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„Heute blanker“ als vor Ukraine-Krieg

Bundeswehr trotz „Zeitenwende“ und Sondervermögens noch in beklagenswertem Zustand

Bezüglich der „Zeitenwende“ galt Boris Pistorius lange als noch konsequenter als Bundeskanzler Olaf Scholz. Union und Führungskader der Bundeswehr selbst zeigen sich dennoch unzufrieden. Vor allem fühlen sie sich von der Bevölkerung im Stich gelassen.

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Bundeswehrsoldat (Archiv).

Foto: Über dts Nachrichtenagentur

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Lesedauer: 4 Min.

Mit großen Vorschusslorbeeren war Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius nach der Entlassung seiner Amtsvorgängerin Christine Lambrecht im Januar 2023 in sein Amt gestartet. Umfragen weisen ihn auch als populärsten Politiker des Landes aus, was an seiner Entschlossenheit zur „Zeitenwende“ liegen dürfte, die auch in der Union gut ankommt. Dennoch mehren sich zunehmend Stimmen, die sich kritisch über den Zustand der Bundeswehr knapp ein Jahr nach seinem Amtsantritt äußern.

Pistorius übernahm Bundeswehr in prekärem Zustand

Im „Focus“ melden sich einige davon zu Wort, und die Gründe für ihre Kritik sind höchst unterschiedlicher Natur. Oberst a. D. Ralph Thiele, der auch der Politisch-Militärischen Gesellschaft vorsteht, vermisst den „großen Wurf in praktisch allen Feldern“. Zwar habe sich die politische Führung der Truppe durch den neuen Minister verbessert.
Er zeichne sich durch „klare und verlässliche Worte und Taten aus“. Die Bundeswehr habe durch ihn in der Öffentlichkeit ebenso wie international an Ansehen gewonnen. Allerdings habe Deutschland auch mit Pistorius noch keine „Zeitenwende“ vollzogen. Was Waffensysteme und Munition anbelangt, stehe die Truppe – Sondervermögen hin oder her – noch schlechter da als vor Beginn der russischen Militäroperation:
„Zu Beginn des Angriffs war sie blank. Heute ist sie blanker.“
Dafür sei allerdings nicht in erster Linie Pistorius verantwortlich. Die Bundeswehr habe sich bereits zuvor in einem unzureichenden Zustand befunden. Die Verteidigungsfähigkeit sei weiter rückläufig. Würde Deutschland oder ein NATO-Land angegriffen, reichte die Ausrüstung nicht lange aus:
„Früher waren das drei Tage. Heute sind es eher Stunden.“

Deutlicher Rückstand der Bundeswehr bei modernen Technologien

Ein einfacher Ausweg sei dabei nicht in Sicht, äußert Thiele. Mit Blick auf Geburtenraten und etablierte Verfahren der Personalgewinnung sei die angestrebte Personalplanung unrealistisch. Zu der Frage, ob die auch von Pistorius ins Spiel gebrachte Wiedereinführung der Wehrpflicht daran etwas ändern werde, äußerte er sich nicht explizit.
Bereits im Vorfeld ihrer Abschaffung hatte es ein zunehmendes Problem mit der Wehrgerechtigkeit gegeben: Tatsächlich wurde nur ein Bruchteil der auf dem Papier Wehrpflichtigen überhaupt noch eingezogen.
Thiele sieht aber auch Probleme bezüglich des Umgangs der Bundeswehr mit neuen Technologien. Mit Blick auf KI, Drohnen, Cyberfähigkeiten oder Satelliten sei die Truppe „blank oder die Fähigkeiten kommen Dekaden zu spät“. Weit hinter dem gewünschten Zustand blieben auch die Organisation im Ministerium, das Ausrüstungs- und das Beschaffungswesen zurück.
Immerhin, so Thiele, spreche ein „exzellentes Teamwork mit dem Kanzler und dem Generalinspekteur“ dafür, dass Pistorius der Situation begegnen könne. „Das gab es selten in der Geschichte der Bundeswehr.“

Masala klagt: Gesellschaft glaubt nicht an „imperiales Russland“

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Wolfgang Hellmich, sieht hingegen deutliche Fortschritte. Er verweist auf Maßnahmen zur Beschleunigung der Materialbeschaffung, eine neue Struktur im Bundesverteidigungsministerium oder veränderte verteidigungspolitische Richtlinien.
„Moderate Reformen“ im Beschaffungsprozess und mehr ambitionierte Anschaffungen bescheinigt auch Carlo Masala dem Minister. Der Professor an der Universität der Bundeswehr bescheinigt Pistorius auch eine „klare Sprache“ und einen „Mut, unangenehme Wahrheiten auszusprechen“.
Dennoch beklagt Masala, dass es „keine Zeitenwende gegeben“ habe. Deren Voraussetzung sei das „öffentliche Bewusstsein, dass wir es mit einem imperialen Russland zu tun haben, das in der Ukraine möglicherweise nicht das Ende seiner Ambitionen sieht“.
Es fehle „am Mindset, am Bewusstsein, dass unsere demokratische Staatsform bedroht ist und mit militärischen und nicht-militärischen Mitteln verteidigt werden muss“. Um die „Zeitenwende“ tatsächlich umsetzen zu können, reiche Pistorius nicht aus. Es müsse „auch die Gesellschaft mitspielen“.

Kommentare

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Zeitzeuge2vor einem Jahr

Vor 40 Jahren war die NATO das von allen gewünschte Bollwerk gegen den Kommunismus. Heute dient die NATO sich selbst oder wem? Gegen wen soll die Bundeswehr jetzt Sicherheit produzieren, gegenüber Putin oder gegenüber den Sprengmeistern von Nordstream?

fritzXvor einem Jahr

Geld ist hier wirklich nicht das Problem! Die BW hat einen Etat von fast 60 Milliarden € und damit nur knapp 10 Milliarden weniger als das russische Militär vor 2022!

Das ist außerdem mehr als jedes andere EU-Land incl. Frankreich hat. Der Militäretat der Türkei, die unbestritten die zweitstärkste Armee der NATO hat, schwankt zwischen 15 und 20 Milliarden!

Das Problem des deutschen Militärs ist die Zerstörung des Korps-Geists durch eine politische Hexenjagd, Unfähigkeit der Verantwortlichen, und zwar bis tief in die Offiziersränge und eine bodenlose Korruption!

Darüber hinaus bin ich froh, dass diese Regierung keinen Zugriff auf ein starkes Militär hat, denn das würde sie eher gegen die eigene Bevölkerung als gegen einen äußeren Feind einsetzen!

Um das einmal klarzumachen, Deutschland hat keine äußeren Feinde, auch wenn es hart daran arbeitet sich welche zu schaffen! Russland hat Deutschland zu keinem Zeitpunkt militärisch bedroht und der Krieg in der Ukraine geht uns nichts an, abgesehen von der Tatsache, dass deutsche Politiker entscheidend zur Eskalation des Konflikts beigetragen haben!

Naive Geister in West- und Osteuropa glauben, die NATO-Mitgliedschaft sei eine Art Schutzschirm, der uns unbesiegbar macht. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein!

Die ganze Welt hat in der Ukraine beobachten können, wie schwach und unfähig die NATO tatsächlich ist und ihr ehemaliger Abschreckungswert, den sie hauptsächlich durch brutale Kriegszüge gegen, militärisch schwache Opfer in der 3. Welt, erlangt hat, nutzt sich sehr schnell ab!

Sollte es zum offenen Krieg mit den Russen kommen, egal, wer ihn am Ende gewinnt, wird das Deutschlands Ende bedeuten!

Drei Kriege führte Karthago gegen Rom. Nach dem Ersten war es noch mächtig, nach dem Zweiten war es noch reich, nach dem Dritten existierte es nicht mehr!

Ähnlichkeiten der aktuellen Situation mit historischen Begebenheiten sind reiner Zufall, nicht!

Michael Kubertvor einem Jahr

Das ist ein interessanter Aspekt. Wir liegen weltweit (vor "Sondervermögen") immerhin auf Platz 7 der absolut gesehen höchsten Militärausgaben, und das in Friedenszeiten (wo wir uns schon Konflikte suchen müssen). Details: https://wisevoter.com/country-rankings/military-spending-by-country/

Fairerweise müsste man die absoluten Beträge auch auf die jeweiligen Kosten im Land umrechnen, 1 USD in Deutschland ist etwas anderes als 1 USD in China (z.B. bezogen auf Stundenlöhne).

Für mich stellt sich eher die Frage, was man mit dem vielen Geld macht. Wenn Pistorius davon Militär-Schrott-Technologien aus dem letzten Jahrtausend kauft, ist das mit Sicherheit verschwendet und nutzt höchstens irgendwelchen Industrie-Lobbyisten. Beispiel: In der Ukraine sieht man gut, dass eine Consumer-Drohne für wenige hundert Euro jeden Millionen-Panzer aus dem Verkehr ziehen kann (Kette weg sprengen, thermobarische Explosivstoffe o.ä.).

Ich denke nur 1 Milliarde EUR investiert in deutsch-russische Freundschaft und Verständigung wäre deutlich besser investiert als das gleiche Geld in Militärprojekte. Wenn die Russen mehr als 30 Jahre lang fröhlich zu uns zum Shoppen in unsere Luxus-Einkaufsstraßen geflogen sind, können sie so feindlich nicht sein. Da gibt's mehr Gemeinsamkeiten als uns die Medien-Propaganda glauben machen will.

Martin Kochvor einem Jahr

Mir hat mal jemand gesagt das wir kein Energieproblem hätten, wir hätten ein Effizienzproblem.

Vermutlich hat auch die BW kein Finanzproblem sondern ebenfalls ein Effizienzproblem.

Und sehr vermutlich trifft das auf den gesamten Staat zu. Was hat VdL nicht an Geldern rausgehauen die mit der Verteidigungsfähigkeit nicht zu tun hatten.

Wir brauchen ein Kontrollgremium wie es der Bund der Steuerzahler einmal war. Aber mit parlamentärischer Macht...

Germaniavor einem Jahr

Der Zustand der deutschen Bundeswehr ist der Spiegel des Zustands für ganz Deutschland. Wer seine Grenzen nicht schützen will und die halbe Welt in die Sozialsysteme einlädt, wird logischerweise dem Beispiel des Untergang Roms nachfolgen.