Bundeswahlleiterin Brand: Neuwahl im Februar „rechtssicher durchführbar“

Die Bundeswahlleiterin Dr. Ruth Brand hat im Wahlprüfungsausschuss Rede und Antwort gestanden. Der Neuwahl am 23. Februar stehe nichts im Wege. Eine Einflussnahme auf den Bundeskanzler stritt sie ab. Sie habe lediglich beabsichtigt, den Kanzler auf Risiken hinzuweisen.
Bundeswahlleiterin Ruth Brand
Das Archivbild zeigt Bundeswahlleiterin Dr. Ruth Brand, zugleich Präsidentin des Statistischen Bundesamtes.Foto: Pressefoto
Von 12. November 2024

Der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags hat die Bundeswahlleiterin Dr. Ruth Brand (SPD) über Ungereimtheiten der vergangenen Tage befragt. Brand hatte Olaf Scholz (SPD) am 8. November einen Brief geschrieben, in dem sie vor den Risiken eines allzu frühen Neuwahltermins gewarnt hatte.

Noch während Brand den Ausschussmitgliedern von CDU, FDP, SPD und Linken Rede und Antwort stand, wurde bekannt, dass sich die Fraktionsspitzen von SPD und Union auf den Neuwahltermin 23. Februar 2025 geeinigt hatten. Auch die Grünen seien damit einverstanden.

Vertrauensfrage wohl am 16. Dezember

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird somit wahrscheinlich am Montag, 16. Dezember, die Vertrauensfrage stellen. Der Bundestag dürfte dann frühestens am 18. Dezember darüber abstimmen. Bei mehrheitlichem Entzug des Vertrauens könnte der Kanzler den Bundespräsidenten auffordern, den Bundestag aufzulösen. In diesem Fall hätte Steinmeier 21 Tage Bedenkzeit.

Um einen Wahltermin 23. Februar 2025 einhalten und zugleich das Maximum von 60 Tagen Vorbereitungszeit ausschöpfen zu können, dürfte der Präsident den Bundestag frühestens am 26. oder 27. Dezember auflösen.

Nach dem Wahltag kann es erfahrungsgemäß noch viele Wochen dauern, bis sich ein neues Regierungsbündnis bildet. Regulär hätte ein neuer Bundestag am 28. September 2025 gewählt werden sollen.

Brand selbst hatte keinen eigenen Terminvorschlag gemacht: Die Aufgabe obliege allein den Verfassungsorganen, erklärte die hauptberufliche Präsidentin des Statistischen Bundesamtes im Wahlprüfungsausschuss. Die bis dato in Rede stehenden Februar-Termine halte sie „sehr wohl für rechtssicher durchführbar, insbesondere vor dem Hintergrund der Diskussionen“. Auch von ihrer Seite würde damit einem Wahltermin am 23. Februar also nichts mehr im Wege stehen.

Brand erinnert an vielfältige Herausforderungen

Dass man im Januar oder Februar nicht wählen könne, habe sie nie gesagt, sondern lediglich die Risiken erläutert, betonte die Bundeswahlleiterin.

In jedem Fall würden sämtliche Wahlorgane und Wahlhelfer „alles in ihrer Macht Stehende tun, um eine bestmögliche Vorbereitung bis zum Wahltag sicherzustellen“ – ganz gleich, wann die Vertrauensfrage komme. Sie selbst beschäftige sich schon seit Bekanntwerden des Ampelbruchs mit der Neuwahl: Eine gründliche Vorbereitung verringere die Wahrscheinlichkeit für „Wahlfehler“.

Bundeswahlleiterin Dr. Ruth Brand (l.) und Sitzungsleiterin Daniela Ludwig (CSU) beim Treffen des Wahlprüfungsausschusses am 12. November 2024 im Bundestag. Foto: Bildschirmfoto/Bundestag.de

Bundeswahlleiterin Dr. Ruth Brand (l.) und Sitzungsleiterin Daniela Ludwig (CSU) beim Treffen des Wahlprüfungsausschusses am 12. November 2024 im Bundestag. Foto: Bildschirmfoto/Bundestag.de

Ein noch früherer Neuwahltermin wie etwa den zuletzt von Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) zur Diskussion gestellten 19. Januar wäre aus Sicht Brands noch immer „schwierig“: Damit die Briefwahlunterlagen rechtzeitig 14 bis 16 Tage bei den Bürgern ankommen könnten, müssten dafür sämtliche Unterlagen bereits um den 16. Dezember vorliegen, und zwar geprüft und um Mängel beseitigt. Mit dem Druck der Wahlpapiere könnte dann voraussichtlich erst am zweiten Weihnachtstag begonnen werden.

Den Druckereien und auch den Logistikdienstleistern blieben insofern nur wenige Tage Zeit: „Je länger dieser Druck dauert, desto kürzer ist der Briefwahlzeitraum“, so Brand. All das würde aus ihrer Sicht erhöhte Risiken bedeuten.

Eine weitere Herausforderung sei auch die rechtzeitige Schulung der Wahlhelfer in den Gemeinden. Zudem könnten manche Parteien oder Einzelkandidaten bei einer vorgezogenen Neuwahl vor dem Problem stehen, ihre Unterstützerstimmen für eine Kandidatur nicht rechtzeitig zusammenzubekommen.

Keine Einflussnahme auf den Kanzler beabsichtigt

Aus Gründen der Minimierung all dieser Risiken habe sie sich am Freitag, 8. November, schriftlich erstmals überhaupt an den Bundeskanzler gewandt. Tags zuvor sei einer ihrer Sprecher ihres Auskunftsdiensts frühmorgens wegen möglicher Neuwahlen angerufen worden. Ihr Sprecher habe lediglich bestätigt, dass Neuwahlen auch bei verkürzten Fristen umsetzbar wären. Dass es dazu insgesamt nur 60 Tage benötige, wie in Teilen der Presse kolportiert, sei ein Missverständnis gewesen.

Eine wie auch immer geartete Einflussnahme habe sie mit ihrem Brief an den Regierungschef jedenfalls nie beabsichtigt, betonte Brand. Auch umgekehrt habe der Kanzler keinen Einfluss auf sie ausgeübt. Sie habe ihn lediglich als den geeigneten Adressaten angesehen, weil die Vertrauensfrage ja von ihm ausgehen müsse.

Um nicht „unhöflich“ zu erscheinen, habe sie ihren Brief zur Mittagsstunde zunächst gegenüber Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD) „avisiert“, bevor sie ihn etwa eine Stunde später zugleich an den Kanzler und an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) versendet habe. Ihre Behörde gehöre zwar zum Bundesinnenministerium, sei aber nicht weisungsgebunden. Als Ansprechpartner wende sie sich in der Regel an die Bundestagspräsidentin. Ein offizieller Dienstweg, von dem sie hätte abweichen können, existiere gar nicht. Den Kontakt zur Papierindustrie habe sie zuvor nicht gesucht.

Brand hatte vor „hoher Gefahr“ gewarnt

Brands Schreiben an den Regierungschef war unter anderem vom Onlineportal „The European.de“ veröffentlicht worden. Darin hatte die Bundeswahlleiterin vielfältige Herausforderungen und Risiken für eine Wahl in den ersten beiden Monaten des Jahres 2025 skizziert. Diese bedeuteten ihrer Ansicht nach eine „hohe Gefahr“, „dass der Grundpfeiler der Demokratie und das Vertrauen in die Integrität der Wahl verletzt werden“ könnten. Als potenzielle Risiken hatte sie die „zunehmend hybriden Bedrohungen“, die „Beschaffung von Papier“ und „die Beauftragung geeigneter Druckdienstleister“ erwähnt.

Sie habe nie gesagt, dass es in Deutschland kein Papier gebe, stellte Brand nun während ihrer Befragung fest. Es sei lediglich eine „Herausforderung“, Papier zu beschaffen. Einzelheiten darüber wollte sie auch auf Nachfrage vonseiten des CDU-Ausschussmitglieds Dr. Volker Ullrich nicht preisgeben: Die Hintergründe wolle sie höchstens „nicht öffentlich“ besprechen. „Es liegt jedenfalls nicht am Papier“, ließ sich Brand dann doch noch entlocken (Video auf YouTube).

Die Sondersitzung war nach Informationen des „Stern“ von Johannes Fechner, dem Justiziar der SPD-Bundestagsfraktion, im Auftrag der Fraktionen von SPD und Grünen beantragt worden, um „frühzeitig zur Klarheit über die für die Wahlvorbereitung relevanten Schritte und die hierfür in fachlicher Hinsicht sinnvolle Vorlaufzeit beizutragen“.

Hängepartie bis zur Neuwahl

Bis zum Vormittag des 12. November hatte die Republik tagelang auf eine Ansage des Bundeskanzlers auf den genauen Termin gewartet, an dem er die Vertrauensfrage gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes zu stellen gedenkt.

Kurz nach dem Ampelbruch vom Abend des 6. November hatte Scholz noch den 15. Januar 2025 als Stichtag genannt. Nach Ansicht sämtlicher Parteien – mit Ausnahme der SPD und der Grünen – viel zu spät. Am Sonntagabend erklärte Scholz in der TV-Sendung „Caren Miosga“ schließlich, dass er sich auch zu einem Termin noch vor Weihnachten bereit erklären würde. Voraussetzung sei allerdings, dass die Fraktionsspitzen von SPD und Union eine Lösung finden würden, um gemeinsam bestimmte seiner Vorhaben umzusetzen (Video in der ARD-„Mediathek“).

Bislang fünf Vertrauensfragen – nur drei zogen Neuwahlen nach sich

Nach dem Grundgesetz liegt es allein in der Macht des Kanzlers, für vorzeitige Neuwahlen zu sorgen. Streng genommen wäre er nicht einmal nach einer verlorenen Vertrauensfrage zur Aufgabe gezwungen. Doch das kam in der Geschichte der Bundesrepublik bislang noch nie vor.

Seit 1972 hatten vier Bundeskanzler insgesamt fünfmal das Mittel der Vertrauensfrage genutzt. In den drei Fällen, in denen ihnen das Vertrauen entzogen wurde, kam es jedes Mal zur Auflösung des Bundestags und Neuwahlen. Das war laut „Tagesschau“ erstmals am 20. September 1972 der Fall, als Willy Brandt (SPD) die Vertrauensfrage stellte. Zwei Monate später wurde er allerdings als Chef einer SPD/FDP-Koalition wiedergewählt.

Sein Nachfolger Helmut Schmidt konnte am 5. Februar 1982 nach seiner Vertrauensfrage die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich versammeln und noch bis zum 17. September 1982 weiterregieren. An diesem Tag traten seine FDP-Minister zurück, sodass Schmidt als Kopf einer Minderheitsregierung faktisch doch noch entmachtet wurde.

Der damalige Oppositionsführer Helmut Kohl (CDU) reagierte am 1. Oktober 1982 mit einem konstruktiven Misstrauensvotum. Er wurde mit den Stimmen der Union und der FDP zum Nachfolger von Helmut Schmidt gewählt. Am 17. Dezember desselben Jahres entschloss sich Kohl selbst zur Vertrauensfrage, um Neuwahlen in die Wege leiten zu können. Verabredungsgemäß entzogen ihm seine Koalitionäre im Parlament das Vertrauen. Am 6. März wurde Kohl erneut zum Kanzler einer schwarz-gelben Bundesregierung gewählt. Er sollte das Amt 16 Jahre innehaben.

Erst am 16. November 2001 kam es erneut zu einer Vertrauensfrage, dieses Mal initiiert von Kohls Nachfolger Gerhard Schröder (SPD). Laut „Statista“ wurde er im Amt bestätigt und durfte im Verbund mit den Grünen weiter regieren.

Knapp vier Jahre später, am 27. Juni 2005, entschied sich Schröder unter dem Eindruck einer Reihe von verlorenen Landtagswahlen, noch einmal die Vertrauensfrage zu stellen. Ähnlich wie Kohl hoffte er auf eine Niederlage, um nach der Neuwahl des Bundestags ebenfalls frisch gestärkt weitermachen zu können. Doch anders als 1982 ging der Plan nicht auf: Schröder wurde am 18. September abgewählt und zwei Monate später von Angela Merkel (CDU) ersetzt. Wie Kohl blieb sie vier Legislaturen an der Macht.



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