Kommt die Wehrpflicht zurück? Pistorius prüft alle Optionen

Jährlich 20.000 Soldatinnen und Soldaten muss die Bundeswehr neu gewinnen, um bis 2027 auf eine Stärke von 207.000 angewachsen zu sein. Da es bisher nur schleppend läuft, möchte Verteidigungsminister Pistorius 2024 ein Maßnahmenpaket auf den Weg bringen. Dabei prüft er auch verschiedene Wehrpflichtmodelle.
Legt neue Verteidigungspolitische Richtlinien vor: Boris Pistorius.
Um den Personalbedarf der Truppe zu decken, prüft Verteidigungsminister Pistorius verschiedene Modelle der Dienstpflicht.Foto: Marcus Brandt/dpa
Von 16. Dezember 2023

Jedes Jahr muss die Bundeswehr 20.000 Frauen und Männer für sich gewinnen. Bis 2027 will sie so auf 207.000 Mannschaftsdienstgrade, Unteroffiziere und Offiziere angewachsen sein. Im Moment dienen 184.000 Soldatinnen und Soldaten in der Truppe.

Das Wachstumsziel hatte 2016 noch die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ausgegeben. Sie rief damals den „Kampf um die besten Köpfe“ aus. Nach jahrelangem Personalabbau in der Armee sollte sie nun wieder wachsen. Das Ziel, 207.000 Soldatinnen und Soldaten, sollte eigentlich schon 2025 erreicht sein. So richtig kommt die Bundeswehr mit diesem Projekt aber nicht voran. Deshalb hat sie sich auch zwei Jahre mehr Zeit gegeben.

Ziel schwer umsetzbar

Ohne ein deutliches Plus an qualifizierten Soldatinnen und Soldaten kann sie ihrem breiten Aufgabenfeld nicht gerecht werden. So hat die Bundesregierung beispielsweise der NATO nach Beginn des Krieges in der Ukraine zusätzliche Divisionen zugesagt, die innerhalb weniger Tage bereitstehen müssten, damit sie an die Ostgrenze des Bündnisses verlegt werden könnten. Außerdem soll die Bundeswehr künftig Tausende ukrainische Soldaten trainieren. Dafür braucht es viele Ausbilder, aber auch mehr Logistiker, Militärpolizisten zur Absicherung und weitere Unterstützungskräfte.

Ob das Ziel, die Bundeswehr auf eine Stärke von 207.000 Soldatinnen und Soldaten anwachsen zu lassen, realistisch ist, wird sowohl bei Politikern als auch in der Truppe selbst inzwischen stark bezweifelt.

Angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt und der demografischen Entwicklung sei er pessimistisch, sagte beispielsweise Florian Hahn, verteidigungspolitischer Sprecher der Union im Bundestag im Mai gegenüber „Zeit Online“. „Hier gilt es, eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen, wie wir zukünftig den Personalbedarf der Bundeswehr für unsere Sicherheit decken wollen, oder zumindest einen Aufwuchs der Bundeswehr in einer Krise sicherzustellen“, so Hahn.

Auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), klang im Mai wenig zuversichtlich. „Die Bundeswehr braucht mehr Personal. Es gibt das Ziel, sie auf 207.000 Soldaten aufwachsen zu lassen. Das ist nur schwer umzusetzen.“

Verschiedene Modelle werden geprüft

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat nun für das kommende Jahr 2024 ein Maßnahmenpaket angekündigt, mit dem er zukünftig den Personalbedarf in der Truppe decken möchte.

Wie das „RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND)“ schreibt, prüft der Minister im Moment verschiedene Modelle einer Dienstpflicht. Darunter auch das in Schweden praktizierte Modell. „Dort werden alle jungen Frauen und Männer gemustert, und nur ein ausgewählter Teil von ihnen leistet am Ende den Grundwehrdienst. Ob so etwas auch bei uns denkbar wäre, ist Teil dieser Überlegungen“, sagte Pistorius im Interview mit der „Welt am Sonntag“. Er prüfe alle Optionen. „Aber jedes Modell, egal welches, braucht auch politische Mehrheiten“, betont der Minister weiter.

Nach 55 Jahren wurde die Pflicht zum Wehrdienst im Jahr 2011 ausgesetzt. Seitdem hat sich die Bundeswehr zu von einer Armee von Wehrdienstleistenden zu einer Freiwilligenarmee entwickelt. Kurz nach seinem Amtsantritt Anfang dieses Jahres hatte Pistorius die Aussetzung der Wehrpflicht als einen Fehler bezeichnet, den man nicht im Handumdrehen korrigieren könne.

Rückkehr zur Wehrpflicht für Scholz unwahrscheinlich

Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht eine Rückkehr zur Wehrpflicht im Moment nicht zur Debatte. Das betonte er im Februar dieses Jahres, nachdem Pistorius seine Äußerungen getätigt hatte.

Gegenüber der „Welt am Sonntag“ sagt Verteidigungsminister Pistorius nun: „Es hat seinerzeit Gründe gegeben, die Wehrpflicht auszusetzen. Rückblickend war es aber ein Fehler.“ Sie jetzt wieder einzuführen, sei strukturell, verfassungsrechtlich und politisch schwierig. Daher schaue er sich weitere Modelle an.

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP kann man zur Bundeswehr lesen: „Die Bundeswehr muss demografiefest und langfristig auch mit Blick auf die Altersstruktur ausbalanciert sein.“ Auf die Frage, wie das gelingen solle, sagte Pistorius: „Wir haben eine Task Force Personal eingerichtet im August. Ich habe jetzt das erste Extrakt der Arbeit gesehen, es geht um 65 sehr konkrete Vorschläge für Anwerbung, Rekrutierung, Ausbildung und Einstiegsvoraussetzungen.“



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