkündet wird, tritt sie in Kraft. Damit könnte sie schon im Juli greifen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion