Bundeswehr-Neueintritte weiter unter Vor-Corona-Niveau – AfD streitet über Wehrpflicht
Die Zahl der Soldaten-Neueintritte in die Bundeswehr ist im Vorjahr um zwölf Prozent gestiegen. Im Jahr des Beginns des Ukrainekrieges traten 18.775 neue Rekruten ihren Dienst an. Das hat das Bundesverteidigungsministerium auf Anfrage der „Deutschen Presse-Agentur“ mitgeteilt.
Trotz des Anstiegs blieb die Zahl der neuen Soldaten nach wie vor unter dem Niveau vor der Corona-Krise: 2019 hatten sich noch 20.170 Männer und Frauen für den Dienst bei der Bundeswehr verpflichtet. Laut dem Jahresbericht der Wehrbeauftragten des Bundestages gab es 2020 genau 8.251 freiwillige Grundwehrdienstleistende und 16.430 Neueinstellungen von Zeitsoldaten.
Im Jahr darauf waren es 8.518 freiwillige Grundwehrdiener und 16.700 Soldaten auf Zeit. Im Juni 2021 zählte die Bundeswehr 298 Freiwillige für den Heimatschutz. Diese Form des Dienstes ist erst seit April 2021 möglich. In allen Bereichen sind in diesen Zahlen spätere Abbrecher nicht berücksichtigt.
Anteil der Minderjährigen in der Bundeswehr steigt
Von den Neuzugängen des Jahres 2022 handelte es sich bei 9.171 Personen um Zeitsoldaten. Einen freiwilligen Wehrdienst leisteten 8.632 Bürger, 981 verpflichteten sich zu einem solchen im Heimatschutz.
Der Frauenanteil unter den Neueintritten lag allerdings zwei Prozentpunkte höher als im Jahr vor der Pandemie – nämlich nun bei 17 Prozent. Der Anteil der Minderjährigen stieg ebenfalls, nämlich von 8,5 auf 9,4 Prozent. Das Bundesverteidigungsministerium betonte, Personen unter 18 Jahren dürften keinen Dienst an der Waffe leisten. Zudem stelle man 17-Jährige nur dann ein, wenn sie für den Soldatenberuf geeignet seien und sich mit dessen Anforderungen eingehend auseinandergesetzt hätten.
Damit die Volljährigkeit als Grundvoraussetzung für Ausbildung und Dienst an der Waffe bestehen bleibt, wollen die Ampelparteien diese Bedingung auch gesetzlich absichern.
Unterdessen zieht die Debatte um eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht weitere Kreise. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte deren Aussetzung im Jahr 2011 als „Fehler“ bezeichnet, den man aber „nicht im Handumdrehen korrigieren“ könne. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte einer Debatte über eine Rückkehr zur Wehrpflicht hingegen bereits im Februar eine Absage erteilt.
Uneinheitlich dürfte auch die Position der Union in dieser Frage sein. Immerhin war es ihr Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der die Aussetzung der Wehrpflicht initiiert hatte.
Antrag der AfD zur Wehrpflicht verschwindet von der Tagesordnung
Inmitten einer Wehrpflicht-Debatte steckt derweil die AfD – und diese könnte ein erhebliches Spaltungspotenzial innerhalb der Partei entfalten. Die Rechtspartei ist die einzige im Bundestag vertretene Formation, die explizit eine Wiedereinführung der Wehrpflicht in ihrem Grundsatzprogramm verankert hatte. Schon in den Bundestagswahlprogrammen für 2017 und 2021 war diese Forderung enthalten.
Unter dem Eindruck der Aussage von Pistorius sollte am Freitag, 3. März, ein Antrag der AfD-Fraktion im Bundestag zur Beratung anstehen. In diesem ging es um die „Reaktivierung der Wehrpflicht“.
Die Verteidigungspolitiker in der AfD-Fraktion hatten den Antrag nach Rücksprache mit anderen Arbeitskreisen vorbereitet. Der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann ließ den Antrag im Schnellverfahren auf die Tagesordnung des Bundestags setzen. Es sollte dazu eine 45-minütige Aussprache geben.
Chrupalla will Position in Richtung soziales Pflichtjahr modifizieren
Infolge einer Intervention durch Fraktionschef Tino Chrupalla verschwand der Antrag jedoch wieder von der Tagesordnung. Dazu soll nun eine fraktionsinterne Beratung anstehen. Zur Begründung erklärte Chrupalla nach Informationen der Zeitung „Welt“, es sei „ein bisschen verkehrt“, sich in der derzeitigen Lage mit dieser Position brüsten zu wollen.
Die Bürger hätten „gerade Angst […], dass Deutschland in den Krieg hineingezogen wird“, betonte der Parteichef. Zudem habe er das Thema Friedenspolitik auch optisch in den Mittelpunkt der Öffentlichkeitsarbeit gestellt.
In Anbetracht der Position der meisten übrigen Parteien zu Waffenlieferungen für die Ukraine und einer medial geschürten Kriegsstimmung hält Chrupalla ein Ja zur Wehrpflicht für das falsche Signal. Erst jüngst gab er seiner Befürchtung Ausdruck, dass „am Ende […] wahrscheinlich wie vor 80 Jahren Soldaten an die Front geschickt werden“.
Auch deshalb will Chrupalla die Position der Partei zur Wehrpflicht modifizieren. Es solle demnach „nicht um die reine Wehrpflicht“ gehen. Stattdessen gehen seine Vorschläge eher in die Richtung eines verpflichtenden Sozialdienstes, der auch in zivilen Einrichtungen abgeleistet werden könne. Eine solche Forderung hatten in den 1980er- und 1990er-Jahren die Republikaner vertreten. Zuletzt hatte auch die CDU ein solches Konzept auf ihrem Bundesparteitag beschlossen.
AfD-Kehrtwende bei Wehrpflicht „bei Polizei und Bundeswehr unglaubwürdig“?
Demgegenüber will der verteidigungspolitische Sprecher Rüdiger Lucassen die AfD besonders in dieser Zeit als „Partei für den starken Staat“ positionieren. Dabei solle man „nicht durch Friedenstauben das Alleinstellungsmerkmal der AfD wegwischen“. Ein weiterer, nicht namentlich in Erscheinung getretener Abgeordneter beklagte einen „Hippie-Kurs“, der die AfD für Polizei und Militär „unglaubwürdig“ mache.
Der Chef der Parteijugend („Junge Alternative“), Hannes Gnauck, erklärte, eine Positionierung als Friedenspartei dürfe „nicht in ein generelles Misstrauen gegenüber der Bundeswehr abdriften“. Er würde den Antrag befürworten, weil die Bevölkerung derzeit „noch eher Verständnis für eine Wehrpflicht als in Friedenszeiten“ hätte.
Demgegenüber vollzieht neben dem sächsischen offenbar auch der thüringische Landesverband eine Kehrtwende. „Wehrpflicht? Nein Danke!“, äußerte Thüringens Co-Parteichef Stefan Möller in einem Onlinemagazin. „Da wir nicht bedroht werden, geht es realpolitisch also eher um die Erhöhung des militärischen Potenzials für Interventionen.“
„Bürgerliche“ erhoffen sich Ende der Isolation der AfD
Die Wehrpflichtdebatte könnte in der AfD zum Aufhänger für weitere Flügelkämpfe werden. Vor allem die ostdeutschen Verbände lehnen eine Konfrontationspolitik gegenüber Russland vehement ab.
Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ist die Bereitschaft insgesamt gering, Russland als Feind zu betrachten, gegen den man notfalls militärisch vorgehen müsse. Politische und mediale Agitation in diese Richtung ist unbeliebt, viele Ostdeutsche sehen die Ukraine nicht als unschuldiges Opfer russischer Aggressionspolitik.
Demgegenüber hoffen vor allem „bürgerliche“ Kreise in der AfD auf ein Ende der politischen Isolation. Eine eindeutige Parteinahme für die Ukraine und Distanz zum Kreml gilt für viele als mögliche Eintrittskarte in den Kreis potenzieller Koalitionspartner für Union und FDP.
Immerhin folgen andere europäische Rechtsparteien wie die Fratelli d’Italia, die polnische PiS, die sogenannten Basisfinnen oder die Schwedendemokraten ebenfalls dem westlichen Narrativ zum Ukraine-Krieg. Viele von ihnen befürworten auch eine Ausweitung der Waffenlieferungen an Kiew.
Erst am Mittwoch, 8. März, stimmte die AfD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen einem gemeinsamen Antrag der übrigen Parteien zu. In diesem wurde der „russische Angriffskrieg“ gegen die Ukraine als „eklatanter Bruch des Völkerrechts“ bezeichnet. Zudem enthielt der Antrag die Forderung, dass „die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft gezogen“ werden sollten. Gemeint waren ausschließlich solche aufseiten der russischen Streitkräfte.
(Mit Material von dpa)
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