Krise in der Metallbranche: Bundesweite Warnstreiks der IG Metall
Mit Warnstreiks im gesamten Bundesgebiet haben tausende Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie ihre Wut über die stockenden Tarifverhandlungen am Dienstag, 29. Oktober, auf die Straße getragen. Erste Aktionen gab es bereits um kurz nach Mitternacht mit dem Ende der Friedenspflicht, am Mittwoch sollen die Proteste fortgesetzt werden. Die IG Metall fordert für die 3,9 Millionen Beschäftigten 7 Prozent mehr Lohn und hält das Arbeitgeberangebot für deutlich zu niedrig.
„Das war ein ganz starker Start in die Warnstreik-Phase“, erklärte IG-Metall-Bezirksleiter und Verhandlungsführer für Berlin-Brandenburg und Sachsen, Dirk Schulze. Der Gewerkschaft zufolge legten allein bei BMW in Leipzig rund 2.000 Beschäftigte und bei Porsche in Stuttgart etwa 4.000 Menschen die Arbeit nieder. Streiks gab es auch bei ZF in Brandenburg an der Havel, Mercedes in Berlin, VW in Osnabrück und Bosch in Hildesheim.
Die Arbeitgeber müssten „diese klaren Signale aus ihren Belegschaften ernst nehmen“ und rasch ein deutlich verbessertes Angebot vorlegen, forderte Schulze. „Das bisherige Angebot reicht hinten und vorne nicht.“ Während die IG Metall 7 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von zwölf Monaten verlangt, boten die Arbeitgeber zuletzt eine Tariferhöhung in zwei Stufen um 3,6 Prozent – bei einer Laufzeit von 27 Monaten.
„Dass nun Produktionslinien stillstehen und Büroräume leer sein werden, das haben die Arbeitgeber zu verantworten“, erklärte der IG-Metall-Verhandlungsführer für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, Thorsten Gröger. „Wenn am Verhandlungstisch keine guten Lösungen für die Kolleginnen und Kollegen mit unserer Gegenseite erzielt werden können, braucht es scheinbar andere Maßnahmen.“
In Niedersachsen startete am Dienstagvormittag die dritte Verhandlungsrunde – und ging „ohne einen Millimeter Bewegung der Arbeitgeber“ nach nur einer halben Stunde bereits ohne ein Ergebnis wieder zu Ende, wie die IG Metall mitteilte. Eine vierte Runde wurde zunächst nicht vereinbart. Ab Mittwoch werden auch in anderen Tarifgebieten die Gespräche fortgesetzt, bis zum 5. November läuft die dritte Tarifrunde noch.
Arbeitgebern sind die Hände gebunden
Von Arbeitgeberseite war im Vorfeld der Streiks scharfe Kritik an den Ausständen laut geworden. „Warnstreiks angesichts der aktuellen Lage der Metall- und Elektroindustrie sind alles andere als hilfreich. Sie führen zu Produktionsausfällen und zu zusätzlichen Kosten“, hatte der Vorstandsvorsitzende des Verbands der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg (VME), Stefan Moschko, am Montag moniert.
„Streiks in dieser herausragend kritischen Lage sind unverantwortlich“, erklärte am Dienstag auch der Hauptgeschäftsführer von Hessenmetall, Dirk Pollert. Die Unternehmen der hessischen Metall- und Elektroindustrie beurteilten die Geschäftslage in diesem Herbst bereits „so schlecht wie zuletzt in der Wirtschaftskrise 2009“, erklärte Hessenmetall. Die Arbeitskämpfe schadeten den Firmen und daher den Beschäftigten.
Die VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo hat verkündet, dass der Vorstand, wegen der schlechten Lage mindestens drei Werke in Deutschland schließen wolle. Außerdem müssten die Löhne der verbleibenden Mitarbeiter um 10 Prozent gesenkt werden und eine Lohnerhöhung für die nächsten zwei Jahre ausgeschlossen sein.
Wirtschaftstief setzt Industrie zu, Politik hadert
Die Streiks kommen zu einer Zeit, in der die Industrie ohnehin schon zu kämpfen hat. Erst am 9. Oktober hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei seiner Herbstprojektion bekannt gegeben, dass die Bundesregierung zum zweiten Jahr in Folge mit einer Rezession rechne. Dieses Jahr dürfte das Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozent schrumpfen und nicht wie bisher erwartet um 0,3 Prozent zulegen. Vergangenes Jahr hatte es bereits ein Minus von 0,3 Prozent gegeben. Zwei Rezessionsjahre in Folge gab es bislang nur ein Mal in der Nachkriegsgeschichte, und zwar 2002 und 2003.
Um die Wirtschaft aus der Rezession zu helfen, hat die Bundesregierung die sogenannte Wachstumsinitiative auf den Weg gebracht. Diese umfasst 49 Maßnahmen, wie etwa finanzielle Anreize für Überstunden, Verlängerungen von Maßnahmen für niedrigere Strompreise, eine bessere Betreuung von Kindern und eine Neuregelung der Steuerklassen.
Die Wachstumsinitiative wurde im Vorfeld von Kritikern als unzureichend bezeichnet. „Wir sehen, dass es mehr ein Konjunktur- als ein Wachstumsprogramm ist“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. Das sei zunächst gut und helfe. „Wir sind aber der festen Überzeugung, wir brauchen strukturelle Veränderungen.“
Die Partner in der Ampelkoalition haben zuletzt Uneinigkeit demonstriert, wie die Wirtschaft vorangebracht werden kann. Habeck will mehr Schulden im Bundeshaushalt für Subventionen aufnehmen. Laut Finanzminister Christian Lindner (FDP) gebe es jedoch keinen Spielraum dafür. Man müsse stattdessen die Klimaauflagen lockern und den Kapitalmarkt durch mehr Anreize leistungsfähiger machen. So seien auch die Steuerzahler vor weiteren Belastungen geschützt.
(afp/tp)
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