Cannabis-Fans feiern neue Freiheiten – Union will Legalisierung nach Regierungswechsel wieder aufheben
In der Nacht zum Ostermontag herrschte am Brandenburger Tor Silvesterstimmung, im Hintergrund dröhnte Reggae-Musik. Cannabis-Fans zählten im Countdown die letzten Sekunden bis zum Anbruch des neuen Tages herunter und zündeten sich um Mitternacht demonstrativ ihre Joints an, nicht nur am Brandenburger Tor, sondern auch anderswo.
Mit der Legalisierung von Cannabis für Erwachsene hat in Deutschland am 1. April eine neue Ära der Drogenpolitik begonnen. Der Besitz bestimmter Mengen Cannabis, der private Anbau und der Konsum der Droge auch in der Öffentlichkeit sind ab heute für Personen ab 18 Jahren unter Auflagen erlaubt. Die Ampel-Koalition hatte ihr Gesetz trotz scharfer Kritik von Experten durchgesetzt.
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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verteidigte die neuen Regeln: „Heute beenden wir eine gescheiterte Verbotspolitik“, sagte der SPD-Politiker der dpa in Berlin. Das sei eine historische Chance. „Ab jetzt kombinieren wir eine echte Alternative zum Schwarzmarkt mit besserem Kinder- und Jugendschutz. So wie bisher konnte es nicht weitergehen“, fügte der Minister hinzu.
Union: Ein schwarzer Tag für Jugendschutz
CDU und CSU bekräftigten ihre strikte Ablehnung der Legalisierung. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU), sagte gegenüber dpa: „In der Tat ist der 1. April ein historischer Tag. Er wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem die Ampel ein nie dagewesenes Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt ins Rollen gebracht hat. In den kommenden Wochen wird illegales Cannabis aus Altbeständen den Markt fluten.“
Sorge nannte die Legalisierung in ihrer jetzigen Form ein Risiko für die innere Sicherheit. „Wir werden sie nach einem Regierungswechsel rückgängig machen.“
CSU-Generalsekretär Martin Huber nannte die Legalisierung einen schweren Fehler. Der 1. April sei ein Glückstag für Dealer und ein schwarzer Tag für den Jugendschutz. Für Bayern kündigte er eine „maximal strenge Auslegung der Cannabis-Regeln und intensive Kontrollen“ an. „Wir wollen keine Kiffer-Hochburg werden.“ Ähnlich hatte sich auch schon Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geäußert.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisierte, dass Verwaltungsvorschriften und Personal für Kontrollen fehlen. Es gebe im Cannabisgesetz bei Ordnungswidrigkeiten und Straftaten deutlich mehr Tatbestände als bisher. „Das wird ganz, ganz kompliziert“, sagte der bayerische Landesvorsitzende Jürgen Köhnlein.
Bedenken von medizinischer Seite
Der Legalisierung ging eine jahrzehntelange Debatte voraus. Im Beratungsverfahren zum nun in Kraft getretenen Gesetz hatten auch Medizinerverbände große Bedenken angemeldet, vor allem mit Blick auf Gesundheitsgefahren für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.
Zwar bleibt Cannabis rechtlich für Personen unter 18 Jahren tabu. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie zum Beispiel hatte aber darauf hingewiesen, dass die Hirnreifung erst mit Mitte 20 abgeschlossen sei und ein früherer Cannabis-Konsum das Risiko für Psychosen erhöhe.
Das Gesetz schreibt vor, die Auswirkungen der Cannabis-Freigabe durch „unabhängige Dritte“ untersuchen zu lassen. Ein erster Bericht, der speziell die Auswirkungen auf den Kinder- und Jugendschutz und das Konsumverhalten von Kindern und Jugendlichen betrachtet, soll aber erst im Herbst nächsten Jahres vorgelegt werden.
Legalisierung in zwei Schritten
Die Regierung vertritt trotz Widerspruchs von Experten die Ansicht, dass die Cannabis-Legalisierung den Schwarzmarkt zukünftig eindämmen wird.
In einem ersten Schritt wird nun zunächst der Besitz, private Anbau und Konsum bestimmter Mengen Cannabis für Erwachsene erlaubt. Ab Juli sollen in einem zweiten Schritt sogenannte Anbauvereine staatlich kontrolliert unter strengen Auflagen Cannabis anbauen und an ihre Mitglieder abgeben dürfen. Gleichzeitig sieht das Gesetz Maßnahmen zur Suchtprävention vor.
Mit Inkrafttreten der Änderungen ist Cannabis von der Liste der verbotenen Substanzen im Betäubungsmittelgesetz verschwunden. Erwachsene dürfen jetzt in der Öffentlichkeit bis zu 25 Gramm der Droge mit sich führen, zu Hause sind maximal 50 Gramm erlaubt. Außerdem ist es gestattet, bis zu drei Cannabis-Pflanzen im Wohnbereich zu haben.
In der Öffentlichkeit ist der Konsum von Cannabis zwar erlaubt, aber nicht in der Nähe von Kindern und Jugendlichen, Schulen, Kitas, Spiel- und Sportplätzen und am Tage auch nicht in Fußgängerzonen.
Verstöße können mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden. Die Weitergabe der Droge – mit Ausnahme im Rahmen der Vereine – bleibt strafbar, besonders bei Weitergabe an Minderjährige droht Gefängnis. Wer jünger als 18 Jahre ist, darf Cannabis nicht konsumieren. (dpa/red)
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